
Deutscher Gastronom im Irak "Hier liegt das Geld auf der Straße"
Auf der schwarz-rot-gold getünchten Mauer krümmt sich Stacheldraht. Gunter Völker, 49, sitzt davor im Garten seines Restaurants Deutscher Hof in Arbil. Es ist ein ruhiger Nachmittag im Norden des Irak. Erst kurz vor Sonnenuntergang werden die Gäste kommen und Schwarzbier und Spätzle und Rostbratwurst bestellen.
Fragt man Völker nach Deutschland, ist er etwas genervt: "Was will ich denn da?" In Deutschland lohne sich doch Leistung nicht. Das sieht auch seine Mutter so. Sie ist gerade zu Besuch in Arbil, zweimal pro Jahr fliegt sie rüber. Die 17 Mitarbeiter nennen sie alle nur "Mama". In Tabarz, ihrem Heimatdorf im Thüringer Wald, sind sie und ihr abenteuerlustiger Sohn beliebter Gesprächsstoff. Das macht ihnen nichts aus. "Das Geld liegt hier auf der Straße, nur bücken muss man sich danach", sagt Völker.
Der Thüringer hat aus dem Widerspruch von deutscher Gemütlichkeit und dem Chaos ehemaliger Krisengebiete ein Geschäftsprinzip gemacht: Bierhumpen und Kellnerschürzen statt Kalaschnikows und Flecktarn. Sein erstes Restaurant eröffnete er 2003 in der afghanischen Hauptstadt Kabul, das im Irak folgte 2005, ein drittes plant er gerade zusammen mit einem Partner in Sri Lanka. Nicht im ruhigen Süden des Landes, sondern im ehemaligen Bürgerkriegsgebiet im Norden der Insel.
Völker ist nicht verrückt und auch kein Adrenalin-Junkie. Seine Unternehmungen folgen einem Muster: Er sucht nach Orten, in denen es wenig Gastronomie und viele zahlungswillige Exilanten gibt. In denen es schwierig ist, aber nicht gefährlich.
Restaurant in Kabul: Von heute auf morgen geschlossen
In Arbil ist es ruhig, der letzte Anschlag liegt Jahre zurück. Das Gebiet ist unumstrittenes Hoheitsgebiet der kurdischen Regionalregierung. Streitigkeiten mit der Zentralregierung in Bagdad, wie es sie etwa im 100 Kilometer entfernten Kirkuk gibt, kennt man hier nicht. Die Region boomt dank der Ölförderung. Entlang der Hauptstraßen reiht sich Baustelle an Baustelle, und wer es sich in Arbils Vororten leisten kann, kauft in riesigen, amerikanisch anmutenden Einkaufszentren ein.
Völker mag es, wenn Aufbruch und Aufbau in der Luft liegen. Das begleitet ihn, seit er 26 Jahre alt war.
Damals war er mal "spazieren gegangen" auf den Demos gegen die DDR-Regierung und hatte einen Ausreiseantrag gestellt. Statt einer Genehmigung schickte ihm das Regime die Einberufung in die Nationale Volksarmee. Als er sechs Tage dort war, fiel die Mauer. Und Völker fand sich plötzlich wieder in der Armee eines Staates in Auflösung. Eine "schöne, heiße" Zeit sei das gewesen, sagt er heute.
Der gelernte Koch aus Thüringen blieb Soldat. Für die Bundeswehr kochte er in Sarajevo und im Kosovo, schnell wurde sein Lager zum Treffpunkt für Zivilisten und Soldaten, Einheimische und Ausländer. Da merkte er, dass es eine Alternative zu Bundeswehr und langweiligen Kochjobs in Deutschland gibt.
Zusammen mit einer Nichtregierungsorganisation wagte er sich an die Restauranteröffnung in Afghanistan. Eine "aufstrebende Stadt" sei Kabul damals gewesen, sagt Völker. Zum Lokal kam ein Ausbildungszentrum, die Geschäfte liefen gut, vier Jahre lang. Dann wurde es dem Deutschen zu gefährlich, er haute ab. Seine Mitarbeiter schlossen eines Abends die Tür zu und kehrten am nächsten Tag einfach nicht wieder. Die Einrichtung könnte noch immer dort stehen, meint Völker. Er weiß es nicht, es interessiert ihn auch nicht. 30.000 investierte Euro hat er abgeschrieben.
"Wir sind eine kleine Uno"
Viel wichtiger ist ihm jetzt, dass der Kellner aus Sri Lanka den Cocktail "Sex on the beach" richtig mixt. Das neue Restaurant soll er zusammen mit zwei Landsmännern selbständig führen. Völker hat die drei in den Irak einfliegen lassen, um ihnen zu zeigen, wie sein Geschäft funktioniert.
Zwölf Stunden täglich hat der Deutsche Hof geöffnet, von zwölf Uhr mittags bis Mitternacht, sieben Tage die Woche. Nur an Heiligabend ist geschlossen. Das Bier wird aus Deutschland importiert, rund fünf Euro kostet ein halber Liter aus dem Fass. Die Bratwurst produzieren sie selbst vor Ort, nach deutschem Rezept, versteht sich. Für umgerechnet 9,50 Euro gibt es Sauerkraut, Kartoffelbrei und Soße dazu. Das essen auch die Einheimischen gern. Die 260 Sitzplätze des Restaurants sind häufig belegt, mit 250 bis 300 US-Dollar Trinkgeld können die Kellner im Monat rechnen.
Völker hat 17 Mitarbeiter, 800 bis 1800 US-Dollar Monatslohn zahlt er ihnen. Der Küchenchef ist ein irakischer Christ, der vor antichristlichen Ausschreitungen in Mosul geflohen ist. Sein Cousin ist Schichtleiter. Hier arbeiten sie mit Muslimen, Hindus, Buddhisten, Katholiken, Jesiden und Protestanten zusammen.
Völker ist stolz darauf: "Wir sind eine kleine Uno." Es gebe nur die üblichen Reibereien, sonst klappe es ganz gut. Nur die Sache mit dem "Sex on the beach" will nicht so recht gelingen. Auch der zweite Versuch stellt den Chef nicht zufrieden. Er bestellt einen dritten Cocktail.

Rico Grimm (Jahrgang 1986) ist freier Journalist in Berlin. Als er bei Gunter Völker Schwarzbier trank, war das für ihn eine doppelte Heimkehr. Denn zehn Kilometer entfernt von der deutschen Brauerei ist er aufgewachsen.Website: Rico Grimm, Reporter