
Die üblichen Verdächtigen: Die beliebtesten Arbeitgeber der High Potentials
Traum künftiger Manager Mehr Geld für weniger Arbeit
Seit vielen Jahren wird über ihn geschrieben, immer wieder beschäftigen sich Politikerrunden damit und Wirtschaftsverbände schlagen seinetwegen in regelmäßigen Abständen Alarm: der Fachkräftemangel - und in seinem Kielwasser der "war for talents". Vor lauter Warnungen und Prognosen geht bisweilen unter, dass er längst begonnen hat, der Kampf um die Talente.
Sicher, noch müssen die Personaler von Daimler, Deutsche Bank & Co. nicht auf Knien um Absolventen flehen. Doch dass sich etwas verschoben hat im Machtgefüge von Unternehmen und Bewerbern, zeigt sich an vielen Stellen. Auch die Daten des aktuellen "Graduate Barometers" vom Berliner Beratungsunternehmen Trendence, das Jahr für Jahr in Zusammenarbeit mit manager magazin die beliebtesten Arbeitgeber angehender Berufseinsteiger feststellt und veröffentlicht, belegen das neue Selbstbewusstsein der Kandidaten.
Zwar dominieren auf den vorderen Rängen traditionell die großen Autofirmen. Bei den Wirtschaftswissenschaftlern mischen sich unter anderen noch Lufthansa, Adidas, Bosch, Siemens und Google unter die Top 10; für die Ingenieure zählen neben den Automobilisten Bosch, Siemens, EADS, Lufthansa Technik und die Fraunhofer Gesellschaft zu den Favoriten. Veränderungen in der Gunst der Absolventen zeigen sich eher auf den hinteren Plätzen.

Top-Arbeitgeber: Die Lieblinge der Ingenieure
Die Studie gewährt auch einen Blick auf die Stimmung und Erwartungen der Bald-schon-Bewerber. Etwa mit der Frage nach erwartetem Gehalt und Wochenarbeitszeit, zumal sich die Daten hier zehn Jahre zurückverfolgen lassen.
Im Jahr 2012 liegt das erwartete Durchschnittsgehalt unter den Ingenieuren bei 45.700 Euro - der höchste Wert seit 2002. Die Zahl ist seit 2009 kontinuierlich gestiegen, während sie davor - krisenbedingt - kurz gesunken war. Umgekehrt die Entwicklung der (erwarteten) Wochenarbeitszeit: Sie beträgt 2012 43,2 Stunden, während es 2011 noch 43,9 Stunden waren und 2010 noch exakt 44 Stunden.
Selbstbewusste Absolventengeneration
Gleiches Bild bei den Absolventen der Wirtschaftswissenschaften. Aktuell erwartetes Gehalt: 43.300 Euro, gegenüber 43.100 Euro (2011) und 42.500 Euro (2010). Die Zeit, die die jungen Ökonomen bereit sind, pro Woche zu arbeiten, beträgt 45.5 Stunden, gesunken von 45,9 (2011), 46.4 (2010) und 47.0 (2009).
Mehr Geld für weniger Arbeit: Darin spiegelt sich nicht nur die gute Konjunktur nach der überstandenen Wirtschaftskrise. Der Trend ist langfristiger: Die Absolventen, die jetzt vom Hörsaal in Büros und Labore strömen, gehören zur "Generation Y", die nicht mehr stur beruflichen Aufstieg über alles stellt, sondern das Thema Work-Life-Balance ernst nimmt - und es auch selbstbewusst gegenüber den Arbeitgebern einfordert. Die aber trotzdem ihren Marktwert kennt und nicht bereit ist, finanzielle Abstriche hinzunehmen.

Top-Arbeitgeber: Die Lieblinge der Wirtschaftswissenschaftler
Eine ganz ähnliche Entwicklung zeigt sich bei den "Faktoren der Arbeitgeberwahl", die Trendence ebenfalls abfragt. 2012 beurteilten unter den Wirtschaftswissenschaftlern mehr als 90 Prozent Work-Life-Balance als "wichtig" oder "sehr wichtig" - zehn Jahre zuvor waren es keine 62 Prozent.
Ein ähnliches Bild ergibt sich unter den befragten Ingenieuren. Auch der Standort des Unternehmens rückt stärker in den Fokus: Fast 80 Prozent der angehenden Ökonomen halten ihn aktuell für wichtig - gegenüber knapp 62 Prozent im Jahr 2002. Die "Generation Y" scheint nicht mehr bereit, für einen Job die großstädtische Dichte an Restaurants, Theatern, Bars und Kinos aufzugeben.
Faktoren der Arbeitgeberwahl
Faktoren der Arbeitgeberwahl | 2011 | 2012 | High Potentials* | Männer | Frauen |
---|---|---|---|---|---|
Attraktive Arbeitsaufgaben | 1,5 | 1,6 | 1,8 | 1,5 | 1,7 |
Attraktive Produkte/Dienstleistungen | 0,7 | 0,6 | 0,7 | 0,6 | 0,6 |
Attraktiver Standort | 0,8 | 0,9 | 0,9 | 0,8 | 0,9 |
Chancengleichheit | 1,0 | 1,0 | 0,9 | 0,6 | 1,3 |
Corporate Social Responsibility (CSR) | 0,6 | 0,5 | 0,4 | 0,3 | 0,7 |
Gute Karriereperspektiven | 1,4 | 1,5 | 1,6 | 1,5 | 1,5 |
Gute Work-Life-Balance | 1,3 | 1,3 | 1,2 | 1,2 | 1,5 |
Guter Führungsstil | 1,1 | 1,4 | 1,4 | 1,3 | 1,4 |
Hohes Einstiegsgehalt | 0,9 | 0,7 | 0,7 | 0,7 | 0,6 |
Hohes Maß an Eigenverantwortung | 1,2 | 1,0 | 1,3 | 1,0 | 1,0 |
Innovationskraft | 0,8 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,6 |
Internationales Umfeld | 0,5 | 0,5 | 1,2 | 0,4 | 0,6 |
Kollegialität | 1,4 | 1,4 | 1,5 | 1,3 | 1,6 |
Persönliche Entwicklung | 1,5 | 1,6 | 1,7 | 1,5 | 1,6 |
Sicherheit der Anstellung | 1,1 | 1,1 | 0,7 | 0,9 | 1,3 |
Status Prestige | neu | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,0 |
Unternehmenserfolg | 1,1 | 1,0 | 1,0 | 1,0 | 1,0 |
Weiterbildungsmöglichkeiten | 1,3 | 1,4 | 1,5 | 1,3 | 1,5 |
Wertschätzung der Mitarbeiter | 1,4 | 1,4 | 1,5 | 1,3 | 1,6 |
© trendence Institut 2012
Frage: Bitte beurteilen Sie, wie WICHTIG Ihnen folgende Karriereaspekte sind. (unwichtig (-2); (-1); (+1); sehr wichtig (+2))
*Definition "High Potentials":
Akademische Leistung: gehören zu den besten 25%,
Erfahrungsprofil: Auslandserfahrung (Studium UND/ODER Praktikum),
Praktikum im Inland, außeruniversitäres Engagement.
All dies spiegelt die Stimmung einer Absolventengeneration, die um ihre zunehmende Knappheit weiß und recht zuversichtlich auf das künftige Berufsleben schaut. So stimmen nicht einmal 15 Prozent der Ingenieure der Aussage zu, es werde 2012 "schwer sein, eine Arbeitsstelle zu bekommen". Doch bei allem Wissen um die eigene Knappheit: Die Befürchtungen vieler Personalmanager, da wachse eine arrogante Generation heran, die in Einstellungsgesprächen bis aufs Blut um jeden Euro pokert, haben sich nicht bewahrheitet.
Vielmehr treten die Absolventen professionell auf und setzen meist andere Prioritäten als ein möglichst hohes Einstiegsgehalt. Auf den Feldern, die ihnen am Herzen liegen - flexible Arbeitszeiten, Unternehmenskultur, Frauenförderung - fragen sie dann schon kritisch nach. Wer sie als Mitarbeiter einstellen will, sollte die passenden Antworten parat haben.

Klaus Werle (Jahrgang 1973) ist Redakteur beim manager magazin.