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Fotostrecke: Auf die billige Tour

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Fernbusfahrer Auf die billige Tour

Die Fernbusbranche brummt: Fahrer werden händeringend gesucht. Doch wegen des Preiskampfs ist der Lohn mau - und beim Buslenken bleibt es nicht: Sie müssen auch die Klos putzen.

Freitagnachmittag, Hauptreisezeit. Andreas, Thorsten und Dieter stehen hinter dem Kölner Hauptbahnhof und warten auf den Fernbus. Die Mittdreißiger wollen für ein Männerwochenende nach Amsterdam, zum Schnäppchenpreis: 54 Euro pro Kopf kosten Hin- und Rückfahrt. Doch der Bus kommt nicht. Dafür aber eine SMS, die über die Verzögerung informiert. Andreas schaut fassungslos auf sein Handy, ist genervt: "Gleich beim ersten Mal, das geht ja schon gut los." Eine Stunde später biegt der Bus um die Ecke. Die Freunde steigen ein.

Doch weil der Preis unschlagbar günstig war, nehmen die Männer in Kauf, dass sie warten müssen und die Fahrt länger dauert als mit dem Zug, falls der überhaupt fährt. So wie 44 Prozent der Fahrgäste, die seit der Marktliberalisierung vor zwei Jahren von der Bahn auf den Bus umgestiegen sind.

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Mobilität: Wenn Pendeln krank macht

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Billiger Pendelverkehr zwischen den Metropolen, Direktverbindungen bis in die Provinz - zwischen der Deutschen Bahn und verschiedenen Busanbietern tobt ein heftiger Preiskampf.

Kürzlich schlossen sich die beiden Marktführer, MeinFernbus und Flixbus, zusammen und wollen bis zum Jahresende mehr als 50 neue Linien starten, unter anderem nach Brüssel und Paris.

Einen Umsatzeinbruch von 150 bis 200 Millionen Euro vermeldete DB-Vorstand Ulrich Homburg allein für 2014. Daraufhin startete Bahn-Chef Rüdiger Grube unmittelbar eine Offensive: Allein im Februar wurden mehr als tausend Bahn-Tickets für die Strecke Berlin-Hamburg verschenkt, zudem werden bundesweite Billigtickets für 74 Euro verkauft. Darüber hinaus will die Bahn bis 2016 ihr eigenes Fernbusangebot vervierfachen. Derzeit fahren für sie 20 Linien, was gerade einmal neun Prozent des Marktanteils ausmacht.

Derweil rollen auf Autobahnen, Fern- und Bundesstraßen die Busse der Konkurrenz: Mehr als hundert Anbieter pendeln mittlerweile auf 240 Linien , wöchentlich sind das 7099 Fahrten. Die junge Branche ist schnell gewachsen und würde wahrscheinlich noch mehr boomen, gäbe es nur genügend qualifizierte Fahrer. Von mehr als 2000 freien Stellen spricht der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Allein auf der Webseite von MeinFernbus hat ein Subunternehmer Annoncen für 44 Städte geschaltet.

Getränke verkaufen und Bus putzen gehören dazu

Ein Knochenjob, der viel mehr verlangt, als Gas zu geben, zu lenken und zu bremsen. Ein Fernbusfahrer muss Gepäck ein- und ausladen, nebenbei Tickets, Getränke und Snacks verkaufen, Fahrgäste einchecken. Er muss Geduld haben, wenn nervige Gäste meckern, Erste Hilfe leisten, wenn ein Fahrgast plötzlich krank wird. Und er muss den Bus täglich putzen - Abfälle entsorgen, verschütteten Kaffee aufwischen, Sitze saugen. Kurz: Er muss Kofferträger, Bedienung und Schaffner sein und dann noch all das erledigen, wofür im Zug und im Flugzeug die Putzkolonne anrückt.

Obendrauf kommen noch lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung. Seit Januar gilt zwar auch in der Transportbranche der Mindestlohn von 8,50 Euro. Doch Mira Ball, Leiterin der Fachgruppe Verkehr bei Ver.di sagt: "Arbeitszeiten werden oft sehr großzügig definiert." So werde eine Schicht, die zwölf Stunden dauert, durchaus mal mit nur acht Stunden abgerechnet. Viele Fahrer seien sich über ihre Rechte nicht im Klaren. "Bevor ein Kollege übernimmt, muss er bereits drei bis vier Stunden im Bus mitfahren", so Ball. Sie beklagt: "Viele Fahrer wissen nicht, was am Ende unterm Strich für sie rauskommt."

Durchschnittlich  verdient ein Busfahrer in Deutschland rund 1967 Euro brutto. Manchmal werde ein Fernbusfahrer auch pro Strecke entlohnt, erzählt der Fahrer, der die drei Freunde am Kölner Hauptbahnhof abholt - je nach Tour zwischen 32 und 149 Euro.

Bevor sie bei einem Ausbeuter anheuern, sollten sich Bewerber "den Vertrag genau ansehen und sich auch jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde vergüten lassen", rät Ball. Als positives Beispiel verweist sie auf die Berlin Linien Bus GmbH, eine Bahn-Tochter, die überwiegend nach Tarif entlohne.

Hamburg - Potsdam, 13 Euro. München - Südtirol, 13 Euro. Kiel - Mainz, 29 Euro. München - Südtirol, 14 Euro. Wer auf die Reiseseiten der Fernbusunternehmen geht, wird mit Dumping-Angeboten gelockt. Und weil die Reisen so günstig sind, bleibe nicht genug Geld für die Angestellten, sagt ein Unternehmer. Offiziell möchte er sich nicht äußern. Aber hinter vorgehaltener Hand gibt er zu: Um faire Löhne bezahlen zu können, müsste er zehn Cent pro Fahrgast und Kilometer verdienen - derzeit komme man aber gerade einmal auf drei bis vier Cent.

Allein in diesem Jahr wollen die privaten Busunternehmer 16 Millionen Passagiere transportieren. Obwohl der Verein Mobifair im vergangenen Jahr mokierte: "Bei 27 beobachteten Fahrten waren bei jeder vierten Tour Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten festzustellen." Gewerkschaftlerin Mira Ball beschwichtigt zwar: Inzwischen gebe es eine wöchentliche Dokumentationspflicht der Arbeitszeit. Doch den Busfahrern hilft das in der Regel nicht: Ihre Arbeitgeber legen die Routen fest und lassen den Fahrer auf dem Bußgeld sitzen, wenn er keine Zeit für Pausen hat.

Der Führerschein kostet 10.000 Euro

Obendrauf erschwert die fehlende Infrastruktur den Fernbusfahrern ihre Arbeit zusätzlich: Die Zentralen Omnibusbahnhöfe sind für den Boom immer noch nicht gerüstet. So werden die Fäkalien, die die Busfahrer entsorgen müssen, momentan oft munter auf Park- und Rastplätzen ausgekippt. Und der Bonner ZOB befindet sich gar auf einem teils ungeteerten Weg in der Nähe hoher Brombeerbüsche - Toiletten oder gar eine Kaffeebude? Fehlanzeige.

"Multitalente gesucht", wirbt der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer auf einer Werbeseite , für einen "Job mit echter Perspektive". Und lockt junge Menschen: "Arbeiten, wo andere Urlaub machen? 500 PS beherrschen?" Dass ein Busführerschein rund 10.000 Euro kostet, wird verschwiegen. Und auch, dass der Bewerber ihn in der Regel selbst finanzieren muss.

Foto: Matthias Lauerer

Matthias Lauerer (Jahrgang 1975) ist freier Journalist. Er hat nach dem Volontariat bei der "Neuen Westfälischen" unter anderem für "Stern" und stern.de gearbeitet.

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