Erste Hilfe Karriere Bluff mit MINT-Geruch

Ingenieure: Viele arbeiten auf Positionen, wo es auch eine andere Ausbildung täte
Foto: BASF"Mit Karacho in den Schweinezyklus", schrieb KarriereSPIEGEL vor einer Woche. These: Durch den Ruf nach Ingenieuren steigen die Studentenzahlen in den Ingenieurfächern enorm. Das könne der Arbeitsmarkt nicht vertragen. Damit werde der Schweinzyklus angeheizt: In ein paar Jahren gebe es wieder zu viele Absolventen in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), während der Arbeitsmarkt gesättigt sei. Ist was dran an der These?
In meiner Beratung begegnen mir Maschinenbauingenieure, die zehn Bewerbungen schreiben und zehn mal eingeladen werden. Die Bewerbung kann 23 Seiten lang sein und voller Fehler; das macht nicht wirklich viel aus.
Grund für die große Nachfrage der Arbeitgeber ist weniger das Studium als viel mehr die Erfahrung, die Bewerber gesammelt haben. Je umfangreicher, je spezifischer, desto besser. Kommt noch Weiterbildung dazu und ein zumindest moderat kommunikatives Wesen, stehen derzeit noch viele Türen offen.
Aber doch nicht alle: Aus zehn Gesprächen werden in anderen Fällen fünf oder nur eins - je höher die Position, desto geringer die Ausbeute. Auch der Ingenieur kann mal "Nein" sagen, wenn ihm statt einer Stelle eine Frechheit angeboten wird. Mieses Klima, ausbeuterisches Umfeld, ätzende Arbeitsbedingungen - all das kommt vor.
So etwas lassen Lobbyisten wie der Verband Deutscher Ingenieure (VDI), die penetrant bis aggressiv nach mehr Absolventen in den technischen MINT-Fächern rufen, gern außer acht. Die Wahrheit aber lautet: Der Arbeitgeber möchte, gestützt von den Verbänden, die Wahl haben, um die schlechten ins Kröpfchen sortieren zu können. Das geht nur, wenn es genug Leute zum Aussortieren gibt.
Eine Stelle, drei Meldungen
Schauen wir uns mal die Zahlen an, gute Diskussionsgrundlage ist das Papier "Ingenieurmonitor" des VDI: 31.600 Fahrzeug- und Maschinenbauingenieure scheinen zu fehlen, 18.500 Elektroingenieure und 10.500 Bauingenieure. Doch die Zahlen führen in die Irre.
Erstens: Es werden Jobs mitgezählt für Stellen, für die gar kein Ingenieur nötig wäre, etwa für eine Vertriebsmitarbeit, die allenfalls grundlegende Technikkenntnisse fordert. Auch der derzeit boomende Stellenmarkt für technische Redakteure verlangt demnach Ingenieure, braucht und findet aber keine. Ein Schreiberling mit Technikaffinität wäre hier aber meist die weitaus bessere Wahl.
Zweitens: Ingenieurdienstleister wie Bertrandt, Yacht Teccon oder Ferchau leihen ihre Leute an Unternehmen aus. Solche Leiharbeitsunternehmen schreiben die gleiche Stelle wie ihre Auftraggeber unter dem eigenen Logo aus. Das heißt: 36.000 Stellen könnten sich im Maximalfall mit einem Schlag auf nur noch 12.000 reduzieren. Ganz so viele Mehrfachnennungen werden es nicht sein, aber Tatsache ist: Die Arbeitsagentur zählt jede dieser Stellen als eine.
Die nächste Wirtschaftskrise dräut
Klar, Ingenieure sind 30 Prozent seltener von Arbeitslosigkeit betroffen. Aber bleibt das so? Die Wirtschaft dreht sich gerade, die Vorzeichen sind deutlich. Abbau kündigt sich an. Kaum zwei Jahre ist es her, da litten viele hochqualifizierte arbeitslose Autoingenieure unter der Wirtschaftskrise. Da hatten wir die Abwrackprämie und ein brachliegendes Automotive-Umfeld. Diesmal wird es schlimmer, hörte ich neulich vom Vertreter einer Privatbank.
Ingenieure - gleich ob in Maschinenbau, Bauwesen oder Elektrotechnik - sind wie kaum eine andere akademische Berufsgruppe von Konjunkturschwankungen bedroht. Aber ob sich daraus wirklich ein Schweinezyklus mit deutlichem Überangebot und schlechten Jobperspektiven wie einst bei den Juristen entwickelt, wie von KarriereSPIEGEL prognostiziert, bezweifle ich.
Was viele noch gar nicht erkannt haben: In der Arbeitswelt der Zukunft zählt nicht die eine Ausbildung oder das Studium. Entscheidend sind oft nicht eine, sondern mehrere Ausbildungen, die Erfahrung und die Persönlichkeit. Die Ausbildung ist letztendlich nur ein Stück Brot, für sich genommen maximal zum Suppetunken geeignet. Aber es gibt eben Schwarzbrot und Weißbrot. Ingenieurausbildungen werden auf lange Sicht Schwarzbrot bleiben. Also gesund, wenn man was draus macht.
Letztlich ist Weiterbildung die Butter, das Schmiermittel zur besseren Verdaulichkeit für Arbeitgeber. Wirklich schmackhaft aber ist nur der Belag. Ohne ihn ist alles nichts.
Der Artikel wurde mit leichten Änderungen aus Svenja Hoferts Blog übernommen.