Blumen und Obst am Straßenrand Wie redlich sind die Selbstpflücker?

Blumen zum Selbstschneiden
Foto: Horst Ossinger/ picture alliance / dpaErdbeeren, Kirschen, Kartoffeln, Sonnenblumen oder Gladiolen - am Straßenrand kann man in Deutschland im Sommer fast alles kaufen. Der besondere Charme: Die Kunden müssen oft selbst aktiv werden und Obst oder Blumen eigenhändig vom Feld pflücken, anschließend ausrechnen, was sie bezahlen müssen und das Geld in eine bereitgestellte Kasse werfen. Einen Verkäufer gibt es meist nicht, jedenfalls nicht vor Ort.
Die Händler vertrauen auf die Ehrlichkeit ihrer Kunden. So wie Dieter Bär, Agrarwissenschaftler aus Bad Krozingen. Schon vor 25 Jahren hat er das erste Blumenfeld zum Selbstschneiden angelegt, damals noch als einer der Pioniere auf diesem Gebiet.

Eine Handvoll selbst gepflückte Erdbeeren
Foto: Fabian Nitschmann/ dpaMittlerweile verdienen schätzungsweise 900 Anbieter in ganz Deutschland mit Blumen und Obst zum Selbstpflücken ein Zubrot. Mancher kann sogar ganz davon leben, sagt Bär. Er selbst besitzt inzwischen 30 Felder rund um Bad Krozingen, Freiburg und den Kaiserstuhl. Fragen rund um die Zahlungsmoral der Kunden sind sein Steckenpferd.
Bär hat schon ganze Forschungsprojekte von Studenten begleitet - mit Verhaltensbeobachtungen direkt am Ort, auf dem Feld.
Der Familienfaktor erhöht die Ehrlichkeit
Die Quote der ehrlichen Zahler wächst, wenn die Kunden auf Infoblättern erfahren, dass eine Familie hinter dem Blumenangebot steht und von dem erwirtschafteten Geld ihren Lebensunterhalt bestreitet. Wird dagegen eine Firma als Anbaubetrieb genannt, sinken die Skrupel. Und das heißt nicht nur, dass einzelne Kunden ein paar selbst gepflückte Blumen mitgehen lassen.
Einige Leute nutzen das Selbstpflücker-Angebot, um daraus umfangreicher Profit für sich zu schlagen. "Es ist besonders ärgerlich, wenn Wiederverkäufer gleich im großen Stil Felder leerräumen und sich dann ohne Bezahlung aus dem Staub machen", sagt Bär.
Der Landwirt berät auch andere Anbieter, die in das Geschäft einsteigen möchten. Sein Tipp: eine gut sichtbare Lage der Felder neben einer größeren Straße, Parkmöglichkeiten, Stadtnähe und gleichzeitig möglichst wenig Konkurrenz durch ähnliche Angebote seien wichtige Standortvorteile.
Skandinavier sind am ehrlichsten
Bundesweit berät Bär rund 600 Anbieter und stattet sie etwa mit landwirtschaftlichen Geräten aus. Dazu kommen noch anbauwillige Landwirte in Frankreich, Österreich, Dänemark und Schweden. In Skandinavien gebe es die redlichsten Selbstpflücker, sagt Bär: "Den Klimanachteil machen sie mit ihrer Ehrlichkeit wett."
Nach Bärs Erfahrung zahlen aber auch in Deutschland die allermeisten Leute ehrlich den geforderten Preis. Für eine Gladiole oder Sonnenblume sind das in Deutschland durchschnittlich 80 Cent, Tulpen kosten um die 50 Cent und Dahlien im Schnitt 40 Cent. Damit kommen die Kunden meist deutlich günstiger weg als im Supermarkt oder Blumengeschäft.
Wie kommt das alles eigentlich bei den Blumengeschäften an, die teils deutlich höhere Preise verlangen und davon nicht nur Personal, sondern auch Ladenmieten bezahlen müssen?

Selbstpflück-Feld in München
Foto: Fabian Nitschmann/ dpaBeim Fachverband Deutscher Floristen sieht man die Selbstpflück-Felder - anders als Supermärkte und Discounter - eher gelassen, sagt die Verbandssprecherin Nicola Fink. Sie kann der Konkurrenz sogar etwas Positives abgewinnen. Das Selbstpflücken könne die Verbraucher zusätzlich positiv für Blumen einnehmen. Wenn die Saison auf dem Blumenfeld im Herbst beendet ist, kämen die Kunden vielleicht umso lieber wieder in die Fachgeschäfte, sagt Fink.
Geschäftsschädigend: Mieses Wetter
Apropos Saison: Die Anbieter der Selbstpflück-Felder sind nicht nur auf die Ehrlichkeit ihrer Kunden, sondern auch auf passendes Wetter angewiesen. Das hat zum Beispiel dem Erdbeerbauern Johann Lang aus Egmating nahe München in diesem Jahr zu schaffen gemacht.
"Die Erntezeit ist zwei bis drei Wochen früher zu Ende gegangen als üblich", sagt er. Schön seien die Früchte schon gewesen, aber der Ertrag wegen teils erheblicher Frostschäden bei den Frühsorten geringer als sonst. Dann wieder fehlten die Niederschläge, so dass die süßen Früchte weniger Gewicht auf die Waage brachten.
Außerdem hielt die Hitze im Juni manche Kunden davon ab, in die Erdbeerfelder zu kommen. Der Landwirt konnte dem Wetter allerdings auch etwas Gutes abgewinnen. Denn er baut nicht nur Erdbeeren, sondern auch Sonnenblumen zum Selbstpflücken an - und die legten dank der Hitze zwei bis drei Wochen früher mit der Blüte los als sonst.