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Grundsatzurteil Bundesarbeitsgericht stärkt erneut Anspruch von Frauen auf gleichen Lohn

Als eine Frau herausfand, dass sie weniger verdient als ihr direkter Kollege, hieß es: Der Mann habe eben besser verhandelt. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun: Das ist kein Argument.
Warum sollten Frauen weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen? (Symbolbild)

Warum sollten Frauen weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen? (Symbolbild)

Foto: Andrey Popov / iStockphoto / Getty Images

Arbeitgeber, die Frauen weniger Gehalt zahlen als Männern, müssen dafür objektiv nachvollziehbare Gründe liefern. So hat es das Bundesarbeitsgericht schon im Januar 2021 entschieden. Aber was ist ein objektiv nachvollziehbarer Grund?

Gleiche Arbeit, rund tausend Euro weniger als der Kollege

Mit dieser Frage hat sich nun das Bundesarbeitsgericht befasst (8 AZR 450/21 ) und ein Urteil gefällt, das die Verhandlungsposition der Frauen in solchen Fällen weiter stärkt:

Wenn Frauen und Männer wie im verhandelten Fall bei gleicher Arbeit unterschiedlich bezahlt würden, begründe das die Vermutung der Diskriminierung wegen des Geschlechts, sagte die Vorsitzende Richterin Anja Schlewing. Diese Vermutung könnten Arbeitgeber nicht mit dem Argument widerlegen, der Mann habe besser verhandelt oder er sei perspektivisch für einen Leitungsjob vorgesehen, so die Richterin. Das Bundesarbeitsgericht kippte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen in Sachsen in großen Teilen und sprach der Klägerin knapp 15.000 Euro entgangenen Lohn und eine Entschädigung in Höhe von 2000 Euro zu.

Im konkreten Fall hat eine ehemalige Außendienstmitarbeiterin eines Metallunternehmens aus Meißen geklagt. Susanne Dumas hatte die Stelle bei der Photon Meißener Technologies GmbH am 1. März 2017 angetreten. Die Firma hatte ihr 3500 Euro brutto monatlich für 40 Arbeitsstunden pro Woche geboten plus eine erfolgsabhängige Prämie. Dumas war einverstanden gewesen. Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Ihr Kollege P., der zwei Monate vor ihr angefangen hatte, bekam jeden Monat für die gleiche Arbeit 1000 Euro brutto mehr.

Auch Herrn P. war ein Monatslohn von 3500 Euro angeboten worden. Aber anders als Susanne Dumas hatte er einen Kompromiss ausgehandelt: Zwölf Monate lang zahlte ihm das Unternehmen jeweils 1000 Euro brutto mehr. Als die zwölf Monate vorbei waren, fiel sein Gehalt auf das Niveau von Susanne Dumas. Aber schon acht Monate später bekam Herr P. wieder eine Gehaltserhöhung, diesmal um 500 Euro brutto monatlich. Auch dem dritten Mitarbeiter im Außendienst wurde eine solche Gehaltserhöhung angeboten. Susanne Dumas ging leer aus.

Das Entgelttransparenzgesetz verpflichtet Unternehmen seit Januar 2018, auf Anfrage jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin offenzulegen, wie sie gehaltstechnisch dastehen im Verhältnis zu Kollegen, die vergleichbare Aufgaben haben.

Die Verpflichtung gilt aber nur für Betriebe mit mindestens 201 Beschäftigten, zudem muss es mindestens sechs Vergleichspersonen geben. Die Photon Meißener Technologies GmbH beschäftigt rund 180 Menschen und nur drei Mitarbeitende im Außendienst – das Entgelttransparenzgesetz greift dort also nicht.

Am 1. August 2018 schloss die Photon Meißener Technologies mit der IG Metall einen Haustarifvertrag. Susanne Dumas wurde in die Entgeltgruppe E10 eingeordnet, wodurch sich ihr Gehalt auf 3680 Euro brutto erhöhte. Ihr Kollege Herr P. dagegen wurde in die Z11 eingruppiert; dort betrug das monatliche Grundgehalt zu diesem Zeitpunkt 4140 Euro brutto.

Susanne Dumas erfuhr zufällig davon – und beschwerte sich umgehend. Tatsächlich wurde sie daraufhin auch in die höhere Tarifgruppe eingruppiert. Trotzdem bekam sie jeden Monat weiterhin 500 Euro brutto weniger als Herr P.

Der Grund: Eine Klausel im Tarifvertrag, die eine Deckelung vorsieht für Gehälter, die aufgrund des neu geschlossenen Tarifvertrags erhöht werden. Für Herrn P. galt diese Deckelung nicht, weil er seine Gehaltserhöhung schon vor Inkrafttreten des Tarifvertrags bekommen hatte.

14.500 Euro plus Zinsen für 21 Monate

Susanne Dumas wollte sich das nicht gefallen lassen und schaltete eine Anwältin ein. Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) steht Dumas in dem Verfahren zur Seite. Sie verlangte den gleichen Lohn wie Herr P., und zwar rückwirkend für 21 Monate, von April 2017 bis August 2018. In Zahlen ausgedrückt heißt das: 14.500 Euro brutto plus Zinsen.

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Das Arbeitsgericht wies den Fall ab, Susanne Dumas ging in Berufung. Aber auch diese wurde abgewiesen. Die Begründung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts: Das höhere Gehalt für Herrn P. sei »objektiv im Interesse der Mitarbeitergewinnung gerechtfertigt«. Die Firma habe die Stelle rasch besetzen müssen, weil schon feststand, dass sich die Vorgängerin von Herrn P. in den Ruhestand verabschieden würde. Und Herr P. sei nun mal nur mit höherer Grundvergütung dazu bereit gewesen, den Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Mit dem Geschlecht habe dies nichts zu tun.

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Auch die spätere Gehaltserhöhung für Herrn P. hielt das Landesarbeitsgericht Sachsen für »objektiv gerechtfertigt«, denn er sei zeitgleich zum »Leiter Vertrieb Bahntechnik« ernannt worden, was ihm auch schon »im Zuge der Mitarbeitergewinnung« im Vorstellungsgespräch zugesagt worden war.

»Ich widme diesen Erfolg meinen beiden Töchtern und stellvertretend allen Frauen in Deutschland. Seid mutig, seid laut und lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen!«

Klägerin Susanne Dumas

Susanne Dumas war zeitgleich auch ein Titel verliehen worden: Leiterin Bereich Verkehrswege. Weder für sie noch für Herrn P. änderte sich dadurch die tägliche Arbeit. Wieso sie dafür keine Gehaltserhöhung bekam, er aber schon, diese Frage ließ das Landesarbeitsgericht offen.

Nach der Entscheidung äußerte sich Dumas laut einer Pressemitteilung der GFF wie folgt zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: »Seit 1949 steht es im Grundgesetz, heute ist es endlich in der Arbeitswelt angekommen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Ich widme diesen Erfolg meinen beiden Töchtern und stellvertretend allen Frauen in Deutschland. Seid mutig, seid laut und lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen!«

vet/dpa
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