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Einwanderer "Ich kann das, ich bin Arzt!"

Ausländische Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden, das hat der Bundesrat beschlossen. Für Jean Michel Bollo ist das ein Hoffnungsschimmer. Der Mediziner aus Kamerun wartet schon seit 14 Jahren darauf, dass er in Deutschland praktizieren darf. Doch das neue Gesetz hat einige Tücken.
Jean Michel Bollo: Der Mediziner möchte endlich wieder in einem Krankenhaus arbeiten

Jean Michel Bollo: Der Mediziner möchte endlich wieder in einem Krankenhaus arbeiten

Foto: Jean Michel Bollo

Jean Michel Bollo, 44, ist Arzt. Eigentlich müsste es heißen: Er war Arzt. Denn in seinem Beruf hat er seit 14 Jahren nicht gearbeitet. So lange wartet der Mediziner aus Kamerun auf die Anerkennung seines Berufs in Deutschland. Die deutsche Staatsbürgerschaft hat er schon vor sieben Jahren bekommen.

Der Bundesrat hat an diesem Freitag das neue Gesetz zur einfacheren Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse verabschiedet. Zuwanderer sollen einen Rechtsanspruch erhalten, dass ihr Berufsabschluss innerhalb von drei Monaten überprüft wird. Stimmt die Qualifikation mit den deutschen Berufsanforderungen nicht überein, müssen zumindest die im Ausland erworbenen Kenntnisse bescheinigt werden. Das Gesetz tritt voraussichtlich am 1. März 2012 in Kraft.

Ein Hoffnungsschimmer für Bollo? "Es gibt viele Krankenhäuser, die mich beschäftigen wollen, aber ohne Berufserlaubnis geht nichts", sagt er. Er hat 1995 an der Universität von Conakry in Guinea promoviert, in Deutschland ein Aufbaustudium in Business English absolviert und an der Volkshochschule einen Abschluss in Interkultureller Kompetenz gemacht. Jetzt arbeitet er als Dozent an einer privaten Berufsfachschule für Altenpflege in Sachsen-Anhalt. Sein größter Wunsch: wieder in einem Krankenhaus arbeiten, am liebsten in der Neurologie.

Bollo sagt, er kenne viele Zuwanderer, denen es gehe wie ihm. Manche hätten schon aufgegeben, seien jetzt Taxifahrer oder Bauarbeiter. Aufgeben wolle er aber nicht: "Ich kann das, ich bin Arzt!" Inzwischen hat er sogar die deutsche Botschaft in seiner Heimat eingeschaltet und ein Gutachten erstellen lassen, indem ihm bescheinigt wird, dass sein Studium ein Medizinstudium war.

Werden es Zuwanderer wirklich leichter haben?

Ob mit dem neuen Gesetz für Zuwanderer wie Bollo wirklich alles besser wird, ist fraglich. Das neue Gesetz sei grundsätzlich ein richtiger Schritt, habe aber "viele Tücken und Lücken", sagt Gesine Keßler-Mohr, die bei der Handwerkskammer Hamburg als Koordinatorin für das Norddeutsche Netzwerk zur beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten arbeitet. In den vergangenen elf Monaten mussten sie und ihre Kollegen bei der Handwerkskammer 120 Zuwanderer wegschicken, die ihren ausländischen Berufsabschluss anerkannt haben wollten.

Ein Problem, das mit dem neuen Gesetz auf sie zukommt, ist es, Referenzberufe zu finden: "Zu uns kommen zum Beispiel viele Menschen aus den ehemaligen GUS-Staaten, die einen Beruf im Elektrikbereich ausgeübt haben, den es so bei uns gar nicht gibt." Für diese Berufe ein deutsches Pendant zu finden, sei schwierig.

Keßler-Mohr schätzt, dass die meisten Migranten, die ihren Abschluss anerkannt haben wollen, eine Nachqualifizierung brauchen werden. Und für die dürften häufig die finanziellen Mittel fehlen. "Wenn sich politisch nicht noch etwas bewegt, wird das schwierig werden", sagt sie.

Diese Einschätzung teilt auch Michael Gwosdz, Leiter der Zentralen Anlaufstelle Anerkennung beim Diakonischen Werk Hamburg. Seit Januar 2010 haben Gwosdz und seine drei Mitarbeiterinnen mehr als 700 Migranten beraten, die auf Anerkennung ihrer Ausbildungen in Deutschland hoffen. Bisher konnten sie nur wenigen helfen, in ihre gelernten Berufe zurückzukehren. Gwosdz bezweifelt, dass sich dies mit dem neuen Gesetz grundlegend bessern wird.

Für Ergotherapeuten gibt es kein Qualifizierungsprogramm

"Es werden viele zu uns kommen mit dem Bescheid, dass sie eine Qualifizierung brauchen - und da beginnt schon das nächste Problem", sagt er. Für manche Berufe gebe es nämlich gar keine entsprechenden Angebote. So suchten er und seine Mitarbeiter etwa vergeblich ein Qualifizierungsprogramm für eine Ergotherapeutin. "Ein weiteres Problem ist, dass zum Beispiel ein Physiotherapeut aus Polen andere Fächer nachholen muss als ein Physiotherapeut aus Spanien", so Gwosdz.

Und selbst wenn ein passender Kurs gefunden werden kann, bleibt die Frage der Finanzierung. "So ein Qualifizierungskurs kann einige tausend Euro kosten und dauert in der Regel mindestens ein Jahr", sagt Gwosdz. "Für viele stellt sich da auch die Frage: Von was lebe ich in der Zeit?"

Das neue Gesetz stellt zudem je nach Beruf recht unterschiedliche Anforderungen. Krankenpfleger aus Staaten außerhalb der EU müssen etwa die Abschlussprüfung gleich ganz neu machen, Altenpfleger aus der EU können sich dagegen auch für eine sogenannte Defizitprüfung entscheiden. "Es bleibt weiter kompliziert", so Gwosdz.

Auch die Frist von drei Monaten, in denen die Zuwanderer einen positiven oder negativen Bescheid bekommen sollen, sieht er kritisch: "Es ist eine interessante Frage, wen man verklagt, wenn die Frist überschritten wird." Im Gesetz gebe es zudem die Möglichkeit, die Frist auszusetzen, zum Beispiel, wenn wichtige Papiere fehlen. Gwosdz weiß, dass Migranten wie Jean Michel Bollo die Nachweise einer Berufsqualifikation oft nur schwer zusammenbringen können.

Foto: Jeannette Corbeau

Autorin Verena Töpper (Jahrgang 1982) ist KarriereSPIEGEL-Redakteurin.

Foto: Beatrice Blank
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