Erste Hilfe Karriere Verkauft euch nicht so billig!

Seltener Anblick: Bitte dieses Foto ausdrucken und aufheben
Foto: Corbis"Hauptsache, ich kann mich selbst verwirklichen. Geld ist nicht so wichtig." So etwas höre ich oft, wenn Kreative sich zu billig verkaufen. Freie Journalisten und Designer werden schon mal für unakzeptable Tagessätze unter 180 Euro angeheuert. So eine Summe kann man hin- und herrechnen, wie man will: Wer über der Hartz-IV-Schwelle bleiben will, außerdem auf den Urlaub sparen und für Krankheiten vorsorgen möchte und nicht gleichzeitig einen reichen Partner hat, braucht mehr.
Es gibt noch andere schlecht bezahlte Berufsgruppen: Dozenten etwa, oder auch Eventmanager. Diese hangeln sich oft von einer Honorar-Katastrophe zur nächsten. Und Kulturarbeit - vergesst es! Eine Regieassistentin kann sich über pauschal 1500 Euro für einen Monat schon richtig freuen. Für den Film arbeiten viele eh umsonst. Und das meine ich im doppelten Sinn, denn Fuß fassen - mit der Aussicht auf gute Honorare - können dort nur wenige.
Das Grundproblem ist aber die Verhandlungsbereitschaft der Arbeitnehmer. Kreative sind keine Zockernaturen. Und es ist kein Zufall, dass die besonders schlecht bezahlten Kulturschaffenden häufig Frauen sind, denn echter Verhandlungswille ist bei ihnen nur in homöopathischen Dosen vorhanden.
Vollkommen kontraproduktiv ist der Hang vieler Kreativer, zuallererst einen Sinn in der Arbeit zu suchen - und bei dieser Sinnsuche das Thema Geld völlig auszuklammern. Haben sich manche Damen (und natürlich auch der eine oder andere Herr) schon gefragt, warum sich gut verdienende Manager so äußerst gern mit ihnen umgeben? Bitte sagen Sie jetzt nicht, das sei Liebe. Es ist Berechnung.

Selbständig in den Medien: Freie Journalisten als Niedriglöhner
Insgesamt erstaunt, mit welch einfachen Argumentationen die Honorare oft gedrückt werden.
- "Bei uns bekommen alle das gleiche", behaupten Arbeitgeber gern, die ihre Ruhe haben wollen. Wer mit diesem Satz abgespeist werden soll, kann sich sicher sein: Das stimmt nicht. Ich berate unterschiedliche Kunden, die für das gleiche Unternehmen, die gleiche Agentur oder den gleichen Verlag arbeiten. Die Spanne ist enorm, 100 Prozent Unterschied sind drin.
- Nicht selten stellen sich die Freiberufler mit Totschlagargumenten selbst kalt. Besonders beliebt als Rechtfertigung mickriger Gehälter: "Sonst bekomme ich den Auftrag nicht." Der Auftrag ist ihnen aber inhaltlich wichtig, egal wie lausig die Besoldung ausfällt. Sowas kann man natürlich mal machen - wer das Spiel aber immer wieder mitmacht, drückt seinen eigenen Marktwert.
- "Nehme ich den Auftrag nicht an, stehen gleich 100 andere da, die das machen", auch diesen Satz habe ich unzählige Male gehört. In der Tat kann das passieren. Nur sind diese Aufträge dann auch nicht die richtigen. "Das kann man sich doch nicht aussuchen", kommt dann als Antwort. Oh doch, das kann man. Man muss manchmal Nein sagen und Türen schließen, damit andere aufgehen.
Wenn diese Türen doch zu bleiben, hat das manchmal auch mit fehlenden Kompetenzen zu tun. Es geht heute in redaktionellen Berufen nicht mehr nur darum, schön zu schreiben, sondern oft auch um Kenntnisse zu Online-Marketing, Videodreh, Social Media oder Infografik. Jobs finden sich längst nicht mehr nur bei Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch bei Internetportalen, E-Learning-Anbietern, Blogbetreibern und Firmen, die Publikationen für Kunden herausgeben. Ich kenne einige, die sich dieser Einsicht komplett verweigern, weil sie all das nicht für Kultur halten. Diese Haltung macht nicht gerade konkurrenzfähig. Wer das bewusst so haben will - okay. Alle andere sollten sich doch mal aktuelle Kursprogramme anschauen.
"Aber wie soll ich denn verhandeln", fragen Sie sich jetzt. Wer nach einer Honorarvorstellung gefragt wird, nennt natürlich nie die, die er für realistisch hält, sondern legt noch fünf bis zehn Prozent oben drauf; man spricht vom verhandlungsstrategischen Idealziel. Wollen Sie also 350 Euro Tagessatz, steigen Sie mit 385 Euro ein. Genehmigt man Ihnen 385 ohne Murren, waren Sie zu billig. Beim nächsten Mal dann noch mehr nehmen. Murrt man, bieten Sie erstmal 372,50 Euro an (krumme Zahlen hauen Ihr Gegenüber um!) und gehen dann in kleinen Schritten noch weiter runter. Landen Sie unter 350 Euro, schreiben Sie das als Sonderpreis und nur für die Einstiegsphase aus, damit Sie später nochmal zulegen können.
Legen Sie bei Gesprächen unbedingt einen Wert fest, den Sie auf gar keinen Fall unterschreiten. Eine Kundin aus dem PR-Bereich, schon recht erfahren, hatte als innere Untergrenze 70 Euro pro Stunde festgelegt. "Dann passt das nicht", sagte der Auftraggeber. Und kam einen Tag später doch an - bereit, den gewünschten Satz zu zahlen. Die Angst vor dem Nein ist der größte Honorar- und Gehaltskiller überhaupt. Man muss sie ausschalten, sonst ist man nicht auf Augenhöhe.
Auch IT-Kräfte können Selbst-Dumping
Denken Sie auch über eine alternative Honorargestaltung nach, etwa mit einer Pauschale. Das ist oft eine bessere Lösung für sehr erfahrene Leute, die schnell sind und auf Stundenbasis im Nachteil wären. Tagessätze sollten nie einer Flatrate entsprechen, sondern immer für einen angebrochenen Tag bis maximal 8 Stunden gelten. Jede weitere Stunde kostet - mit Zuschlag. Viel lernen kann man hier aus der IT-Branche, in der sich freiberuflich immer noch sehr viel Geld verdienen lässt. Manche IT-Fachleute berechnen jeden angebrochenen Tag, auch wenn sie nur zwei Stunden aktiv sind.
Das Phänomen des Selbst-Dumpings gibt es aber selbst hier. Ein Kunde, Java-Entwickler, erzählte mir, dass in seinem aktuellen Projekt die Spanne zwischen 40 und 80 Euro pro Stunde liegt. Alle machen das gleiche, die großen Unterschiede sind also das Ergebnis individueller Verhandlungsführung. Der Geschäftsführer fragt zuerst, was jemand haben will. An der Antwort sieht er, wie unterschiedlich Menschen ihren Marktwert einschätzen - das weiß jeder Unternehmer. Und wenn jemand mit seiner Honorarforderung sehr niedrig liegt, sagt kein Unternehmer freiwillig: "Ich zahl dir das Doppelte." Denn irgendwie kommt da auch das Gefühl auf, dass die Leistung nicht so professionell sein kann.