Studie zur Gehaltslücke Auch Frauen würden Frauen weniger Gehalt zahlen

Fachkraft im Getriebewerk in Friedrichshafen (Archivbild)
Foto: Felix K‰stle/ picture alliance / dpaElf Wochen haben Frauen nun ohne Gehalt gearbeitet, 77 lange Tage. Derweil haben ihre männlichen Kollegen Geld verdient wie immer. Ab dem 18. März, dem diesjährigen Equal Pay Day, werkeln beide Geschlechter endlich bei gleicher Bezahlung.
Das ist der symbolische Gehalt des Equal Pay Day. Er soll aufzeigen, wie weit die Löhne für Männer und Frauen auseinanderliegen. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn betrug im vergangenen Jahr für Männer 20,71 Euro, der für Frauen 16,26 Euro. Der Unterschied: 21 Prozent. Das ist so, also würden Frauen wochenlang kostenlos schuften - 77 Tage lang.
Aber woher kommt der Unterschied? Dazu gibt eine neue Studie interessante Anhaltspunkte, die gerade in der "American Sociological Review" erschienen ist.
Sicher, einige Gründe sind lange bekannt. Frauen arbeiten häufiger in geringqualifizierten Jobs. Sie unterbrechen oder beenden ihre Karrieren oft für die Familie. Das ist ja auch eine häufige Kritik am Equal Pay Day: Da würden Äpfel mit Birnen verglichen, man müsse Männer und Frauen in ähnlicher Position betrachten. Doch selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet, bleibt noch eine Gehaltslücke von rund sechs Prozent.
Und die lässt sich mit einem anderen Grund erklären. Der Gehaltsunterschied scheine zu einem großen Teil schon im Kopf vieler Menschen zu entstehen, sagt Studien-Autor Thomas Hinz von der Uni Konstanz.
Er und seine Co-Autoren Katrin Auspurg und Carsten Sauer haben für ihre Studie Arbeitnehmer erfunden: Männer und Frauen, Neulinge oder erfahrene Kräfte, besser oder schlechter qualifiziert, mehr oder weniger leistungsstark. Diese Profile haben sie 1600 Umfrageteilnehmern gezeigt, zusammen mit einem Beispielgehalt, das diese Personen verdienen sollen. Dann wurde gefragt: Ist das ein faires Gehalt? Die Teilnehmer konnten abgestuft antworten: Fair, ungerecht hoch und ungerecht niedrig, jeweils mit fünf Stufen.
Frauen wie Männer sind gleich ungerecht
Das Ergebnis: Frauen wurde bei gleicher Qualifikation weniger Geld zugeteilt als Männern. Sorgfältig berücksichtigten die Umfrageteilnehmer alle Angaben zur Leistungsfähigkeit ihrer Bewerber, zur Ausbildung und Stellenbeschreibung - ließen am Ende aber Frauen durchweg etwas schlechter abschneiden. "Dabei wurde eine Lohnlücke von 6 bis 8 Prozent als fair angesehen", so Hinz.
Daran sind gleich mehrere Aspekte überraschend:
- In der Vorbefragung hatten praktisch alle Teilnehmer gesagt, dass sie bei gleicher Leistung die gleiche Bezahlung für beide Geschlechter befürworten.
- Bei ihrer Einschätzung spielte der Frauenanteil im Beruf der fiktiven Bewerber keine Rolle, es ging ihnen also nicht um Geschlechtserwartungen, wonach beispielsweise Erzieher immer Frauen sein sollten.
- Und vielleicht am wichtigsten: Das Phänomen ließ sich für Männer wie Frauen gleichermaßen beobachten.
Das heißt also: Auch Frauen haben Frauen weniger Geld zugestanden, nur weil sie Frauen sind. Geschlechterübergreifend wurde es als völlig in Ordnung angesehen, wenn Männer mit den gleichen Fähigkeiten mehr Geld mit nach Hause nehmen.
Woran liegt das? Hinz spricht von der "normativen Kraft der bestehenden Verhältnisse": "Die meisten dürften ihre Bewertung unterbewusst nach den eigenen Erfahrungen vorgenommen haben. Sie reproduzieren, was sie kennen." Vergütungserwartungen werden, das ist lange bekannt, vom sozialen Kontext geprägt. Oder einfacher gesagt: Die Ungerechtigkeit in der Vergütung gibt es schon so lange, dass die meisten Menschen sie als normal empfinden.
Hilft das Transparenzgesetz wirklich?
Interessant ist dabei auch die Höhe des Unterschieds. Frauen sollen nach Ansicht der Umfrageteilnehmer 92 Prozent des Gehaltes gleichqualifizierter Männer bekommen. 8 Prozentpunkte Unterschied - das ist nahe bei der Größenordnung des bereinigten Gender Pay Gap.
Für genauere Erklärungen wollen die drei Wissenschaftler weitere Untersuchungen vornehmen. "So könnte eine Rolle spielen, dass für die Geschlechter unterschiedliche Faktoren wichtiger sind als Geld." Beispielsweise könnten Frauen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf eher bereit sein, auf Geld zu verzichten - und das werde bereits bei der Gerechtigkeitsbewertung berücksichtigt. Diese These möchten Hinz und seine Kollegen aber noch prüfen.
Konkrete Bedeutung haben die jetzigen Ergebnisse für die politische Debatte. Ein Lohntransparenzgesetz, wie es Familienministerin Manuela Schwesig plant, und das den Vergleich von Gehältern in Unternehmen ermöglichen soll, könnte wirkungslos bleiben: Man kennt dann den Unterschied, den der Chef bei gleichen Aufgaben zwischen Kolleginnen und Kollegen macht. Aber wenn die meisten den Unterschied in Ordnung finden, wird sich daran wenig ändern.
"Dagegen erscheinen Quotenregelungen im Licht dieser Ergebnisse als durchaus sinnvolles Instrument gegen den Gender Pay Gap, auch wenn man sie vielleicht aus ordnungspolitischen Gründen kritisch sieht", sagt Hinz. Denn wenn Frauen dadurch Aufgaben übernehmen, die bisher meist Männer erledigt haben, verändert das die Erfahrungswelt der Arbeitnehmer. Irgendwann finden sie dann Führungsfrauen normal. Und gleiche Bezahlung.