Lernen durch Würfeln: Zuwanderer aus dem Kosovo, Syrien und dem Libanon beim Deutschunterricht
Foto: Waltraud Grubitzsch/ dpaVerpflichtende Integrationskurse gibt es in Deutschland seit zehn Jahren. Deutsch für Zuwanderer, damit sie Anträge ausfüllen, Arbeit suchen und ihren Kindern bei den Schulaufgaben helfen können. Aber längst gibt es mehr Flüchtlinge als Kursplätze, manche müssen monatelang warten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat deshalb vorübergehend zusätzliche Deutschkurse angeboten - mit riesiger Resonanz. Mehr als doppelt so viele Flüchtlinge wie erwartet haben sich angemeldet.
Die Bundesagentur für Arbeit hatte mit bis zu 100.000 Teilnehmern gerechnet. Nun nehmen an den Kursen mehr als 220.000 Asylbewerber teil. "Das überwältigende Interesse an den Sprachkursen zeigt eine ausgeprägte Motivation unter den Flüchtlingen mit hoher Bleibeperspektive, sich schnell zu integrieren", sagt Peter Clever, Vize-Vorsitzender des BA-Verwaltungsrats. Wichtig sei eine frühzeitige Förderung bereits während des laufenden Asylverfahrens.
An den Sprachkursen können auch bislang nicht anerkannte Asylbewerber teilnehmen, wenn sie gute Bleibechancen haben. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seine Integrationskurse inzwischen für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive geöffnet. Bis zum Herbst 2015 konnten an diesen nur bereits anerkannte Flüchtlinge teilnehmen.
Die BA hofft, mit dem Angebot die Jobchancen der Flüchtlinge zu verbessern. Die Kosten sollen zwischen 320 und 400 Millionen Euro liegen und werden aus Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung finanziert. 73 Prozent der Kursteilnehmer kommen den Angaben zufolge aus Syrien, 14 Prozent aus dem Irak, acht Prozent aus Eritrea und fünf Prozent aus dem Iran. Der weit überwiegende Teil sind Männer.
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Die deutschen Handwerksbetriebe kriegen seit Jahren ihre Azubi-Stellen nicht mehr voll, rund 20.000 bleiben 2015 wohl unbesetzt. Flüchtlinge könnten manche davon besetzen.
"Noch haben wir wenige von ihnen in Ausbildung, aber ihre Zahl steigt überall", sagt ZDH-Sprecher Legowski. Er fordert aber mehr Vorbereitungskurse, in denen die neuen Deutschen vor allem die Sprache lernen.
Dann könnten gerade Ausbilder, die sich bei der Nachwuchssuche schwertun, unter Flüchtlingen fündig werden. Stuckateure etwa.
Oder Bäcker. Während viele deutschstämmige Jugendliche beim Bäckerhandwerk vor allem ans frühe Aufstehen denken, sei der Beruf in Syrien oder dem Irak sehr positiv besetzt, sagt Legowski.
Eine alternde Gesellschaft wie die deutsche braucht künftig viele neue Pflegekräfte, schon jetzt geht Krankenhäusern und Altenheimen der Nachwuchs aus. Könnten die häufig jungen Flüchtlinge hier nicht Lücken stopfen? Für eine "politische Schnapsidee" hält das Johanna Knüppel vom Berufsverband für Pflegeberufe.
Es gebe in Deutschland genügend ausgebildete Pflegekräfte, wegen der Überlastung auf schlecht besetzten Stationen wollten die aber nicht mehr im Beruf oder selten in Vollzeit arbeiten, sagt Knüppel. "Es braucht keiner zu glauben, dass sich Flüchtlinge mit Pflegeausbildung mit solch schlechten Bedingungen abspeisen lassen." Der Pflegebereich habe schon länger Erfahrungen mit Migranten. Viele blieben aber nicht lange in Deutschland, sondern zögen nach Skandinavien oder in die USA weiter, wo ihnen attraktivere Arbeitsbedingungen geboten würden.
Ingenieure sind in Deutschlands Hightech-Wirtschaft besonders gefragt. Flüchtlinge mit den entsprechenden Qualifikationen können da eine echte Hilfe sein, sagt Marco Dadomo vom Ingenieursverband VDI.
Im Maschinenbau oder der Elektrotechnik fehlten zumindest in industriestarken Regionen wie Süddeutschland oder Nordrhein-Westfalen viele Ingenieure. , sagt Dadomo. Ein studierter Ingenieur, der es durch die behördliche Mühle der Anerkennung geschafft hat, hat gute Chancen auf einen Arbeitsplatz. Viele Unternehmen würden sogar Deutschkurse zahlen, um sich einen gut ausgebildeten Ex-Asylbewerber zu sichern.
Auch Softwareentwickler und andere IT-Spezialisten sind in Deutschland oft Mangelware. Der Branchenverband Bitkom glaubt, dass manche freie Stelle mit einem Flüchtling besetzt werden könnte. Zwar sind die gefragten Entwickler, etwa im Bereich Big Data oder Mobile, hochspezialisiert und überall rar. Aber aktuell legt die Politik ihnen auch noch Steine in den Weg.
Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder beklagt etwa, dass qualifizierte Flüchtlinge für den Antrag auf eine Arbeitserlaubnis nach dem Zuwanderungsrecht in ihr Heimatland zurückreisen müssten. Eine abstruse Forderung an einen Menschen, der gerade vor einem Bürgerkrieg geflohen ist.
Eine alternde Gesellschaft wie die deutsche braucht künftig viele neue Pflegekräfte, schon jetzt geht Krankenhäusern und Altenheimen der Nachwuchs aus. Könnten die häufig jungen Flüchtlinge hier nicht Lücken stopfen? Für eine "politische Schnapsidee" hält das Johanna Knüppel vom Berufsverband für Pflegeberufe.
Foto: Peter Steffen/ picture alliance / dpaMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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