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Kernkompetenz Scheitern So lange zündeln, bis der Funke kommt

In Malaysia besuchen Grundschüler Erfindermessen. Sie sollen erfahren, dass alles möglich ist - und der permanente Neuversuch zum Durchbruch verhilft. Für Gerhard Scheucher eine zentrale Lektion: Denn nur wer früh die Angst vorm Scheitern abbaut, wird später groß denken.
Edison probierte angeblich 9500 Kohlefäden aus, bis er die Glühbirne erfand

Edison probierte angeblich 9500 Kohlefäden aus, bis er die Glühbirne erfand

Foto: Richard Jones/ dpa

Der Zug der Veränderung fährt mit hoher Geschwindigkeit dahin, und der Mensch steht vor der täglichen Herausforderung, noch rechtzeitig aufzuspringen. In der "guten alten Zeit" gab es noch eine gewisse Beständigkeit; die einmal erworbene Ausbildung sollte ausreichen, um ein Erwerbsleben lang bestehen zu können. Mit Produkten verhielt es sich ähnlich, die Absatzmärkte wurden noch in Dekaden definiert. Und heute?

Jede Minute wird beispielsweise eine neue chemische Formel entwickelt, alle drei Minuten ein neuer physikalischer Zusammenhang entdeckt und alle fünf Minuten eine neue medizinische Erkenntnis gewonnen. Während es um 1800 hundert Jahre dauerte, bis sich das Wissen verdoppelt hatte, sind es seit Anfang des 21. Jahrhunderts gerade mal vier Jahre. Man könnte diesen Befund akademisch diskutieren, um Stunden, Tage, Wochen streiten. Das ist nicht das Thema.

Die Historie illustriert nur eindrucksvoll, was rund um uns los ist: Noch nie in der gesamten Menschheitsgeschichte waren die Chancen zu scheitern so groß wie im gerade eben begonnenen neuen Jahrtausend.

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Stilvoll straucheln: Und immer wieder aufstehen

Foto: Corbis

Optionen zu Nutzen bedeutet, Risiko einzugehen. Bedeutet, sich der Gefahr des Scheiterns auszusetzen. Wenn man sich Erfolgsgeschichten ansieht, wenn man sich mit Biografien auseinandersetzt, dann waren das meist Personen, die einmal öfter einen Versuch wagten oder bereit waren, ein Risiko einzugehen.

Thomas Alva Edison hatte allein für die Erfindung der Glühbirne angeblich um die 9500 kleine Kohlefäden ausprobiert, bis er denjenigen fand, der die Glühbirne dauerhaft zum Leuchten brachte. "Niemals aufgeben! Unsere größte Schwäche ist das Aufgeben. Der sicherste Weg zum Erfolg besteht darin, immer wieder einen neuen Versuch zu wagen", sagte Edison. Dieser Grundsatz ist als Leitmotiv für die Schlüsselqualifikation Scheitern unabdingbar.

Kinder als Brainpool

Bei einem Messebesuch in Kuala Lumpur hatte ich das Vergnügen, mit einer spannenden Runde zu Abend zu essen. Unser Gastgeber, ein Professor einer malaysischen Universität, berichtete über seine neueste bahnbrechende Entdeckung. Wir diskutierten, was die Menschheit tatsächlich braucht und was die dazugehörenden Erfindungen sein könnten. Irgendwann landeten wir auch bei der Frage, wie Innovationen überhaupt entstehen können.

Der Professor schaute uns an und fragte in die Runde, ob uns nicht die vielen Schüler aufgefallen wären, die sich auf der Messe herumtrieben. Er führte seine Gedanken weiter aus und erzählte uns, dass es in vielen Schulen seiner Heimat - wohlgemerkt schon in Grundschulen - zum fixen Programm gehöre, dass die Lehrer mit den Schülern solche Veranstaltungen besuchten. Diese Form des Anschauungsunterrichtes zeige den Kindern nicht nur, was alles möglich ist, sondern es motiviere sie auch, selbst innovative Dinge auszuprobieren.

ist das nicht absolut sinnvoll? Und steht dieser Ansatz nicht in krassem Widerspruch zu unseren europäisch-technokratischen Debatten über Gesamtschulen und Pisa-Zahlen? Zielen unsere engen, gleichgeschalteten Lehrpläne nicht völlig an den Anforderungen unserer Zukunft vorbei? Ich sehe nicht, wo wir bei uns Kinder und Jugendliche ermutigen, Technologie, Wirtschaft, ihr Land, ihre Zukunft selbst mitzugestalten. Vielleicht könnte der Focus auf den Brainpool Kinder ein Ende der selbst herbeigeredeten Innovationsschwäche bewirken?

Hauptsache, man hat es versucht

Offensichtlich ist der Leidensdruck in unseren Breiten noch immer zu gering. Wie lange wollen wir noch zusehen, wie uns der asiatische Kontinent links und rechts überholt?

"Moving Innovations to Market" lautete der vielversprechende Titel einer Ausstellung, die ich kürzlich in Asien besuchte. Und wenn man die unzähligen Menschen beobachtete, die hier ihre verrückten, gewagten, genialen Innovationen präsentierten, zweifelte man keinen Augenblick daran, dass sie genau dieses Ziel verfolgten. Die gezeigten Erfindungen, die alle bereits patentiert sein mussten, reichten von einer neuen Generation interaktiver Roboter, die etwa als mobile Alarmanlage das Gebäude nach Sicherheitsrisiken absuchen, bis hin zu einem Verfahren, das aus übriggebliebenen Hühnerfedern Protein für die Kosmetikindustrie herstellt.

Ich hatte das Gefühl, diese einfallsreichen Menschen waren erpicht darauf zu zeigen, was sie können und mit welchen Ideen sie gedenken, die Welt zu verändern - und das in naher Zukunft. Manche stellten einfach einen Klapptisch auf und sich selbst dahinter. Die Leute kannten keine falsche Scham, auch auf die Gefahr hin, dass ihre Erfindung es womöglich nie zum Durchbruch bringen würde. Mögliches Scheitern war kein Thema. Hauptsache, man hatte es versucht. Nach dem Motto: Think big!

Foto: Lukas Ilgner

Gerhard Scheucher (Jahrgang 1966) ist Berater für Organisations- und Kommunikationsstrategien. In seinen Büchern geht er dem Phänomen des Scheiterns auf den Grund.Homepage von Gerhard Scheucher 

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