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Job & Karriere

Start-up statt Burn-out "Ich bin jetzt entspannter und ausgeglichener"

Im Alter von fast 50 Jahren noch eine Firma gründen, kann das funktionieren? Jörg Schröder hat es gewagt und seine Festanstellung gekündigt. Zehn Jahre später zieht er ein Fazit.
Jörg Schröder vermietet Bilder - und fotografiert nun auch selbst

Jörg Schröder vermietet Bilder - und fotografiert nun auch selbst

Foto: Carlos Kella

Nach 20 Jahren im Vertrieb von BMW fühlte sich Jörg Schröder ausgebrannt und wollte nur noch weg. Und da war diese Geschäftsidee, die ihm bei einem Umzug gekommen war: Er suchte nach Bildern für seine weißen Wände. Und fragte sich, warum man die eigentlich nicht mieten kann. So kam es, dass er im Alter von 49 Jahren seinen festen Job kündigte und sich selbstständig machte mit dem "Bilderwerk".

Als der SPIEGEL vor neun Jahren über ihn berichtete, sagte er: "Mein großer Traum ist, dass eines Tages ein großes Krankenhaus anklopft: Dann kann ich für die Flure Bilder anbieten, die man nicht klauen kann, fürs Schwesternzimmer bunte Motive, fürs Arztzimmer den Fotodruck und für die Chefetage die großen Originale."

Dieser Traum ist wahr geworden. Schröder hat schon mehrere Kliniken in Hamburg und Umgebung mit Bildern ausgestattet, auch Steuerberater, niedergelassene Ärzte, Versicherungen und Hotels zählen zu seinen Kunden. Mehr als 3000 Motive von 22 Künstlern hat er in seinem Sortiment. Man kann sie leihen, aber auch kaufen, in allen möglichen Größen, auf Leinwänden, Aluverbund- oder Acrylplatten oder als schallschluckende Akustikbilder.

Die eigene Nische gefunden

"Ich bin jetzt seit fast genau zehn Jahren im Geschäft und kann sagen: Ja, ich habe mich auf dem Markt etabliert", sagt Schröder. Er habe seine Nische gefunden: Kunst für Menschen, die keine 5000 Euro für rote Farbkleckse möglicherweise aufstrebender Künstler zahlen wollen, die aber auch keine Lust haben auf Drucke von Ikea oder Möbel Höffner.

60 Prozent seines Umsatzes erziele er mit dem Verkauf, 40 Prozent mit dem Verleih von Bildern, sagt er. Vor allem die Beratung bei den Kunden vor Ort mache ihm "einen Riesenspaß": "Ich bin ein klassischer Außendienstler, ich will die Leute treffen." Deshalb liefere er oft auch selbst Bilder aus, die Kunden in seinem Onlineshop bestellt haben. "Da komme ich mir vor wie der ganzjährige Weihnachtsmann, das ist großartig."

Schröder wählt seine Künstler sorgfältig aus, es sind Maler dabei, Illustratoren und Fotografen - und seit einem halben Jahr auch er selbst. Er hat am Strand auf Sylt fotografiert und im Hamburger Hafen, seine neueste Serie zeigt die Eingänge von Kneipen und Läden auf St. Pauli. Fotografie habe ihn schon immer interessiert, sagt er, und von den Fotografen, mit denen er nun schon so lange zusammenarbeitet, habe er viel gelernt. "Es kommt sogar vor, dass Fotos von mir verkauft werden. Das macht mich unheimlich stolz."

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Endlich Zeit für ein Hobby

Foto: Jörg Schröder

Zeit für ein Hobby zu haben, war früher für Schröder nicht selbstverständlich. In seinem Job bei BMW arbeitete er viel, ein Arzt warnte ihn, dass er kurz vor einem Burn-out stehe. Mit der Firmengründung hoffte Schröder auf flexiblere Arbeitszeiten und feste Ruhephasen. Diesen Wunsch habe er sich erfüllt, sagt er: "Bei schönem Wetter fahre ich auch in der Woche mal an die Ostsee und arbeite dann lieber am Wochenende." Im Urlaub schalte er das Handy zwar nicht komplett aus, "man darf ja nicht die Fäden verlieren", aber insgesamt fühle er sich deutlich ausgeglichener als in seinem alten Job. "Finanziell stehe ich schlechter da als früher im Vertrieb, aber dafür bin ich entspannter und funktioniere nicht mehr wie eine Maschine."

Besonders gefragt bei seinen Kunden seien Szenen aus Hamburg und Norddeutschland, sagt Schröder, und er sehe da noch viel Potenzial: Auch für Ferienwohnungen oder Pensionen seien Bilder mit regionalem Bezug doch genau das Richtige. Das Konzept könne man sicherlich auch in andere Städte übertragen - er selbst will aber bewusst nicht weiter expandieren. "Erfolg wird in Deutschland nicht belohnt", sagt er. "Wenn man eine gewisse Unternehmensgröße überschreitet, wird die Buchhaltung so kompliziert, dass man das gar nicht mehr allein schaffen kann."

Deshalb bleibe er lieber ein Ein-Mann-Unternehmen. Auch von der Idee eines eigenen Ladengeschäfts hat er sich verabschiedet: "In Hamburg sind die Mieten so hoch, da kann man ja gleich Insolvenz anmelden." Das Konzept eines Pop-up-Stores, eines Ladens auf Zeit, erscheint ihm da vielversprechender. Damit hatte er schon erste gute Erfahrungen gemacht - bis Corona kam. Statt nach vier Wochen musste er seinen Pop-up-Laden schon nach einer Woche schließen.

Die Firma nur mit einem Onlineshop zu starten, war der Rat eines Gründerberaters gewesen - und einer der wenigen Tipps, die Schröder in der Startphase als nützlich empfand. "Ich hätte mir jemanden gewünscht, der mich wortwörtlich an die Hand nimmt. Aber die meisten Berater steigen gar nicht tief in die Praxis ein, sondern arbeiten sich am Businessplan ab."

Erfolgsprämie statt Honorar für Gründerberater

Seinen KfW-Kredit in Höhe von 20.000 Euro zahlte er deshalb nach drei Monaten zurück. "Ich sollte ständig über alles Rechenschaft ablegen, darauf hatte ich keine Lust. Da habe ich lieber meine Ersparnisse investiert und alles komplett allein gemacht."

Das Problem sei, dass Gründerberater ihr Honorar auch dann bekommen, wenn ihre Ratschläge völlig unbrauchbar seien, sagt er: "Einem Gründer zum Erfolg zu verhelfen, müsste sich für sie auch finanziell lohnen. Warum bekommen sie eigentlich nicht erst dann eine Provision, wenn die von ihnen empfohlenen Schritte erfolgreich sind?"

Was Jörg Schröder anderen Gründern rät:

Vor neun Jahren hatte er im Interview mit Blick auf die hohen Honorare vieler Berater gesagt: "Wenn das Bilderwerk scheitern sollte, werde ich freier Existenzgründungsberater." Anderen beratend zur Seite zu stehen, das könnte er sich tatsächlich vorstellen - nach seiner Pensionierung.

"Ich werde dieses Jahr 60. Mein Traum wäre, dass ich einen Nachfolger finde, der das bestehende Geschäft übernimmt und den ich beim Ausbau unterstützen kann. Es gibt noch so viele leere Wände in Hamburg, wenn wir nur zwei Prozent davon erreichen, ist das schon ein Riesengeschäft."

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