
Tipps vom Karrierecoach Testosteron-Stau und Revierdünkel – wie behaupte ich mich als Frau unter Männern?


Einfach mehr Gewicht: Männerrunden können eine besondere kommunikative Herausforderung sein
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Sibylle, 43 Jahre, fragt: »Ich sitze in vielen Konferenzen als einzige Frau mit etlichen Männern am (digitalen) Konferenztisch und bin häufig erstaunt, wie die Kerle mit Halbwissen protzen – und wie sehr sich das bei den Chefs verfängt. Fremde Ideen werden vergesellschaftet. Der männliche Humor bleibt mir oft fremd, die Kollegen kennen sich oft schon von ihrer Ausbildung her. Haben Sie einen Tipp, wie ich mit der Situation besser umgehen kann?«
Bernd Slaghuis ist Karrierecoach und hat seit 2011 in seinem Kölner Büro mehr als tausend Angestellte und Führungskräfte bei ihren nächsten Schritten im Beruf begleitet. Er betreibt den Karriere-Blog »Perspektivwechsel« und ist Autor des Buchs »Besser arbeiten«. Haben Sie eine Frage an den Coach? Dann schreiben Sie eine E-Mail an karriere.leserpost@spiegel.de – Stichwort Bernd Slaghuis
Liebe Sibylle,
es geht mir im Folgenden weder um Mitleid, dass Sie es mit Ihren protzenden Männern wirklich schwer haben, noch um gut gemeintes Mansplaining mit meinen besten Tipps ausgerechnet als männlicher Coach. Ihre berufliche Situation belastet Sie. Es ist wichtig, dies ernst zu nehmen und etwas zu verändern.
Was für ein Kindergarten, denke ich oft aus der Distanz
Was Sie dort in Ihrer Männerclique wahrnehmen, das ist kein Einzelfall. Viele Frauen können ein Lied hiervon singen, insbesondere in Berufen und Organisationen, wo noch Status und Macht Erfolg und Aufstieg versprechen. Denken Sie an die junge Oberärztin in der Klinik zwischen ihren männlichen Weißkitteln oder die ambitionierte Innovationsmanagerin inmitten einer eingestaubten Behörde. Auf der anderen Seite sagen mir fast alle Frauen, dass sie in einem rein weiblichen Team niemals arbeiten wollen würden. Und mir sitzen auch Männer gegenüber, die die falschen Spielchen ihrer Managerinnen nicht mehr ertragen.
So erfahre ich im Coaching jeden Tag Geschichten, die mich sprachlos machen. Was für ein Kindergarten, denke ich oft aus der sicheren Distanz. Doch es ist weder Spiel noch Spaß für die Betroffenen, sondern ständiges Spießrutenlaufen und ermüdender Kampf gegen empfundene Ungerechtigkeit. Für mich ist es mehr als die Frage, wie Männer und Frauen zusammenarbeiten. Es geht darum, wie sich Menschen mit unterschiedlichen Ziel- und Wertevorstellungen sowie voneinander abweichenden Welt- und Menschenbildern innerhalb einer Organisation wertschätzend verhalten.
Eigene Klarheit schaffen
Sie wissen es, Sie werden weder das Alphamännchen-Gehabe heilen noch die tiefen Sandkastenfreundschaften durchtrennen können. Ihre Krallen auszufahren und gegen die Männerallianz anzukämpfen, wird Sie nicht nur noch mehr wertvolle Kraft kosten, sondern vermutlich auch in die Schublade der nervigen Zicke befördern.
Wenn Sie Ihre Frustration einmal beiseitelegen, was wünschen Sie sich konkret, das in solchen Situationen in Zukunft anders wäre? Geht es darum, mit Ihren Ideen mehr gesehen, gehört und als Kollegin ernst genommen zu werden? Wünschen Sie sich mehr das Gefühl von Zugehörigkeit in der Gemeinschaft? Oder geht es grundlegender um Ehrlichkeit und Gerechtigkeit?
Machen Sie sich bewusst, welche der für Sie wichtigen Werte in diesen Momenten verletzt werden und was Sie sich stattdessen wünschen. Auch wenn Sie sich sicher sind, dass nicht Sie das Problem sind, ist für die Lösung zuerst Ihre eigene Klarheit enorm wichtig.
Ehrliche Kommunikation statt falsches Schauspiel
Glauben Sie, dass Ihre Männer in der Runde wissen, wie Sie sich dort als einzige Frau fühlen? Glauben Sie, dass sie sich bewusst derart ausgrenzend verhalten, Ideenklau betreiben und ihre komischen Witze zum Besten geben? Ja, das kann sein, muss es jedoch nicht. Wie würden Ihre Kollegen wohl reagieren, wenn sie Ihre Frage hier lesen? Fallen sie aus allen Wolken und tut ihnen ihr unbewusstes Verhalten womöglich leid – oder werden sie im nächsten Meeting zur Strafe noch einen drauflegen?
Mein Rat: Sprechen Sie mit Ihren Kollegen darüber, was Sie wahrnehmen, wie Sie sich fühlen und was Sie sich von ihnen in Zukunft wünschen. Nicht als schwaches Opfer, sondern als Kollegin. Ohne Rechtfertigung oder Vorwürfe, sondern sachlich und klar. Ohne kämpferische Wut im Bauch, sondern mit Gelassenheit auf Augenhöhe. Vielleicht gibt es auch einen Kollegen, zu dem Sie einen guten Draht haben, und Sie suchen das Gespräch unter vier Augen? Entscheiden Sie, was für Sie dort ein guter Rahmen und Zeitpunkt ist.
Vielfalt macht Teams erfolgreicher
Im Idealfall wird Ihren Kollegen ihr Verhalten bewusst, und es verändert sich etwas. Womöglich hat auch Ihr verändertes Bewusstsein eine Wirkung. Erwiesen ist, dass Vielfalt Teams erfolgreicher macht – und mehr Erfolg wird Ihren Männern am Tisch ebenso gefallen. Verändert sich nichts, werden Sie ein anderes Arbeitsumfeld finden, das besser zu Ihnen und Ihren Werten passt.