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Familienunternehmen Wenn der Junior kommt, muss der Senior weg

Es bleibt ja in der Familie. Aber wenn die nächste Generation eine Firma übernimmt, rumpelt's oft vernehmlich. Patriarchen müssen loslassen lernen, Juniorchefs ihre Ambitionen zügeln - sonst scheitert das Projekt Übergabe.
Vom Vater auf den Sohn: Bei Familie Bornholdt dauerte die Übergabe acht Jahre

Vom Vater auf den Sohn: Bei Familie Bornholdt dauerte die Übergabe acht Jahre

Foto: Bornholdt / Reif GmbH / TMN

Vom Großvater auf den Vater, vom Vater auf den Sohn, vom Sohn auf den Enkel - ein Familienbetrieb wird weitergegeben von Generation zu Generation, mit viel Tradition und tiefen Wurzeln. Über die Jahre sind Geschäftsbeziehungen gewachsen, es gibt treue Kunden. Die Zahlen sind schwarz und die Mitarbeiter zufrieden. Doch plötzlich kippt die Stimmung: Zoff in der Chefetage. Der Junior streitet mit dem Senior. Erste Gerüchte sickern durch. Es geht um Strategiekonzepte. Der Sohn will investieren, der Vater bewahren.

Ein Machtkampf, wie er jedes Jahr in Tausenden Familienbetrieben stattfindet: Eigentlich müsste der Patriarch endlich das Zepter weitergeben, doch er kann nicht loslassen - seine Firma, seine Mitarbeiter, sein Lebenswerk.

"Familienunternehmen bewegen sich in einem stetigen Konfliktfeld zwischen Firma, Familie und Eigentum", sagt Simon Hahnzog, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Fresenius. Er berät Familien, die ihre Firma an die nächste Generation weitergeben. Oft gibt es viel Machtgerangel. Dabei müsste man eher stolz sein, wenn eine Tochter oder ein Sohn den elterlichen Betrieb weiterführen will. Denn Familienunternehmen suchen vielfach dringend Nachfolger und kümmern sich zu spät darum.

Damit Jung und Alt den Prozess gut meistern, braucht es klare Absprachen, dazu auf beiden Seiten die Bereitschaft, auch mal zurückzustecken. Und es ist nichts für Hektiker: Eine Übergabe geht oft über viele Jahre.

Jung und Alt, beide müssen sich zurücknehmen

Beim Klarsichthüllen-Hersteller Adalbert Reif begann der Ablösungsprozess 2002, als der Senior einen neuen Assistenten der Geschäftsleitung einstellte - seinen Sohn Dirk Bornholdt. Der wurde vier Jahre später Geschäftsführer, 2008 Inhaber des Unternehmens im schleswig-holsteinischen Kaltenkirchen. "Wir führen die Firma inzwischen in vierter Generation", sagt Dirk Bornholdt, 39, stolz. Zugleich setzt er noch eine weitere Tradition fort: Immer waren es Ehepaare, die die Geschicke des Unternehmens leiteten. Auch seine Frau Susi sitzt mit ihm gemeinsam in der Geschäftsleitung.

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Familienbande: Mein Vater, der Boss

Foto: Marie-Charlotte Maas

Familienunternehmen sind die wichtigste Wirtschaftsform in Deutschland. Je nach Definition gehören zwischen 80 und 90 Prozent aller Unternehmen dazu. Sie erzielen 41 Prozent aller Umsätze mit fast zwei Dritteln aller sozialversicherten Beschäftigten. Doch nicht immer lohnt es sich, alteingesessene Firmen zu erhalten: Laut Bundeswirtschaftsministerium muss ein Unternehmen mindestens 50.000 Euro Gewinn pro Jahr erwirtschaften, sonst droht dem Nachfolger die Pleite.

Bei der Familie Bornholdt war die Übergabe ein schleichender Prozess. Das junge Paar arbeitete viele Jahre mit den Eltern zusammen. Beide Seiten wollten das so. "Aber beide brauchten auch ein dickes Fell", sagen die Bornholdts. Natürlich gab es auch mal Streit. Gewundert hat sich darüber eigentlich keiner. Natürlich gehe nicht alles glatt, wenn ein 30-Jähriger von einem 60-Jährigen die Firma übernehme. Dirk Bornholdt warnt: "Wenn sich der Nachfolger nicht ein bisschen zurücknimmt, kann das im Totalverlust enden."

Reden hat in seiner Familie geholfen. Und auch Verträge, die alle Rahmenbedingungen vertraglich festlegten, zum Beispiel eine Arbeitszeitregelung für die älteren Bornholdts. "Meine Eltern kamen am Anfang nur noch montags, mittwochs und freitags in die Firma."

"Das gesamte Unternehmen muss auf den Prüfstand"

Zur klaren Trennung rät auch Psychologe Hahnzog: "Wenn der Junior die Geschäfte übernommen hat, sollte der Senior raus." Wichtig sei auch, dass der Senior für sich überlegt, wie er seine Zeit nach dem Ausstieg gestaltet, ergänzt Tim Gemkow vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

Professor Brun-Hagen Hennerkes von der Stiftung Familienunternehmen geht sogar noch einen Schritt weiter: "Das gesamte Unternehmen muss auf den Prüfstand gestellt werden." Der Nachfolger muss mit einem eigenen Konzept an den Start gehen. Er empfiehlt eine Checkliste, die abgehakt werden könne. Auch neutrale Experten von außen könnten bei Streitigkeiten helfen.

Die Ehepaare Bornholdt haben die Übergabe ohne einen Berater auf den Weg gebracht. Vielleicht auch, weil die Eltern darauf bestanden haben, dass keiner ihrer drei Söhne eine Ausbildung im elterlichen Betrieb macht.

Berater Hahnzog empfiehlt ebenfalls, die elterliche Firma zu meiden. "Am besten sie bewerben sich in einer ganz andere Branche oder in einem anderen Bereich und sammeln dort möglichst viel Erfahrung." Und das gilt nicht nur für Ausbildung und Studium, sondern auch für den Einstieg ins Berufsleben. Schließlich soll der Junior draußen möglichst viele Erfahrungen und Ideen sammeln - damit die Firma später davon profitiert.

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Familienunternehmen: Kollegen fürs Leben

Verena Wolff, dpa/sid
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