Erste Hilfe Karriere "Ich habe entschieden, alles offen zu halten"

Besser so als gar nicht: Nichts ist schlimmer, als Entscheidungen zu verbummeln
Foto: CorbisOrdentliche Karriereentscheidungen zu vermeiden geht so: Man beginnt halbherzig eine Ausbildung und laviert sich durch. Man langweilt sich zu Tode, hat aber keine bessere Idee. Man denkt: "Was ich anfange, bringe ich auch zu Ende" oder "Irgendwas ist immerhin besser als nichts." Dann studiert man ein Fach, mit dem man angeblich immer etwas wird. Was genau das sein könnte? Keine Ahnung, man fummelt sich von Notlösung zu Notlösung.
Oder aber man studiert ein Fach, mit dem man angeblich nie etwas wird. Auch das ist eine gute Möglichkeit, der Berufsentscheidung auszuweichen. Dann kann man Sätze sagen wie: "Ich würde ja XYZ, aber ich habe leider nur Gender Mainstreaming und Interkulturelle Kommunikation studiert." Dabei wäre es für jemanden, der "so etwas" studiert, noch viel wichtiger zu wissen, wohin er damit will. Wenn Sie also Vergleichende Europäische Musikwissenschaften studieren und Musikredakteur werden wollen - schön! Wenn Sie aber nicht wissen, was Sie werden wollen, sparen Sie sich jede akademische Beschäftigungstherapie. Immerhin subventioniert die Allgemeinheit Ihre Uni und Ihr Bafög.
Setzen Sie sich lieber ein Wochenende auf den Hosenboden und ringen Sie sich zu einem Berufsziel durch. Leider verfahren die meisten stattdessen nach dem Erst-mal-Prinzip: Erst mal Studium fertig machen, erst mal Probezeit überstehen, erst mal zwei Jahre Berufserfahrung sammeln. Dann macht man erst mal ein Sabbatjahr und eine Fortbildung. Und danach? "Danach warte ich erst mal die neue Geschäftsführung ab." Dabei folgt auf jedes erledigte Erstmal das nächste: Erst mal ausprobieren, erst mal reinschnuppern, und bloß nichts entscheiden. Am besten noch mit der Begründung: "Ich habe mich damals bewusst dafür entschieden, mir viele Möglichkeiten offenzuhalten."
Mit Mitte 30 sieht man dann, dass der Weg des geringsten Widerstands geradewegs auf die Müllkippe führt. Man hat brav alles erledigt und dafür einen Job, der einem nichts bedeutet und der einen nicht interessiert. Dafür hat man eine Eigentumswohnung an der Backe, der Hund muss zum Tierarzt und die Eltern wünschen sich Enkel. Man kann dann erst mal warten, bis der Hund aus der Klinik kommt, die Wohnung abbezahlt ist und der Nachwuchs aus dem Gröbsten raus. Aber dann hat man erst mal ein Burnout und muss sich danach erst mal erholen.
Und das alles, weil man sich von Anfang an um die Entscheidung gedrückt hat: Was will ich beruflich machen? Was soll das hier alles?
Die Gründe für die Entscheidungsvermeidung sind unter anderem Angst, Passivität, Unselbständigkeit. So lange man diese Gründe pflegt, können die besten Tipps für eine gute Entscheidung nicht greifen. Als da wären: Machen Sie sich klar, dass eine fehlende Entscheidung schlimmere Folgen hat als eine Fehlentscheidung. Schlechte Entscheidungen sind Entscheidungen, die man aus Angst fällt, weil man sich bequatschen lässt, unbedingt die Welt retten will oder irgendwelchen Ansprüchen von Eltern oder vom Ehepartner hinterher rennt.
Die Gedanken sind frei
Eine Berufsentscheidung dagegen, die Sie aus freien Stücken fällen, ist die richtige Entscheidung. Denn es gibt keine darüber hinausgehende Wahrheit über den für Sie besten Beruf. Wenn Sie die Entscheidung gefällt haben, stellen Sie sie nicht jeden Tag wieder in Frage. Ziehen Sie die Sache durch und schicken Sie alle Ablenkungsideen in den Papierkorb.
Denken Sie vor allem nicht, eine fehlende Berufsentscheidung würde Sie interessant machen. Entscheidungsschwäche ist kein Thema, mit dem Sie 1001 Nacht lang Freunde und Familie beglücken können. Suchen Sie nicht nach Gesinnungsgenossen und nicht nach Zuspruch à la "Ich finde das auch immer total schwierig, mich zu entscheiden."
Voraussetzung für eine gute Entscheidung ist, dass man überhaupt eine Entscheidung treffen will und sich nicht etwa einen sekundären Gewinn von der Entscheidungslosigkeit erhofft. Besser also, Sie stellen das ewige Grübeln ein.
Entscheidungen werden nicht besser, je länger man darüber nachdenkt. Entscheidungen werden schlechter, je länger man darüber nachdenkt.