In Kooperation mit

Job & Karriere

Bedingungsloses Grundeinkommen 12.000 Euro zu verlosen

Utopie oder Zukunftsmodell? Das bedingungslose Grundeinkommen ist umstritten. Viele halten es für unfinanzierbar. Ein Berliner will die Idee trotzdem ausprobieren - und verlost 12.000 Euro für ein Jahr Nichtstun.
Bedingungsloses Grundeinkommen: 12.000 Euro zu verlosen

Bedingungsloses Grundeinkommen: 12.000 Euro zu verlosen

Foto: Britta Pedersen/ picture alliance / dpa

Barfuß und mit einem abgewetzten Jutebeutel über der Schulter tritt der Berliner Michael Bohmeyer auf, um seine politischen Ideen zu verteidigen. Es geht um viel Geld: Was würde passieren, wenn alle Menschen vom Staat plötzlich ein Grundeinkommen bekämen - frei von Auflagen oder Bedingungen? "Probieren wir es aus!", sagt Bohmeyer.

Der 29-Jährige hat die Initiative "Mein Grundeinkommen"  gegründet. Per Crowdfunding sammelt der Verein aus Kreuzberg 12.000 Euro, um sie anschließend zu verlosen: Ein Mann oder eine Frau soll ein Jahr lang das Grundeinkommen im echten Leben ausprobieren - mit monatlich 1000 Euro. Eine Gegenleistung muss nicht erbracht werden.

Über 300 Menschen hätten das Projekt bereits mit Spenden unterstützt, sagt Bohmeyer, teils mit Kleinstbeträgen. Das zeige, wie groß das Interesse sei. 1000 Euro zusätzlich im Monat scheinen verlockend: "Ich würde meine Doktorarbeit fertig schreiben und einen Bonbonladen aufmachen", schwärmt ein Unterstützer. "Ich würde Karl Marx lesen, Flüchtlingen helfe und jeden Tag Yoga machen", meint ein anderer.

Fotostrecke

Männer- und Frauen-Gehälter: Der kleine Unterschied

Foto: Corbis

Das bedingungslose Grundeinkommen gilt als revolutionäre Idee vor allem linker Politiker und Intellektueller. Die Piratenpartei, aber auch Teile der Grünen und der Linken fordern ein solches Bürgergeld. Ein prominenter Vorkämpfer ist auch Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm. Kern des Konzepts: Arbeit und Einkommen werden entkoppelt. Wer sich mehr leisten will, soll sich die entsprechende Arbeit suchen. Das Grundeinkommen gibt's weiterhin in voller Höhe.

Er selbst lebe preiswert, sagt Bohmeyer. Zeit zu haben, sei ihm wichtiger als Geld. Mit Frau und Tochter lebt er in einer kleinen Mietwohnung, mittags speist er in einer Sozialküche. Bohmeyer ist Webentwickler, gründete mit Erfolg ein Internet-Startup. Mit diesem verdient er nun monatlich knapp 1000 Euro, ohne selbst noch mitarbeiten zu müssen.

Wird man lethargisch oder kreativ?

Dieses "Schmalspur-Grundeinkommen" habe sein Leben radikal verändert, sagt der junge Mann. Nach seiner Ansicht ist es ein Irrglaube, dass Menschen mit einem Grundeinkommen nur noch die Füße hochlegen würden. Vielmehr würden Freiräume geschaffen, es entstünde Platz für Kreativität und Schaffensdrang: "Im bedingungslosen Grundeinkommen schlummert eines der größten Potenziale, unsere Gesellschaft einen Schritt nach vorne zu bringen."

Alexander Spermann würde dem nicht einmal widersprechen. Beim Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn beschäftigt er sich seit Jahren mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. Entsprechende Versuche in Namibia hätten gezeigt, dass Menschen keineswegs in Lethargie verfielen, sobald sie sich nicht mehr um das Einkommen kümmern müssten: "Im Gegenteil: Sie nehmen plötzlich Dinge in die Hand, die man ihnen gar nicht zugetraut hätte."

In Deutschland ist die Quote der Langzeitarbeitslosen seit Jahren konstant hoch, viele Menschen ohne Berufs- und Schulabschlüsse leben perspektivlos. "Unser gegenwärtiges soziales Sicherungssystem muss sicherlich weiterentwickelt werden", sagt Spermann. Die Berliner Idee, das Grundeinkommen zu verlosen, lehnt der Forscher dennoch ab. Nur das Verhalten einer Einzelperson zu untersuchen, sei nicht repräsentativ. Für eine ernsthafte Untersuchung müssten größere Bevölkerungsgruppen über einen längeren Zeitraum einbezogen werden.

Michael Bohmeyer will seinen Versuch trotzdem wagen. Das Wichtigste sei, dass die gesellschaftliche Debatte dazu wieder in Gang komme, sagt er. Sein Projekt scheint jedenfalls zu klappen, die ersten 12.000 Euro hat er zusammen. Und Bohmeyer will weitersammeln: "Für das zweite, dritte und weitere Grundeinkommen."

Haiko Prengel/dpa/end
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren