Zeitvergleich Frauen arbeiten 23 Prozent weniger als Männer

Berufstätige Mutter: Je mehr Kinder, desto weniger Stunden
Foto: CorbisNicht nur beim Gehalt, auch bei der Arbeitszeit öffnet sich eine enorme Schere zwischen Männern und Frauen: Frauen arbeiten im Durchschnitt neun Stunden kürzer pro Woche als Männer in ihrem Beruf. Sozialwissenschaftler bezeichnen das als "Gender Time Gap", als Geschlechterlücke bei der Arbeitszeit - mit den entsprechenden Nachteilen bei Karriereaussichten und Gehalt.
Während männliche Angestellte oder Beamte im Jahr 2013 auf eine Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 39,6 Stunden kamen, waren es bei Frauen 30,3 Stunden. Das zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
In den letzten 20 Jahren ist der Arbeitszeitunterschied sogar gewachsen und beträgt inzwischen 23 Prozent. Ursache: Männer und Frauen sind höchst ungleich auf die einzelnen Arbeitszeitgruppen verteilt. "64 Prozent der Männer arbeiten in einer 'Normalarbeitszeit' zwischen 36 und 40 Stunden die Woche", schreiben die Autorinnen Christina Klenner und Sarah Lillemeier, "ein weiteres Fünftel arbeitet länger als 40 Stunden."
Dagegen arbeiten nur vier von zehn Frauen Vollzeit; sieben Prozent der Frauen haben Arbeitszeiten über 40 Stunden. Aber: "Immer häufiger finden sich Frauen in den Arbeitszeitgruppen im Teilzeitbereich", so die Forscherinnen. Statistisch machen sich dabei besonders die Arbeitszeitgruppen zwischen 15 und 30 Wochenstunden (ein Drittel der Frauen) sowie unter 15 Stunden (jede siebte Frau) bemerkbar.
Sehr klassische Rollenverteilung
Jobs mit so kurzen Arbeitszeiten, warnen die Forscherinnen, sichern nicht einmal die Existenz. Und sie wirken sich massiv auf das Durchschnittseinkommen von Frauen aus. Dieser "Gender Pay Gap", der Geschlechterunterschied beim Einkommen, liegt durchschnittlich bei 22 Prozent.
Besonders groß ist die Arbeitszeit-Lücke zwischen Männern und Frauen, wenn Kinder im Haushalt leben. Besonders in Westdeutschland fällt auf, dass jedes zusätzliche Kind den "Gender Time Gap" noch vergrößert: Den WSI-Zahlen zufolge verdoppelt bei den Arbeitszeiten bereits ein Kind den Unterschied von sieben Stunden (Frauen und Männer ohne Kinder) auf fast 15 Stunden.
"Der mit der Kinderzahl wachsende Unterschied bei den Arbeitszeiten zwischen Männern und Frauen gründet nahezu ausschließlich auf den kürzeren Arbeitszeiten der Frauen. Die Arbeitszeiten der Familienväter bleiben relativ stabil, unabhängig davon ob bzw. wie viele Kinder im Haushalt leben", heißt es beim WSI. Dabei haben die Forscherinnen sogar einen kuriosen Effekt beobachtet: Je mehr Kinder eine Frau hat, desto geringer ist ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit als Angestellte - bei Männern dagegen steigt die Zahl der Arbeitsstunden sogar.
"Teilzeit als Instrument zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird hauptsächlich von Frauen genutzt", so die WSI-Forscherinnen: Die Teilzeitquote von Müttern beträgt aktuell 70 Prozent, bei Frauen ohne Kinder ist sie nur halb so hoch. Auch hier reagieren die Männer anders auf Kinder: Väter arbeiten sogar deutlich seltener in Teilzeit (sechs Prozent) als männliche Angestellte ohne Kinder (zehn Prozent) - eine noch immer sehr traditionelle Rollenverteilung.
Was bedeutet...
Das ist der Fachbegriff für Bezahlungsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Die Angaben dazu klaffen weit auseinander, je nachdem welche Faktoren man wie stark gewichtet oder ganz herausrechnet. Dazu zählen zum Beispiel der Einfluss von Babypausen, von Teilzeitarbeit oder der beruflichen Vorlieben von Frauen und Männern.
Pro Stunde verdienen Männer in Deutschland durchschnittlich 20,20 Euro und Frauen 15,83 Euro - rein statistisch, quer durch alle Berufe und Qualifikationen. In Ostdeutschland ist die Verdienstlücke deutlich geringer als im Westen. Über Lohngerechtigkeit in vergleichbaren Tätigkeiten sagen diese 22 Prozent Differenz allerdings wenig aus. Etwa zwei Drittel des Unterschieds entstehen dadurch, dass Frauen häufiger in Teilzeitjobs und in schlechter bezahlten Berufen arbeiten; traditionelle Männerberufe etwa in der Industrie sind meist besser dotiert als zum Beispiel Jobs im Gesundheits- und Sozialwesen. Hinzu kommt: Mütter nehmen weit häufiger und länger Kinder-Auszeiten als Väter, und sie kehren auch häufiger auf Teilzeit- statt auf Vollzeitjobs zurück. Selbst bei ähnlicher Qualifikation und ähnlicher Tätigkeit bekommen Frauen durchschnittlich sieben Prozent weniger als männliche Kollegen - das klingt nicht so skandalös wie 22 Prozent, ist aber immer noch ein bemerkenswerter Unterschied. jol