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Fristlose Kündigung Wie schwer muss ein Fehlverhalten wiegen?

Für Mitarbeiter ist eine fristlose Kündigung verheerend. Sie verlieren sofort ihren Job, erhalten keinen Lohn, dazu eine Sperre bei der Arbeitsagentur. Zu diesem harten Mittel dürfen Arbeitgeber aber nur im Ausnahmefall greifen.
Von Sabine Hockling und Jochen Leffers
Foto: TMN

Aus die Maus, Ende Gelände, Schicht im Schacht - von heute auf morgen ist der Job futsch. Damit das passiert, muss ein Mitarbeiter etwas so richtig vermasseln. Mit Anlauf. Eine fristlose Kündigung kommt nur in Betracht, wenn für Arbeitgeber die weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist, wenn sie nicht einmal mehr bis zum Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist warten können.

Selten kommt der Rauswurf für Arbeitnehmer aus dem Nichts. Denn zuvor haben sie meist schon mindestens eine Abmahnung erhalten: eine Gelbe Karte mit dem Hinweis, dass im Wiederholungsfall die Rote Karte droht, die außerordentliche Kündigung. Dabei muss die Abmahnung in einem "inneren Zusammenhang" zur Kündigung stehen, sich also auf eine vergleichbare Pflichtverletzung beziehen.

Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?

Bisweilen ist eine fristlose Kündigung allerdings auch ohne vorherige Abmahnung möglich: bei einem schwerwiegenden Fehlverhalten. Sobald Arbeitgeber davon erfahren, bleiben ihnen zwei Wochen Zeit für eine fristlose Kündigung. Zu den möglichen Gründen zählen:

Eine fristlose Kündigung ist dabei die ultima ratio, das letzte Mittel. Arbeitgeber müssen zunächst alle milderen Reaktionen prüfen und ausschöpfen. Neben Ermahnungen und Abmahnungen können das eine Versetzung, eine Änderungs- oder eine fristgerechte Kündigung sein.

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Zudem ist stets eine Interessenabwägung Pflicht, wie auch die Anhörung des Betriebsrats. Zu berücksichtigen sind beispielsweise die Dauer der Betriebszugehörigkeit, vorherige Pflichtverletzungen, die Höhe eines verursachten Schadens, der Grad des Verschuldens, die Reaktion eines ertappten Mitarbeiters und nicht zuletzt auch die Wiederholungsgefahr. Denn nach dem Arbeitsrecht kann es hier nicht etwa um eine Bestrafung gehen, sondern vor allem darum, eine Wiederholungsgefahr zu vermeiden.

Wenn die Vorwürfe für eine sofortige Trennung nicht ausreichen, schmettern Gerichte eine fristlose Kündigung ab. Denkbar ist dann jedoch eine reguläre verhaltensbedingte Kündigung: Die gesetzliche Kündigungsfrist wird eingehalten, so lange ist der Mitarbeiter weiter im Unternehmen beschäftigt.

Wichtige Urteile und ihre Folgen

In einer Metzgerei mussten sich Mitarbeiter bei Pausen per Chip an der Stempeluhr ab- und wieder anmelden. Ein Mitarbeiter wurde beobachtet, wie er bewusst wochenlang seinen Chip so verdeckte, dass das System seine Pausen nicht aufzeichnete. Damit erschlich er sich fast vier Stunden bezahlte Arbeitszeit. Folge: die fristlose Kündigung.

Ein Versehen konnte das Hessische Landesarbeitsgericht nicht erkennen, denn das Zeiterfassungsgerät gab bei jeder An- und Abmeldung einen Piepton von sich. Der vorsätzliche Arbeitszeit-Betrug berechtigte den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung: Eine Abmahnung hielten die Richter für entbehrlich; auch wog der Vertrauensbruch schwerer als die lange Betriebszugehörigkeit von 26 Jahren (Urteil vom 17. Februar 2014, Aktenzeichen 16 Sa 1299/13 ).

Für großes Aufsehen sorgten sogenannte Bagatellkündigungen, wenn Arbeitgeber Mitarbeitern Eigentumsdelikte vorwarfen, mitunter wegen Cent-Beträgen. Am bekanntesten ist der Fall Emmely: Fristlos gekündigt nach 31 Dienstjahren wurde eine Supermarktkassiererin, die Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll. In weiteren Fällen ging es um eine ausrangierte Kantinenküche, um acht halbe verfrühstückte Brötchen, um zwei Bulletten, drei Schrauben und sogar um "Stromklau" durch Aufladen von Handys oder elektrischen Rollern (mit Schäden von 1,9 oder sogar nur 0,014 Cent). Oft verbergen sich dahinter schon länger schwelende Konflikte, wenn Arbeitgeber zum Beispiel versuchen, missliebige Mitarbeiter unter einem Vorwand loszuwerden.

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Um wie viel Geld es geht, spielt rechtlich jedoch nur eine Nebenrolle. Immer wieder urteilen Richter, selbst ein geringfügiger Schaden könne das Vertrauensverhältnis zerstören und somit eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Indes kamen sie auch oft zum Ergebnis, dass bei kleinen Verstößen eine lange, beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit stärker zu gewichten sei und die Mitarbeiter sich daher einen gewissen Vertrauensvorschuss erarbeitet hätten.

So schrieb der Fall Emmely Rechtsgeschichte: Am Ende hob das Bundesarbeitsgericht die Kündigung der Kassiererin als unverhältnismäßig auf (Urteil vom 10. Juni 2010, Aktenzeichen 2 AZR 5341/09 ). Eine Bagatellgrenze gebe es allerdings nicht, jeder Fall sei einzeln zu prüfen.

Das rät Tobias Werner, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht stellt hohe Anforderungen an fristlose Kündigungen. Die Praxis zeigt, dass hier die meisten Fehler passieren. Wer die fristlose Kündigung erhält, sollte deshalb prüfen, ob sie überhaupt gerechtfertigt ist. Dafür stehen Mitarbeitern aber nur drei Wochen zur Verfügung. Ist diese Frist verstrichen, können Mitarbeiter gegen die Kündigung nicht mehr klagen.

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