In Kooperation mit

Job & Karriere

Extrembergsteiger Thomas Huber "Wenn du zu weit gehst, kommst du nicht mehr zurück"

Vertrauen kann im Job über Erfolg und Niederlage entscheiden. Extrembergsteiger Thomas Huber hat das am eigenen Leib erfahren. Ein Gespräch über Seilschaften, Bauchgefühl und einen ungesicherten Absturz aus 16 Metern.
Ein Interview von Antonia Götsch
Foto: Timeline Production

Frage: Was für ein Gefühl ist es, wenn man sein Leben in die Hände von jemand anderen legt?

Huber: Das ist für mich schwer zu erklären, da ich ja schon in meiner Kindheit mit meinem Bruder als Seilschaft unterwegs war: Ich bin mit diesem Gefühl des Vertrauens aufgewachsen. Ich weiß, mein Bruder Alexander würde mich nie im Stich lassen. Es ist ein wirklich blindes Vertrauen da - und nur so kann man Grenzen gemeinsam nach oben verschieben.

Frage: Gibt es andere Kletterer, denen Sie ähnlich stark vertrauen wie Ihrem Bruder?

Huber: Die Chemie muss passen, wenn man zusammen auf Expedition geht. Damit Vertrauen wachsen kann, muss jeder seine Hausaufgaben machen, trainiert sein, Kompetenz mitbringen.  

Frage: Wenn wir Vertrauen anderer Menschen gewinnen wollen, müssen wir uns also erst einmal selbst etwas zutrauen - und das auch ausstrahlen. 

Huber: Ja. Aber das Vertrauen in sich selbst muss echt sein. Man wackelt am allermeisten, wenn man sich selbst überschätzt. In der Klettererszene gibt es einige, die vielmehr vorgeben, als sie wirklich können. Zuhause kann man viel erzählen. Am Berg steht dann jeder ohne Tarnkappe da.

Das ganze Gespräch hören Sie im Podcast 

Podcast Cover

Frage: Sie sind 2016 heftig abgestürzt, 16 Meter im freien Fall. Was hat das mit Ihrem Selbstvertrauen gemacht?  

Huber: Das war ein Fehler von meiner Seite und hatte nichts mit meinem Partner zu tun. Ich hatte einfach das Seil nicht beachtet. Ich hatte unfassbares Glück. Ich bin später allein zurückgegangen zum Unfallort. Dort habe ich festgestellt, dass ich diesen Absturz nicht hätte überleben dürfen. 

Frage: Haben Sie Angst vor dem Tod? 

Huber: Seit diesem Moment habe ich auch keine Angst mehr vor dem Tod. Mir wurde klar: Wenn ich sterbe, dann ganz unerwartet. Aber jetzt bin ich noch am Leben und dankbar. Ich habe mir damals gesagt: Sei achtsam zu deinem Leben. Schau genau hin, was tu tust. Die Gefahren liegen nicht in der Extremsituation, da sind die Sinne hellwach. Gefährlich ist es erst dann, wenn du glaubst, du hast alles im Griff. 

Frage: Was ist Ihre stärkste Erinnerung, die Sie mit dem Gefühl von Vertrauen verbinden?  

Huber: Das war 2001, eine Expedition, bei der ich mal ohne meinen Bruder unterwegs war. Wir wollten die zweite Besteigung des Ogre I schaffen, eines 7285 Meter hohen Gipfels  in Gilgit-Baltistan in Pakistan, an der viele Bergsteiger vorher gescheitert waren. Lediglich einmal war es Bergsteigern gelungen, den Gipfel zu erklimmen. Ich war mit meinem Team da, es waren noch vier andere Teams am Berg. Wir haben plötzlich Druck gespürt, es entstand ein Wettbewerb um diese Trophäe, den Gipfel zu erreichen. Unter diesen Umständen kann ich nicht bergsteigen, wenn alle meine Entscheidungen subjektiv beeinflusst werden von dem Handeln der anderen. Ich wurde auch von außen beraten und hörte damals: Thomas, bleib dran, du ziehst es durch. Lass dich nicht verdrängen.  

Frage: Doch Sie zögerten... 

Huber: Ich hatte einfach kein gutes Bauchgefühl. So ein Wettbewerb kann tödlich enden. Wir sind zurückgetreten und haben uns an einem anderen Berg versucht, eine Erstbesteigung des Ogre III (6800 Meter hoch). Die haben wir geschafft und uns über diesen Umweg perfekt akklimatisieren können. Die anderen Teams sind gescheitert. Wir haben zwei Wochen später den Ogre I besteigen dürfen - und es war ein Riesenerfolg.  

Frage: Sie haben es gerade geschildert -  bei einer Expedition sind Sie nicht allein, sondern leiten ein ganzes Team. Wie sorgen Sie dafür, dass Ihnen die Kolleginnen und Kollegen vertrauen? 

Huber: Wir müssen gemeinsam das Ziel erreichen, deshalb ist es mir wichtig, die Bedürfnisse der anderen zu kennen, offen miteinander zu sprechen und zuzuhören. Der andere muss Bedenken äußern dürfen. Ich habe schon heftige Diskussionen im Basislager erlebt, wenn etwa einer nicht gehen wollte und die anderen schon. 

Frage: Wie gehen Sie damit um? 

Huber: Man muss auch respektieren, wenn der andere ein schlechtes Bauchgefühl hat - das gehört zum Vertrauen dazu. Bei einer Entscheidung, die Expedition abzubrechen, weiß man in dem Moment, wo man sie trifft, oftmals nicht, ob es die richtige Entscheidung war. Aber eine Sache weiß man, es war nicht falsche Entscheidung. Wenn du beim Bergsteigen zu weit gehst, kommst du nicht mehr zurück. 

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.

Abonnieren bei

Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut.

Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren