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Erste Hilfe Karriere "Der Herr Kufer ist vom anderen Ufer"

Den schwulen Pferdewirt in "Bauer sucht Frau" sehen wir mit einer Mischung aus Voyeurismus und Stolz auf die eigene Toleranz. Akzeptieren wir auch schwule Banker und lesbische Managerinnen? Svenja Hofert über anstrengende Versteckspiele, Mitlachertum und nur scheinbare Liberalität in deutschen Büros.
Bauer sucht Bauer: In der Fernsehshow "Bauer sucht Frau" wird derzeit mit Philipp (rechts) und Veit erstmals ein schwules Pärchen begleitet

Bauer sucht Bauer: In der Fernsehshow "Bauer sucht Frau" wird derzeit mit Philipp (rechts) und Veit erstmals ein schwules Pärchen begleitet

Foto: RTL

Rosa ist im Fernsehen eine weithin akzeptierte Farbe, das wissen wir. Aber in vielen Unternehmen ist das Grau des Boss-Anzugs vorherrschend, und damit sieht die Sache auf einmal ganz anders aus. Henning, Manager eines börsennotierten Bauunternehmens, erzählt, dass er seinen Kollegen eine heile Familie vorgaukelt - mit einer Frau an seiner Seite und zwei Kindern. Dabei fühlt er sich unwohl, denn er lebt seit mehr als 10 Jahren mit seinem Freund zusammen und denkt an Heirat, sobald diese in Deutschland die "eingetragene Lebenspartnerschaft" ersetzt.

In einem noch konservativeren Umfeld arbeitet sein Freund. Er hat es bis in den Vorstand einer Sparkasse geschafft, war zuvor bei einer Investmentbank in der Stadt beschäftigt. Dort war der Erfolg wichtiger als die persönliche Lebens- und Liebesorientierung, dumme Sprüche gab es zwar, aber keine Karrierehindernisse. Hier jedoch, auf dem Land, tuschelt man hinter vorgehaltener Hand über den Herrn Kufer, den Mann vom anderen Ufer.

Markus Kufer, so nenne ich den Manager, der natürlich nicht so heißt, ist erst seit einem Jahr bei seinem neuen Arbeitgeber. In seiner vorherigen Firma "wussten es irgendwann alle". Jetzt ist seine Position höher; er muss sich besser überlegen, was er tut. Manchmal ist das Versteckspiel anstrengend. Sich abholen lassen und mit Umarmung auf dem Firmengelände begrüßen? Es könnte ja jemand aus dem Fenster schauen. Auf die Betriebsfeier zusammen mit dem Partner? Dann lieber allein, oder mit der Busenfreundin, die schnell mal die Verlobte spielt.

Unter dem Stichwort Diversity - Verschiedenartigkeit und Vielfalt- zielt die Personalpolitik vieler Unternehmen auf eine Durchmischung der Belegschaft, die möglichst genau die Kundenstruktur abbilden soll - außerdem hinterlässt das Allgemeine Gleichstellungsgesetz seine Spuren, das Diskriminierungen untersagt. Wenn Angestellte also schwul und lesbisch sind, gehört diese Minderheit genauso dazu wie Migranten und Behinderte. Oder auch die Frauen in Führungsetagen. Wie kommt es dann, dass mir eine lesbische Arbeitnehmerin sagt, ihr Chef habe ihr verboten, über ihre sexuelle Orientierung zu sprechen?

Mitlachertum ist die Keimzelle für Diskriminierung

Ich stelle mir gerade vor, dass ich einer Mitarbeiterin untersage, über ihre Ehe mit einem Mann zu sprechen. Absurde Vorstellung, nicht wahr? Wir sind vielleicht tolerant - aber zwischen Toleranz und Akzeptanz liegt dann doch noch das halbe Universum.

"Ich bin sicher, dass ich als Führungskraft nicht mehr so ernst genommen würde, wenn ich offen schwul leben würde", sagt der Baukonzern-Manager Henning. Mir klingen da derbe Sprüche im Ohr, der von Herrn Kufer und dem Ufer ist da noch harmlos. Deshalb kann ich Henning verstehen, der einfach Karriere machen, sein Privatleben privat lassen und kein Märtyrer für die Schwulenszene sein will.

Sieht, hört oder merkt man jemandem die abweichende Orientierung an, dürften Karrieresprünge wirklich schwierig sein. Offen spricht kein Personalchef darüber, denn das wäre ja Diskriminierung. So wie die Frage "Was ist ihre sexuelle Orientierung?" im Vorstellungsgespräch verboten ist. Aber unter der Hand habe ich von Personalerseite nicht nur schon gehört, dass man keine Frauen mit kleinen Kindern einstellen würde, sondern auch keine Lesben.

Keine Pflicht, das Familienleben auszubreiten

Was also tun, wie praktisch handeln? Jeder, gleich ob homo- oder heterosexuell, sollte sich vergegenwärtigen: Es gibt keinerlei Verpflichtung, seinem Chef und den Kollegen zu erzählen, mit wem man zusammenlebt und welchen privaten Lebensstil man pflegt. Meine Erfahrung ist, dass die Gerüchteküche oft abklingt, wenn man den Kollegen kleine Bröckchen zuwirft: ein wenig über den Mallorca-Urlaub schnackt oder über das Hobby Klettern oder Golf. Selbstverständlich den Namen des Partners zu nennen, nimmt dem Ganzen die Basis für Spekulationen.

Keiner muss sich aber hinstellen und sagen: "Ich bin schwul." Es stellt sich schließlich auch niemand hin und sagt: "Ich bin heterosexuell." Diskriminierung gilt es aber offen anzusprechen. Wer sich von einem Spruch wie "der Kufer vom anderen Ufer" belästigt fühlt, sollte dies sagen, statt verschämt mitzulachen. Denn Mitlachertum ist die Keimzelle für Diskriminierung.

Im Fernsehen machen sich Eiteitei und Fistelstimme gut. Aber in den Männerwelten der Konzerne und Zuliefebertriebe oder auch im Sport? Wir haben uns an Klaus Wowereit gewöhnt und an Ole von Beust, an Anne Will und Ellen DeGeneres. Da müsste doch noch mehr drin sein.

Tatsache aber ist: Der erste hat es immer schwer, ob er nun als erster Mann in Elternzeit geht, als erste Führungskraft Teilzeit durchboxt oder sich zu seiner Lebenspartnerschaft mit dem gleichen Geschlecht bekennt. Aber wenn er oder sie es dann doch tut, haben die anderen es leichter - das ist simple Gruppenpsychologie und die Kehrseite des Mitlachertums.

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