Urteil des Finanzgerichts
Unfallchirurg darf Arbeitszimmer nicht von der Steuer absetzen
Ein Unfallchirurg will sein Homeoffice steuerlich absetzen – und scheitert. Der zunächst kurios wirkende Fall betrifft mehr Arbeitnehmer, als man denken könnte.
Arbeitszimmer (Symbolbild): Die Sache mit der Steuer ist kompliziert
Foto: Philipp Dimitri / DEEPOL / plainpicture
Es klingt wie ein schlechter Witz: Ein Unfallchirurg will vor Gericht erreichen, dass er die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer von der Steuer absetzen kann. Es leuchtet doch ein, dass man im Homeoffice schlecht komplizierte Operationen an Patienten durchführen kann – was also will der Mann?
Aber der jüngst vor dem niedersächsischen Finanzgericht in Hannover verhandelte Fall liegt anders, denn die Klinik in Niedersachsen, wo der Chirurg als Oberarzt arbeitet, hatte das Homeoffice durchaus unterstützt und ihm sogar eine Teleradiologie dort eingerichtet. Damit konnte er zu Hause radiologische Aufnahmen einsehen und begutachten, um die Ergebnisse dann mit den Ärzten und weiterem Personal vor Ort zu besprechen. Nach Schätzung des Unfallchirurgen blieb ihm während seiner Rufbereitschaften so in jedem dritten Fall die 15 bis 30 Minuten lange Fahrt ins Krankenhaus erspart.
Rein berufliche Nutzung des Zimmers reichte nicht aus
Das Finanzgericht entschied dennoch in einem jetzt bekannt gegebenen Urteil vom Oktober (Az.: 1 K 292/19), dass der Arzt sein häusliches Arbeitszimmer nicht steuerlich absetzen kann. Der Arzt hatte ein Arbeitszimmer in der Klinik, aber auch ein eigenes, komplett abgeschlossenes Arbeitszimmer in seinem Eigenheim. Er argumentierte, wegen der sensiblen Patientendaten sei es notwendig gewesen, die Teleradiologie in einem abschließbaren Raum einzurichten. Den Raum habe er auch für berufliche Fortbildungen genutzt.
Das alles aber half ihm vor dem Finanzgericht nicht: Dass der Arzt nicht seinen Schreibtisch in der Klinik nutzte, habe letztlich private Gründe gehabt, befand das Gericht. Das wirkt wie eine Argumentation aus einer anderen Zeit, denn in der Corona-Pandemie sollte schließlich jeder, der unnötige Kontakte am Arbeitsplatz vermeiden kann, tunlichst im Homeoffice bleiben, für das man auch eine Pauschale geltend machen kann. In dem verhandelten Fall ging es jedoch tatsächlich um einen Zeitraum lange vor der Pandemie: In seiner Steuererklärung für 2015 hatte der Chirurg die Kosten des Zimmers in Höhe von 902 Euro als häusliches Arbeitszimmer geltend gemacht, das Finanzamt hatte das nicht anerkannt.
Das Finanzgericht gab dem Finanzamt nun recht. Die Argumentation ist eine häufig verwendete: Das Zimmer des Arztes sei nicht »Mittelpunkt seiner gesamten Betätigung« gewesen. Dieser habe eindeutig im Krankenhaus gelegen. Die Arbeiten zu Hause seien lediglich »begleitende, vorbereitende und nachbereitende Tätigkeiten« gewesen. Auch über die EDV-Schnittstelle der Teleradiologie habe er lediglich auf Patientendaten und Untersuchungsergebnisse zugreifen, nicht aber Untersuchungen selbst vornehmen können. Für all diese Arbeiten habe der Unfallchirurg ebenso auch seinen Arbeitsplatz im Krankenhaus nutzen können.
Das sieht auch der Steuerexperte Klaus Bührer so. »Entscheidend ist die Tatsache, dass der Arzt ein Arbeitszimmer im Krankenhaus hatte«, sagt der Geschäftsführer der bundesweit tätigen Steuerberatungskanzlei Dornbach in München. Das Urteil ist nicht nur für Ärzte relevant, sondern für alle Arbeitnehmenden mit einem häuslichen Arbeitszimmer. »Die Grundsätze bei der steuerlichen Absetzbarkeit von häuslichen Arbeitszimmern sind klar«, sagt Bührer: »Wenn es der Mittelpunkt der gesamten Berufstätigkeit ist, kann man die Kosten voll absetzen. Ist das nicht der Fall, kann man nur dann, wenn man beim Arbeitgeber kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung steht, bis zu 1250 Euro absetzen. Mit diesem Verfahren würde ich nicht in die nächste Instanz gehen – da sehe ich keine Erfolgsaussichten.«
Der Arbeitgeber als Mieter – eine mögliche Alternative
Mit der Corona-Pandemie ist das Thema Homeoffice allerdings steuer- und arbeitsrechtlich noch wichtiger geworden. Bührer glaubt, in Zukunft werde sich die strenge Kategorisierung ändern, die diesem Urteil zugrunde liegt, um der neuen Arbeitswelt gerecht zu werden. »Wäre es in diesem Verfahren um einen Zeitraum innerhalb der Corona-Pandemie gegangen, dann hätte der Arzt die neue Homeoffice-Pauschale für die Tage in Anspruch nehmen können, die er komplett von zu Hause aus gearbeitet hätte – allerdings nicht die Tage, bei denen er im Rahmen des Bereitschaftsdienstes dann doch noch in der Klinik tätig war«, so Bührer.
Er zeigt aber eine Möglichkeit auf, wie sich die Kosten für das Homeoffice doch hätten senken lassen können. »Dem Arbeitgeber scheint es ja in diesem Fall wichtig gewesen zu sein, dass der Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeiten kann, wie die Installation der Teleradiologie nahelegt. Es wäre eine Überlegung wert gewesen, ob der Arbeitgeber das Zimmer zu einer ortsüblichen Miete anmietet – dann hätte der Arzt Mieteinkünfte erzielt und hätte die Kosten für das Zimmer steuerlich dagegen rechnen können«, sagt der Steuerexperte. Zu welchem Preis und unter welchen Umständen ein Arbeitgeber sich auf ein solches Modell einlässt, ist – wie vieles im Arbeitsleben – aber Verhandlungssache.
In einer ersten Version des Artikels stand, dass sich 1250 Euro pauschal absetzen lassen. Richtig ist, dass nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die 1250 Euro keine Pauschale darstellen, sondern eine Begrenzung des Abzuges. Wir haben das im Text korrigiert.