Studie zu Führungskräften "Cholerisch gebrüllt, geschrien und mit Ordnern geworfen"

Branchenweite Durchschnittsnote für deutsche Chefs: 3+
Foto: Milton Brown/ Westend61/ Getty Images"Er hat mich vor allen anderen Mitarbeitern angeschrien und zur Schnecke gemacht und mich damit sogar zum Weinen gebracht. Daraufhin habe ich gekündigt." Oder auch: "Cholerische Anfälle wegen Nichtigkeiten. Das rüttelt an den Nerven."
Mobbing, systematischer Druck, Bloßstellen vor versammelter Mannschaft, persönliche Beleidigungen durch den Chef: Damit müsse sich ein guter Teil der Fachkräfte in Deutschland herumschlagen, heißt es in einer Studie des Marktforschungsinstituts respondi im Auftrag des Stellenportals meinestadt.de.
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer berichtet demnach, dass sie schon belastende Verhaltensweisen von Vorgesetzten erlebt hätten. Und nicht wenige zogen Konsequenzen: Knapp 30 Prozent der Befragten haben der Umfrage zufolge schon einmal wegen eines Vorgesetzten ihren Job gekündigt. Als Hauptgründe nannten die Fachkräfte: Inkompetenz, schlechter Charakter der Vorgesetzten, unfaire Behandlung sowie psychische und physische Übergriffe.
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Rund 2000 Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung, aber ohne Studium, also Nichtakademiker, aus verschiedenen Branchen waren für die Studie befragt worden - und durften ihre Vorgesetzten dabei mit Schulnoten bewerten. Das Ergebnis fiel dabei insgesamt positiv aus. Mehr als die Hälfte der Befragten beurteilte die Chefs mit der Zensur "gut" oder sogar "sehr gut".
Im Schnitt kamen die Führungskräfte über alle Branchen hinweg auf eine Drei+
Sehr gut: 12,8 Prozent
Gut: 41,5 Prozent
Befriedigend: 25,6 Prozent
Ausreichend: 11,5 Prozent.
Mangelhaft: 6,6 Prozent
Ungenügend: 2,2 Prozent
Vorgesetzte im Handwerk und in kleineren Unternehmen wurden am besten bewertet. Allerdings spielt die Größe des Unternehmens offenbar auch eine Rolle bei der Kündigung.
In Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern lag der Anteil derjenigen, die schon einmal aus Frust gekündigt haben, mit 36 Prozent deutlich höher als bei Arbeitgebern mit über 500 Mitarbeitern. Hier wechselten ungefähr 25 Prozent den Beruf wegen ihres Chefs.
Auch abhängig von der Branche gab es Unterschiede. In der Pflege wechselten Fachkräfte zum Beispiel öfter den Job wegen eines Chefs als im Öffentlichen Dienst.

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Schönstes Erlebnis: "Dass mein Chef vor anderen sagt, dass er weiß, was an mir hat"
Die Studienautoren befragten die Teilnehmer auch zu ihrem "schönsten" und "schlimmsten Erlebnis" mit ihren Vorgesetzten. Dabei berichteten rund 1000 Befragte von besonderen Negativ-Beispielen:
"Cholerisch gebrüllt, geschrien und mit Ordnern geworfen."
"Dass meine Vorgesetzte mich gezwungen hat, 21 Tage ohne Pause durchzuarbeiten."
"Meine Frau hatte einen Schlaganfall bekommen und mein Chef wollte mich nicht gehen lassen."
Bei der Befragung schilderten mehr als 1600 Teilnehmer aber auch positive Erlebnisse mit ihren Vorgesetzen:
"Als es mir privat nicht gut ging, hat er Stress und Arbeit von mir ferngehalten."
"Dass mein Chef vor anderen sagt, dass er weiß, was er an mir hat und dass er viel Wert auf meine Aussagen legt."
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Bei den beschriebenen "schönsten Erlebnissen" sei es oft um Wertschätzung gegangen, stellten die Studienautoren fest. Und: "Bei sehr vielen Fachkräften wirkt es dauerhaft positiv nach, wenn die Vorgesetzten auf persönliche Not oder Stresslagen Rücksicht nehmen, fürsorglich reagieren und 'ihren Leuten' den Rücken freihalten."
Und was empfehlen Fachkräfte ihren Vorgesetzten?
Die Studienautoren berichten, einzelne Befragte würden ihren Führungskräften den Gang zum Psychotherapeuten empfehlen oder ihnen raten, "mit dem Lügen aufzuhören". Offenbar habe sich bei einigen Mitarbeitern ein enormer Frust aufgrund von schlechten Führungserlebnissen angestaut.
Hinter der mehrfach geäußerten Empfehlung, bei Gelegenheit eine "Weiterbildung zu sozialen und emotionalen Fähigkeiten" oder ein "Seminar für Personalführung" zu besuchen, könne aber durchaus der Eindruck stecken, einige Vorgesetzte seien mit ihrer Aufgabe fachlich oder persönlich überfordert.
Ein Teil der konkreten Ratschläge an Führungskräfte sei zudem noch stark von einem traditionellen Führungsbild geprägt, nach dem der "Chef" durchsetzungsstark sein und starke Entscheidungen aus sich selbst heraus treffen sollte, schreiben die Autoren. Das Gros der konkreten Ratschläge lasse jedoch einen modernen, mitarbeiterorientierten Führungsstil als Idealbild durchscheinen.