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Job & Karriere

Fünf Geistesblitze Mein Aha-Moment

Mal setzt es im Beruf Nackenschläge, mal ruft man: Heureka! Und schon nimmt das Leben eine jähe Wendung. Von magischen Augenblicken erzählen Schauspieler Armin Rohde und Politikerin Claudia Roth, eine Bestsellerautorin, ein Cafégründer und ein Nobelpreisträger.

  • Ein Heimathafen für die digitale Boheme

Foto: dpa Picture-Alliance / Stephanie Pilick/ picture alliance / dpa

"Wenn der Punkt kommt, an dem alle sagen: 'Das schaffst du nicht', dann muss man zurückgehen zu dem Heureka-Moment, mit dem alles begann. Und wenn man feststellt, dass man die Idee immer noch richtig findet: einfach weitermachen. Dieser eine ursprüngliche Moment kann einen leiten, wie eine innere Fackel.

Bei mir passierte das, als ich merkte, was für eine Geschichte das Haus hat, in dem jetzt das 'St. Oberholz' ist. Das Gebäude am Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte war mir schon immer aufgefallen. Vor neun Jahren hatte ich die Anteile meiner Werbeagentur gerade verkauft, arbeitete als Freelancer - und hörte kurz nacheinander, dass in diesem tollen Haus in den zwanziger Jahren eine Filiale der legendären Aschinger-Kette war und dass eine Freundin es zur Pacht angeboten bekam.

Ich hatte gerade Alfred Döblins 'Berlin Alexanderplatz' wieder gelesen und realisiert, dass sein Franz Biberkopf dort immer saß. Ein magischer Moment, wie ein Ruf, ein Rausch. Mir war klar: Das ist es - wir müssen es zurückführen zu dem, was es einmal war. Ein Gasthaus für eine neue Berufskaste - was damals die Angestellten waren, ist heute die digitale Kreativbranche. Drei Monate später eröffneten wir das Café."

Ansgar Oberholz, 41, Gründer des Café St. Oberholz


  • Eine Ente, sechs Erpel und ein Aufschrei

Foto: Uwe Zucchi/ picture alliance / dpa

"Man hat ja öfter mal einen Gedankenblitz, verfolgt aber nicht jeden. Ich habe ein Talent dafür zu merken, wenn ein Thema in der Luft liegt, das war schon so, als ich noch für Rundfunk und Fernsehen arbeitete. Im Sommer '94 kam ich gerade von einem Dreh, hatte eine Woche frei und setzte mich mit dem Liegestuhl in den Garten, neben mir ein Stapel Magazine und Zeitungen, vor mir der Bodensee. Das damalige Sommerlochthema war Impotenz - im SPIEGEL, im 'Stern', überall.

Auf dem See schwamm eine Ente, die von sechs Erpeln gejagt wurde: drei hinter ihr her, drei ruhten sich aus, dann umgekehrt. Ich rette jeden Regenwurm von der Straße, aber in diesem Moment dachte ich: Hätte ich ein Luftgewehr, würde ich die Erpel abknallen. Ich war als blonde junge Frau selbst oft die Gejagte. Also dachte ich: Euch wünsche ich ein paar Stunden Impotenz, nein, besser: ein paar Wochen! Da war klar: Das ist eine Geschichte.

Ich ließ alles liegen, tippte fünf Seiten Roman-Exposé und schickte es sofort an den Fischer-Verlag. Der Rückruf kam vier Tage später. Binnen sechs Wochen schrieb ich meinen ersten Roman. 'Suche impotenten Mann fürs Leben' erschien trotzdem in einem anderen Verlag. Mit seinen Geistesblitzen kommt man nicht immer durch: Weil sie Veränderung mitbringen - und die wollen manche eben nicht."

Gaby Hauptmann, 56, Schriftstellerin


  • Aus der Band-Kommune zu den Grünen

Foto: Schuh, Florian/ dpa

"Eigentlich wollte ich an jenem Sommermorgen 1985 nur prüfen, ob die Anzeige in der 'taz' gut aussieht: Werbung für das letzte Live-Album von Ton Steine Scherben, die ich damals managte. Ich schlug die Zeitung auf - und sah direkt neben unserer Anzeige eine Stellenausschreibung der Grünen. Sie suchten eine Pressesprecherin für ihre Bundestagsfraktion.

Es war ein Fingerzeig. Die Scherben hatten gerade ihre Auflösung beschlossen, ich brauchte etwas Neues. Wir saßen gemeinsam am Frühstückstisch der Kommune, der Gitarrist Lanrue sagte sofort: 'Das ist dein Job!' Ich hatte am Theater gearbeitet und Bands gemanagt, da dachte ich: Die Politik ist auch eine Bühne.

Keiner von uns hatte je eine Bewerbung geschrieben. Wir überlegten, wer mir ein Zeugnis ausstellen sollte, Rio Reiser oder die befreundeten Toten Hosen. Und so schickte ich einen handschriftlichen Brief samt Bandfoto und drei Platten nach Bonn. Zum Vorstellungsgespräch trug ich ein schwarzes Lederkostüm mit Nieten - ich wollte mich nicht verkleiden. Und bekam den Job trotzdem.

Das hat mir später Mut gemacht, auch zu probieren, was auf den ersten Blick nicht passte. Ich sage jungen Leuten, wie wichtig Erfahrungen außerhalb der Politik sind. Das macht unabhängig. Und ich achte darauf, dass bei uns auch Quereinsteiger eine Chance bekommen."

Claudia Roth, 58, Grünen-Vorsitzende


  • Nobelpreis-Idee auf dem Highway

Foto: Rhonda Birndorf/ ASSOCIATED PRESS

"An einem Freitagabend war ich mit meiner Freundin unterwegs zu meiner Waldhütte in Mendocino. Am Steuer auf Bergstraßen kann ich am besten denken. Ich suchte nur eine Lösung für ein technisches Problem - nie hatte ich vor, Gene zu klonieren, das war Science-Fiction.

Zehn Minuten vor der Hütte war plötzlich alles klar. Ich hielt mitten auf dem Highway 128 und stieg aus. Gefährlich, aber egal, der Heureka-Moment war stärker und ich kurz vorm Ausflippen. Auf einem Notizzettel rechnete ich nach. Ich weckte meine Freundin, sie winkte nur ab. Sie wusste, dass meine Ideen meist nicht funktionierten. Aber ich sagte: Wenn das klappt, bekomme ich den Nobelpreis. Da wir übers Wochenende weg waren, ohne Telefon, musste ich bis Montag warten, um zu prüfen, ob diese Theorie noch nie veröffentlicht und widerlegt worden war. Es war so simpel, ich konnte mir nicht vorstellen, dass darauf noch keiner gekommen war. Erst nach einer Flasche Rotwein konnte ich einschlafen. Das war 1983.

Als ich 1993 den Nobelpreis bekam, klauten Freunde das kleine Schild mit der Meilenanzeige 46,6, wo ich damals angehalten hatte. Es steht in meinem Garten."

Chemie-Nobelpreisträger Kary Mullis, 68, entwickelte die Polymerase-Kettenreaktion, ohne die es nicht möglich wäre, die DNA außerhalb eines lebenden Organismus zu vervielfältigen; die Molekularbiologie-Forschung wäre nicht so weit, wie sie heute ist.


  • Bergmannssohn, von Pinas Zauber entflammt

Foto: Horst Ossinger/ picture alliance / dpa

"Eigentlich wollte ich nur ein Mädchen aus meiner Klasse beeindrucken, in seiner Nähe sein, einen Abend den Sommerduft seiner Haut einatmen. Also besorgte ich zwei Karten für 'Le sacre du printemps' von Pina Bausch im Tanztheater Wuppertal. Von Theater oder Tanz hatte ich keine Ahnung, doch damals, 1975, begann Bausch gerade international zur Kulturikone zu werden. Ich war noch nie in einem ihrer Stücke gewesen, kam aber jeden Tag auf dem Schulweg am Theater vorbei.

Auf der Bühne ging ein tiefstehender Scheinwerfer an, Morgenlicht, man sah ein Quadrat aus braunem Torf, dann die ersten Töne wie von weit her, die Tänzer kamen auf die Bühne mit dünnen, flatternden Kleidern. Alles in größter Schlichtheit. Das war ein magisches Erlebnis, ein positiver Schock - diesen Zauber kann man rational nicht erklären. Das Mädchen war vergessen. Von diesem Moment an hatte ich den Wunsch, zu den Menschen zu gehören, die so ein Gefühl auslösen können.

Ich schlich mich oft in die Proben, fand heraus, wo die Tänzer nach der Aufführung hingingen, saß am Nebentisch. Kurz darauf, zwei Wochen vor dem Abitur, ging ich von der Schule, halb flog ich, halb brach ich ab. Ich machte jede Menge Jobs und saß stundenlang in der Fußgängerzone im Café, Zigarette in der Hand, versuchte cool zu wirken und wartete darauf, entdeckt zu werden. Aber werden Sie in Wuppertal mal entdeckt. Bis zur Bewerbung an der Schauspielschule hat es ein paar Jahre gedauert. Ich wusste einfach nicht, dass es so etwas gibt: Schauspielschulen."

Schauspieler Armin Rohde, 58

Aus SPIEGEL JOB 1/2013

Die Geschichten zu den Aha-Momenten sind ein Beitrag aus dem Magazin SPIEGEL JOB mit Beiträgen aus der Berufswelt - für Einsteiger, Aufsteiger, Aussteiger. Weitere Themen sind zum Beispiel: Die Sinn- und Glückssucher der Generation Y. Gripsgewinnler - Karrierefaktor Intelligenz. Geschichten vom Gelingen und Scheitern. Wie junge Deutsche ihr Glück in Hollywood versuchen. Und noch viel mehr. Schauen Sie doch mal rein.Heft bei Amazon: SPIEGEL JOB 1/2013 

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