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Kulturschock Jakarta: Netzwerken ist das A und O

Foto: Reinhausen

Firmengründer in Jakarta Wenn der Taxifahrer den Weg nicht kennt

Bewerber kommen zu spät, Taxifahrer kurven ahnungslos um den Block, Kritik ist unerwünscht. Christoph Häring hat in Jakarta die Dependance einer deutschen Firma aufgebaut und mit landestypischen Eigenarten gefremdelt. Doch sein Leben in Indonesien hat auch angenehme Seiten.

"Eine Liste mit Handynummern war mein wichtigstes Startkapital für Jakarta. Netzwerken ist in Indonesien das A und O. Die Menschen hängen ständig am Blackberry, posten auf Facebook und Twitter oder schreiben SMS. Jeder kennt zig Leute - aber in dieses Netzwerk muss man erst mal reinkommen. Und da hatte ich viel Glück. Weil ich schon erste Kontakte hatte, als ich nach Jakarta kam. Freunde von Freunden luden mich zum Abendessen oder Brunch ein, Bekannte von Bekannten nahmen mich zum Golfen oder Tennisspielen mit. Daraus sind einige Freundschaften erwachsen.

Ich bin nach Jakarta gekommen, um für die Maschinenfabrik Reinhausen die Dependance in Indonesien auszubauen. Reinhausen ist ein Regensburger Spezialisten für Stufenschalter, die in Leistungstransformatoren verwendet werden. Für mich bedeutete das: Ich musste eine Firma gründen, Büroräume suchen, Mitarbeiter einstellen und einarbeiten. Als ich im April 2011 hier ankam, war ich eine One-Man-Show, inzwischen sind wir zu viert.

Die Entscheidung für die Stelle habe ich in wenigen Augenblicken getroffen. Mit 17 habe ich in der Zentrale der Maschinenfabrik Reinhausen angefangen und bin auch neben dem Studium dabeigeblieben. Schon bei meinem Berufseinstieg 2010 hatte ich vor, möglichst bald ins Ausland zu gehen. Mir macht es extrem viel Spaß, zu reisen, etwas Neues kennenzulernen, mich auf Herausforderungen einzulassen. Das habe ich von meinem Vater.

Anfangs hat mich vor allem das Visum Nerven gekostet. Zunächst bekam ich nur ein dreimonatiges Business-Visum, das mich in vielem einschränkte: Ich konnte kein Konto eröffnen, keine Wohnung mieten, meine Sachen aus Deutschland nicht anliefern lassen. Das hat mich wahnsinnig gemacht - und mir zugleich gezeigt, was ich als Deutscher in Indonesien ganz dringend lernen musste: relaxter zu werden und mich an die hierzulande typische Gummizeit - Jam Karet - zu gewöhnen.

Statt zu kritisieren lieber alles nochmal erklären

Ich bin auch schon entspannter geworden - vor allem im Straßenverkehr. Der ist in Jakarta echt der Wahnsinn. Für eine Fahrt zum Flughafen braucht man zwei Stunden statt der eigentlich angemessenen 20 Minuten, in der Rush-Hour steckt man komplett fest. Zum Glück fahre ich entgegen der Hauptrichtung in mein Büro und brauche nur eine gute halbe Stunde. Außerdem habe ich mir recht schnell angewöhnt, im Taxi auf dem Laptop zu arbeiten.

Mehr noch als die Staus stresst mich im Taxi, dass die meisten Fahrer sich nicht auskennen. Straßennamen sagen ihnen oft nichts, viele können keine Stadtpläne lesen. Und statt zu sagen, dass sie nicht wissen, wo sie hinsollen, fahren sie einfach drauf los und lügen einen an. Die Angst vor einem Gesichtsverlust ist weit verbreitet.

Trotz eines interkulturellen Trainings musste ich mich an vieles im Alltag erst gewöhnen: Menschen nicht geradeheraus zu kritisieren, Arbeitsabläufe teilweise mehrfach zu erklären und deutsche Standards anders zu bewerten. Beispielsweise kam einer der Bewerber nicht zum verabredeten Termin. Kein Anruf, keine SMS, anderthalb Stunden später stand er dann plötzlich in meinem Büro. Das hätte in Deutschland das Aus bedeutet. Da zu spät kommen hier aber durchaus üblich ist, habe ich dem Bewerber noch eine Chance gegeben - und seine fachliche Kompetenz hat mich überzeugt, ihn einzustellen. Allerdings habe ich ihm gesagt, dass er bei Verspätungen gefälligst eine SMS schickt.

Indonesier fragen Löcher in den Bauch

Als Deutscher wird man in Indonesien für Zuverlässigkeit, Fleiß und Ingenieurskunst made in Germany geschätzt. Besonders punkte ich damit, dass ich Indonesisch lerne. Die Sprache ist mir wichtig, um den Menschen zu zeigen, dass ich mich hier integriere. Das fällt mir im Großen und Ganzen echt leicht, vor allem, weil sich die Indonesier sehr für einen interessieren. Bist du verheiratet? Willst du Kinder? Wohin gehst du gerade? Was machst du am Wochenende? Hast du schon gegessen? Die fragen einem echt Löcher in den Bauch. Manche Deutsche fühlen sich davon überwacht, andere halten das für oberflächlich. Ich finde es sympathisch.

Als Ausländer mit gutem Gehalt ist das Leben in Jakarta extrem angenehm. Dienstleistung wird groß geschrieben - und kostet fast nichts. Taxifahrten, Massagen, Friseur- oder Restaurantbesuche, Wäsche abholen und bügeln lassen, all das gehört hier zum Standard der Expats. Im Stadtteil Kemang, in dem ich lebe, gibt es jede Menge nette Cafés und Restaurants, kleine Boutiquen und originelle Bars. Und samstagabends lässt es sich in Jakarta exzellent clubben. Es gibt mehrere richtig hippe Läden, viele von ihnen in einer der zahlreichen Malls. Da fahren die jungen reichen Indonesier dann mit ihren teuren Autos in die Tiefgarage und können teilweise direkt vor dem Eingang parken.

In den Clubs habe ich allerdings meinen ersten richtigen Kulturschock erlebt. Dafür, dass wir hier in einem überwiegend muslimischen Land sind und man auf den Straßen durchaus auch verschleierte Frauen sieht, sind die Frauen in den Clubs sehr freizügig gekleidet. Sie tragen alle High-Heels und extrem kurze Miniröcke, trinken viel und gern Alkohol.

In Jakarta finden sich viele Extreme: Luxus-Shopping-Center und Armenviertel, strenger Glauben und lebensfrohe Leichtigkeit - das macht für mich den besonderen Reiz dieser Stadt aus. Und gerade für mich als jungen alleinstehenden Menschen bietet sie die Chance, gut zu leben, obwohl ich viel arbeite."

Aufgezeichnet von Simone Utler
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