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Ende der Homeoffice-Pflicht Wer langfristig von zu Hause arbeiten darf – und wer nicht

Die Pflicht zum Homeoffice läuft Ende Juni aus – ohne Ersatz. Was das für Firmen und Beschäftigte bedeutet, sagt Arbeitsrechtler Christian Bitsch.
Ein Interview von Matthias Kaufmann
Keine Rückfahrkarte aus dem Homeoffice: Heimarbeitsplatz auf Dauer für viele Arbeitnehmer

Keine Rückfahrkarte aus dem Homeoffice: Heimarbeitsplatz auf Dauer für viele Arbeitnehmer

Foto: Sergei Ilnitsky / Shutterstock / EPA-EFE

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Bloß kein Corona auf der Arbeit: In der Pandemie sollen viele Regeln dafür sorgen, dass sich niemand am Arbeitsplatz ansteckt. Zwei davon laufen Ende Juni aus: die Corona-Arbeitsschutzverordnung und die Homeoffice-Pflicht. Die Arbeitsschutzverordnung wird ab Juli eine sehr ähnliche Nachfolgeregelung bekommen: Testpflicht, Hygienepläne, Maskenpflicht am Arbeitsplatz zum Beispiel werden vorerst bleiben. Darauf hat sich das Kabinett an diesem Mittwoch geeinigt. Die Homeoffice-Pflicht läuft dagegen ersatzlos aus. Wir haben Arbeitsrechtler Christian Bitsch gefragt, was das für Firmen und Angestellte bedeutet.

SPIEGEL: Herr Bitsch, die Homeoffice-Pflicht, die in der Coronapandemie eingeführt worden war, läuft Ende Juni aus. Wie sieht das konkret aus: Müssen am 1. Juli alle wieder antanzen?

Christian Bitsch: So wird es wohl nicht laufen. Ich fürchte, in vielen Betrieben kann man gar nicht so genau sagen, was passieren wird.

SPIEGEL: Wie kann das sein?

Bitsch: Das liegt am § 28b Abs. 7 des Infektionsschutzgesetzes, der das Ganze regelt. Im April wollte man damit schnell möglichst viele Ansteckungen verhindern. Das hat aber auch dazu geführt, dass der Paragraf mit heißer Nadel gestrickt wurde. Offen gesagt: Der ist handwerklich ziemlich schlecht.

SPIEGEL: Was ist das Problem?

Bitsch: Damit wurden Arbeitgeber verpflichtet, überall da, wo es möglich ist, ihren Beschäftigten einen mobilen Arbeitsplatz anzubieten, etwa im Homeoffice. Und die Arbeitnehmer wurden verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen, wenn dem nicht dringende Gründe entgegenstehen. Was sich in dem Paragrafen allerdings nicht findet, ist eine Aussage, wann diese Pflichten enden.

SPIEGEL: Die ganze Regelung ist doch nur begrenzt gültig.

Bitsch: Schon richtig, aber das, was sie in Gang gesetzt hat, wirkt nach. Die Arbeitgeber haben ein Angebot gemacht, und die Arbeitnehmer haben es angenommen. Damit ist ein Vertrag zwischen beiden Seiten zustande gekommen, wonach künftig von zu Hause gearbeitet wird. Hat keine der beiden Seiten Vorkehrungen getroffen, dann gibt es keine Rückfahrkarte, bis beide Seiten sich auf etwas neues einigen.

SPIEGEL: Das heißt, Tausende Arbeitnehmer haben jetzt einen Heimarbeitsplatz auf Dauer gewonnen?

Bitsch: So kann man das sehen, ja. In solchen Fällen können Arbeitnehmer dauerhaft im Homeoffice bleiben. Das könnte in vielen Betrieben für Streit sorgen.

SPIEGEL: Sie sagen: Wenn keine Vorkehrungen getroffen wurden …

Bitsch: Ja, vielen Chefs, Personalabteilungen oder auch Betriebsräten war das natürlich klar. Und so eine Rückfahrkarte kann man auch selbst ausstellen.

SPIEGEL: Wie geht das?

Bitsch: Viele Firmen haben entweder mit jedem Mitarbeiter eine schriftliche Vereinbarung zum Heimarbeitsplatz geschlossen, in der eine Klausel auch das Ende der Vereinbarung regelt. Zum Beispiel mit Formulierungen wie: »… bis der Infektionsschutz auch wieder Arbeiten in Präsenz ermöglicht.« Oder sie haben sich zusammen mit den Arbeitnehmervertretern auf eine Betriebsvereinbarung geeinigt. Oft sind diese Vereinbarungen noch deutlich umfangreicher.

SPIEGEL: Was steht da drin?

Bitsch: Dort kann man etwa detailliert regeln, bei welchen Inzidenzwerten welche Anwesenheitsregeln gelten. Auch Hygienepläne und Vorschriften für Dienstreisen in der Pandemie wurden hier vereinbart. Damit haben alle Seiten mehr Rechtssicherheit.

SPIEGEL: Wie viele Betriebe haben keine eigene Rückfahrkarte?

Bitsch: Darüber gibt es wohl keine gesicherten Zahlen. Ich rechne aber damit, dass nicht wenige Fälle auf einen Rechtsstreit hinauslaufen könnten. Das dürfte häufig in Unternehmen der Fall sein, wo sich niemand professionell um solche Fragen kümmern kann, wo vielleicht die Vorgesetzten so etwas miterledigen. Also eher kleinere Unternehmen.

SPIEGEL: Wie kommen die aus der Falle wieder raus?

Bitsch: Der einfachste Weg ist ein vernünftiges Gespräch. Niemand ist gezwungen, im Homeoffice ohne Wiederkehr zu bleiben, nur weil die Regelung schlampig formuliert ist. Die meisten Arbeitnehmer werden sich mit ihren Vorgesetzten sicher schnell einig werden, wie es ab dem 1. Juli weitergehen soll. Und das können sie nach dem Wegfall der Homeoffice-Pflicht genauso frei miteinander vereinbaren wie alles andere auch.

SPIEGEL: Und wenn Reden nicht hilft?

Bitsch: Im Streitfall können Arbeitnehmer zum Beispiel auf die Feststellung klagen, dass sie nun einen gültigen Homeoffice-Vertrag haben. Oder aber die Vorgesetzten mahnen jemanden ab, der trotz Aufforderung nicht ins Büro zurückkehrt, und lassen es darauf ankommen, wie ein Gericht den Fall entscheiden würde.

SPIEGEL: Umgekehrt ist das ja auch denkbar – viele sehnen sich zurück nach einem richtigen Arbeitsplatz und Anwesenheit im Büro.

Bitsch: Sicher, es wird viele Beschäftigte geben, die endlich die ganzen Arbeitssachen aus ihrer Wohnung weghaben wollen, aber inzwischen hat die Firma kleinere Büros angemietet und will gar nicht alle zurückholen. Hier ergibt sich das gleiche, nur mit umgekehrten Vorzeichen.

SPIEGEL: Letztlich besteht das Problem aber doch nur bei einer sehr wörtlichen Deutung des einschlägigen Paragrafen – die Regelung war so ja nie gemeint. Spielt die Absicht des Gesetzgebers denn gar keine Rolle?

Bitsch: Doch, das ist in Gerichtsentscheidungen immer wieder ein wichtiges Kriterium, aber es ist natürlich nicht so eindeutig wie etwas, das man schwarz auf weiß hat. Man wird sehen, was im Einzelfall vor Gericht passiert.

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