
Generation Y: Was wir sein wollen, wenn wir groß sind
Glück- und Sinnsuche im Job Die Andersmacher
Ein Café, gemütlich wie ein Wohnzimmer, an einem Samstagnachmittag in Köln: handgeschriebene Speisekarten, Kronleuchter an der Decke, die Torte kommt auf Goldrandtellerchen. Die Gäste: hauptsächlich junge Frauen mit grobgestricktem Schal und großer Brille. Sie hocken auf weißgestrichenen Flohmarkt-Stühlen, viel zu viele für den kleinen Raum.
Mittendrin: Nina Ebert, 29 Jahre alt und "eine richtige Kaffeetante", so nennt sie sich selbst. Kaffeetante ist Ninas Beruf. Bei Miss Päpki serviert sie Cappuccino, quatscht mit den Gästen, kassiert, organisiert. Vor allem aber backt sie Kuchen. Ihre Spezialitäten sind Schweizer Schokoladenkuchen und Brownie Cheesecake.
Nina ist unfassbar überqualifiziert für diesen Job. Sie hat Biologie studiert, ihren Master in der Tasche und müsste eigentlich, wenn alles so gelaufen wäre, wie Eltern oder Karriereberater das gern hätten, gerade an ihrer Doktorarbeit sitzen. Aber Nina hat sich anders entschieden. Vorletzten Sommer verabschiedete sie sich von Bienen, Genforschung und allem anderen, was die Biologie ihr noch bieten könnte.
"Ich habe Wissenschaftler gesehen, die ihr ganzes Leben im Labor verbringen, die für ihre Aufgabe brennen", erzählt Nina. "Ich konnte das nicht. Das war nicht meins." Stattdessen heuerte sie bei einer Freundin an, die in Köln das Miss Päpki aufgemacht hatte - und eine Konditorin und Kellnerin suchte. "Ich freue mich morgens auf die Arbeit", sagt Nina, die auch früher schon mit Leidenschaft Torten buk. "In der Forschung wäre ich nicht glücklich geworden."
"Typisch", sagen an dieser Stelle Soziologen, Personalchefs, Psychologen. Sie haben sich längst ein Bild von Menschen wie Nina gemacht, von diesen jungen Leuten, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt ihr Glück suchen. Sie haben ihnen viele Namen verpasst: Digital Natives, Generation Praktikum, Millennials, Generation Y. Keine Altersklasse wird derzeit so fleißig erforscht wie Akademiker zwischen 25 und 35 Jahren. Und kaum einer Altersklasse werden so viele Etiketten angeheftet: Faulpelze, Weicheier, Traumtänzer, Dickköpfe, Selbstverwirklicher, Facebook-Junkies. Aber auch: Alleskönner, Multitasker, Weltverbesserer, Teamplayer.
Fähig und auch seltsam eigensinnig - wie tickt diese Generation?
Die Frage ist: Sind die wirklich so? Verwöhnte Tagträumer, die zwar fähig, aber auch seltsam eigensinnig sind? Denen Statussymbole, Dienstwagen, monströse Gehälter nichts, aber Familie und Freunde alles bedeuten?
Zu einer "Generation Irgendwas" gehören, das will natürlich niemand. Klingt nach: Schublade auf, Leute rein, Schublade zu. Wissenschaftlich gesehen sind solche Etiketten ohnehin Blödsinn. "In den Sozialwissenschaften ist es hochumstritten, ob das Generationenkonzept etwas taugt", sagt David Bebnowski vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Schon bei den Achtundsechzigern - der Mutter aller Generationen - sei nur ein kleiner Teil auf die Straße gegangen und habe protestiert. "Aber es waren die markantesten Vertreter ihrer Altersklasse: gebildete Leute, die viele Flugblätter, Reden und Schriften hinterlassen haben. Deshalb hat man sie sich gemerkt", sagt Bebnowski.
Die seriöse Wissenschaft rechnet mit Kohorten, Altersgruppierungen. Aber "die Geburtskohorte 1980-1990" klingt so unsexy, dass niemand etwas darüber lesen wollen würde, und natürlich hilft es, dem Baby einen charmanten Namen zu geben, wenn man mit anderen über seine Besonderheiten reden will.
Zudem lässt sich kaum abstreiten, dass Leute einer Altersgruppe in einer über Jahrzehnte stabilen Gesellschaft ähnliche Erfahrungen teilen - und viele sich entsprechend verhalten. Insofern muss man den Soziologen dankbar sein, wenn sie den heutigen Berufsanfängern bloß ein schlichtes Ypsilon anhängen, als natürliche Folge der Generation X, und kein blödsinniges neues Attribut à la "Generation Golf" ersinnen.
Es geht also darum, herauszufinden, was die Mittzwanziger bis Mittdreißiger heute ausmacht, was sie unterscheidet von ihren Eltern, die als größte technische Neuerung ihrer jungen Jahre die Computerisierung des Alltags erlebt haben.
Und, ganz klar, es sind vor allem Unternehmen, die wissen wollen, wie diese Generation tickt. Weil sie, angesichts von Fachkräftemangel und geburtenschwachen Jahrgängen, verzweifelt nach gutausgebildetem Nachwuchs suchen. Die Forschung nach den Vorlieben und Schwächen der Generation Y ist geleitet von wirtschaftlichen Interessen.
Nur noch kurz die Welt retten
Daher wissen wir, dass es auch heute noch Leute gibt, für die Hochzeit, Eigenheim und Kinder ganz oben auf der Wunschliste stehen - weit vor dem Job. Und es gibt die Karrierestreber, die wie in einem Computerspiel stets das nächste Level erreichen und dabei möglichst viele goldene Bonusmünzen sammeln wollen: Yeah, du hast es geschafft! Weiter so!
Letztere allerdings werden weniger. Fast ein Viertel aller Arbeitnehmer würde sich nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in diese Gruppe einsortieren - aber nur noch 19 Prozent der unter 30-Jährigen. Stattdessen finden die Soziologen immer mehr Leute, die alles anders machen wollen - die markanten Vertreter ihrer Altersklasse, für die das Ypsilon-Etikett erfunden wurde.
"Eine sinnvolle Aufgabe zu haben ist für sie das Wichtigste", sagt Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen. Für ihr Buch "Die jüngere Generation in einer alternden Arbeitswelt - Baby Boomer versus Generation Y" hat sie mehr als 250 internationale Studien ausgewertet. "Die Jungen wissen, dass sie noch mindestens 40 Arbeitsjahre vor sich haben", sagt Rump. "Und dass man das nur durchhält, wenn man von seiner Aufgabe hundertprozentig überzeugt ist."

Generation Y: "Macht den Mund auf!"
Sinnvolle Arbeit, sich wohl fühlen mit dem, was man tut, das steht auch für Nina Ebert an oberster Stelle. Als sie sich für das Studienfach Biologie einschrieb, hatte sie keinen festen Beruf im Kopf. Sie wählte Bio, weil sie tote Korallenriffe wiederbeleben, trockenresistentes Getreide entwickeln oder das Bienensterben bekämpfen wollte. "Die Welt ein bisschen besser machen", sagt Nina. Nach dem Master fing Nina deshalb bei einem Bienen-Forschungsinstitut bei Oranienburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin an, wollte promovieren.
Aber der Alltag als Wissenschaftlerin verlief anders als gedacht. Ninas Aufgabe: vor einem Inkubator hocken und Bieneneier beobachten. Stumpfsinnig sei das gewesen, "wie an der Kasse sitzen". Zumal die Erfolge ausblieben. Ziel war gewesen, ein Mittel zu finden, um die Varroa-Milbe zu bekämpfen - eine Verursacherin des Bienensterbens. Ihr Vorhaben scheiterte schon in Ansätzen, etwa am fehlenden Material. "Auf eine eigene Pipette musste ich drei Monate lang warten", sagt Nina. Irgendwann wollte sie nur noch weg.
Glücklicherweise gab es da noch das Angebot ihrer Miss-Päpki-Freundin. Nina tauschte Laborkittel gegen Konditorschürze - was nicht heißt, dass sie nicht ehrgeizig wäre. "Irgendwann möchte ich meine eigene Backstube aufmachen, am liebsten mit angeschlossener Pension", schwärmt sie. Im Garten wäre Platz für ein Bienenvolk. "Und zum Frühstück gibt's dann selbstgemachten Honig." Gerade liest sie ein Buch darüber, wie man Business-Pläne schreibt.
Ehrgeiz? Ja. Schon. Aber nicht zu jedem Preis.
"Junge Leute wollen durchaus etwas erreichen", sagt Jutta Rump, "aber nicht mehr zu jedem Preis." Viele hätten bei ihren Eltern gesehen, wohin das führen kann: Burnout, gescheiterte Ehe, keine Zeit für Familie.
Die Balance zwischen Beruf und Privatleben sei extrem wichtig geworden, sagt Rump. Immer mehr junge Menschen fragten ihre Arbeitgeber nach Auszeiten, Vier-Tage-Woche, oder sie möchten von zu Hause aus arbeiten. "Sie nehmen nur Stellen an, die zu ihrer Lebenssituation passen", sagt Rump.
Franziska Roscher hatte eine ganz spezielle Forderung an ihren zukünftigen Arbeitgeber, als sie im vorigen Sommer ihr Politikstudium abschloss. Die gebürtige Saarländerin wohnte seit zwei Jahren im indischen Mumbai. Sie hatte Freunde gefunden, organisierte Treffen für die Expat-Gemeinschaft "InterNations", half regelmäßig in einem Mädchenheim. "Ich habe mir ein Leben aufgebaut", sagt die 27-Jährige. "Das wollte ich nicht wegschmeißen." Mumbai, da wollte sie bleiben, unbedingt. "Dafür war ich bereit, anderswo Abstriche zu machen, beim Gehalt zum Beispiel."
Die Marketingchefin des internationalen Devisen-Brokers Admiral Markets, bei dem Franziska sich um eine Stelle als Public-Relations-Managerin beworben hatte, fand den Wunsch tatsächlich seltsam. Schließlich war die Stelle ausdrücklich für den Firmenhauptsitz in Tallinn, der Hauptstadt Estlands, ausgeschrieben. Die Dame erbat sich bei Franziska Bedenkzeit - sagte dann aber noch am selben Tag zu.
Über Skype und das Intranet konferiert Franziska heute mit ihren Kollegen in Tallinn, Madrid und Lissabon. Die Chefin schaltet sich aus London dazu. "Klappt wunderbar", sagt Franziska, "weil meine Vorgesetzten mir vertrauen." Dieses Vertrauen zu missbrauchen, daran denkt sie nicht einmal im Traum. "Die Firma ist mir sehr entgegengekommen, das hat mich motiviert", sagt Franziska. "Ich weiß, dass nicht jedes Unternehmen so flexibel gewesen wäre, auf meinen Sonderwunsch einzugehen."
Kann man sich als Bewerber heute alles erlauben, bloß weil die Firmen verzweifelt Nachwuchs suchen? "Das kommt auf die Branche an", sagt Professorin Rump. Denn in einigen Bereichen gebe es weiterhin mehr Bewerber als nachgefragt. "Auf die wartet niemand."
Die Masche der Firmen: Junge-Leute-Versteher
Dazu zählen Personalberater, Juristen ohne Prädikatsexamen, Marketing-Manager, Medienleute - und Forscher. Die Hans-Böckler-Stiftung befragte unlängst junge Wissenschaftler mit bis zu drei Jahren Berufserfahrung. 81 Prozent von ihnen hatten nicht mal einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Ansonsten können die Bewerber auf den Fachkräftemangel zählen - und darauf, dass ihre Generation, egal, wie man sie nennt, zu den geburtenschwachen Jahrgängen zählt. Junge Ingenieure, Naturwissenschaftler, Vertriebler sowie Finanz- und Controlling-Experten seien "wahnsinnig begehrt", berichtet Jutta Rump. So begehrt, dass die Unternehmen alles über sie wissen wollen.
Manche Konzerne haben, in der Not, für die Erforschung des seltsamen Nachwuchses sogar eigene Stellen geschaffen. Christoph Fellinger hat so einen Job. Er arbeitet als Talent Relationship Manager für Beiersdorf. Seine Aufgabe: junge Menschen zu verstehen - und ihnen klarzumachen, dass Beiersdorf toll ist.
Und das geht so: Fellinger besucht Universitäten und organisiert Workshops. "Einfach einen Imagefilm zeigen, das reicht nicht mehr", sagt er. "Die Leute sind mit Werbung aufgewachsen. Die blenden das aus." Lieber wollten die Studierenden etwas lernen, und deshalb bringt Fellinger immer Gehaltvolles mit. Fallstudien zum Beispiel. Nebenbei erzählt er dann vom firmeneigenen Trainee-Programm, wo man eine "steile Lernkurve" habe, fünf bis sechs Monate im Ausland verbringe und "fächerübergreifendes Know-how" erlange.
Fellinger ködert die Leute damit, dass sie ihre Meinung einbringen dürfen. "Die letzte Trainee-Gruppe hat ihre Vorschläge direkt mit einem Vorstand besprochen." Das komme bei den Jungen gut an, berichtet der Personalberater. Viele spätere Trainees habe er so kennengelernt. Fellingers Masche zieht.
Der Nachwuchs mag Start-ups
Doch gegen manche Konkurrenten im Kampf um die besten Köpfe ist sogar Fellinger machtlos. Start-ups sind mittlerweile eine beliebte Alternative; das hat jüngst wieder eine Umfrage des Online-Karriereportals squeaker.net ergeben. Mehr als drei Viertel der Befragten fanden Start-ups genauso attraktiv oder sogar attraktiver als Firmen, die in den Arbeitgeber-Rankings normalerweise vorn liegen. Kein Wunder: In kleinen Teams ist jedes Mitglied wertvoll, Hierarchien gibt es kaum - es ist, als würde man mit Kumpels zusammenarbeiten. Das finden die Jungen gut.
Besonders unangenehm ist das für Branchen, die noch nie für große Freiheit und flache Hierarchien bekannt waren, wo man es aber gewöhnt ist, sich unter den Uni-Absolventen die besten rauszupicken: Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfer. Arbeitswochen mit 60 und mehr Stunden und das ständige Reisen sind unbeliebt geworden. Da ändert auch ein fürstliches Gehalt nicht viel.
"Wir sind in unserer Flexibilität eingeschränkt", sagt Bernd Wöllner von der Beratungsgesellschaft Capgemini. "Work-Life-Balance-Erwartungen lassen sich nur erfüllen, wenn sie mit den Anforderungen der Kunden vereinbar sind." Und dazu gehöre in der Regel, vier Tage pro Woche vor Ort zu sein, mindestens drei Nächte nicht zu Hause zu schlafen. Extrem unattraktiv für die neuen Andersmacher.
Deshalb versucht Capgemini, den Wünschen des Nachwuchses ein bisschen entgegenzukommen. Mit Mentoringprogrammen will die Firma eine persönliche Verbindung zwischen erfahrenen und jungen Mitarbeitern schaffen.
Meetings, berichtet Wöllner, liefen immer häufiger per Videokonferenz ab - ein Abschied von der alten Präsenzkultur. Klar ist trotzdem: Von der Flexibilität eines Start-up sind die Berater Lichtjahre entfernt. Und ziehen daher eine ganz bestimmte Bewerberklientel an, die verbliebenen Karrierebewussten, für die Gehalt und Status so wichtig sind, dass sie dafür privat zurückstecken. Wöllner formuliert es lieber so: "Wer sich bei uns bewirbt, weiß, worauf er sich einlässt." Heißt: Wer das Tempo nicht mitgehen will, muss sich eben einen anderen Job suchen.
Nur sind die Willigen nicht mehr unbedingt die Besten. Das ist das Problem der großen Firmen.
Irritierend viele Gespräche über Bonuszahlungen
Durchbeißen oder hinschmeißen? Vor dieser Entscheidung stand Stefan Lang vor eineinhalb Jahren. Der Wirtschaftsjurist stieg nach dem Studium bei Ernst & Young in der Grundsatzabteilung ein - es war seine einzige Bewerbung, sie funktionierte sofort.
Die Grundsatzabteilung bildet das Rückgrat für die Wirtschaftsprüfer, die draußen beim Kunden schuften. Bei Fachfragen wenden sie sich an die Grundsatzleute. Die müssen Antworten liefern - auch freitagsabends um acht. "Die anderen zählen darauf, dass du helfen kannst", erzählt der 29-Jährige. Man fühle sich wichtig, gebraucht.

Der Text zur "Generation Y" ist aus dem Magazin SPIEGEL JOB mit Beiträgen aus der Berufswelt - für Einsteiger, Aufsteiger, Aussteiger. Weitere Themen sind zum Beispiel: Gripsgewinnler - Karrierefaktor Intelligenz. Geschichten vom Gelingen und Scheitern. Wie junge Deutsche ihr Glück in Hollywood versuchen. Und noch viel mehr. Schauen Sie doch mal rein.Heft bei Amazon: SPIEGEL JOB 1/2013
Stefan mochte es auch, klare Ziele vor Augen zu haben. "Der Weg war vorgezeichnet: Assistent, Prüfungsleiter, Manager, Senior Manager und dann Partner." Immer die nächste Stufe - und damit auch immer mehr Geld. "Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, das hätte mich nicht interessiert." Außerdem kam er viel herum: In den Sommermonaten war er alle paar Wochen mit Kollegen auf Schulungen in Amsterdam, Berlin, Hamburg. "Mit denen habe ich mich gut verstanden." Dass die Gespräche sich oft um Bonuszahlungen und Materielles drehten, fiel Stefan erst später auf.
Sein Blick änderte sich, als Sohn Milan geboren wurde. Auf einmal empfand er Überstunden als nervig, abends im Hotel in der fremden Stadt vermisste er seine Familie.
Es war ein Freitag, der sein Leben umschmeißen sollte. Stefan kehrte von einer zweiwöchigen Schulung zurück. "Ich habe mich so auf Milan gefreut!", erinnert er sich. Milan freute sich weniger. Sein Gesicht: ein großes Fragezeichen. Papa Stefan war in den 14 Tagen zum Fremdling geworden. "Da wusste ich, ich muss etwas ändern."
Heute rasen vor seiner Bürotür Kinder mit Bobbycar über den Flur. Stefan ist kaufmännischer Vorstand bei Itzebitz, einem Betreiber von Kindertagesstätten in Großbottwar bei Ludwigsburg. Auch das kein Larifari-Job. "Wenn wir Vorstandssitzung haben, kann es Mitternacht werden", sagt Stefan, der vor kurzem zum zweiten Mal Vater wurde. "Dafür bringe ich die Kinder morgens in die Kita und kann freitags oft nach dem Mittagessen gehen." Finanziell: ein Rückschritt. "Aber das macht nichts", sagt Stefan. "Wenn ich sehe, was eine Kindergärtnerin verdient, ist Jammern echt nicht angesagt."
Niederlagen nicht ausgeschlossen beim Sinnsuchen
Ausbrechen, neu anfangen, glücklich werden. Tu einfach, worauf du Lust hast - ist es wirklich so einfach? Leider nicht immer. Auch die Sinnsucher laufen gelegentlich gegen die Wand. Und nicht immer braucht eine Freundin gerade Unterstützung in einem Café, nicht in jedem Fall gelingt es, der vorgezeichneten Karriere zu entfliehen. Niederlagen, auch die verwöhnten Ypsiloner müssen sie hinnehmen.
Bei Malte Rodig, heute 28, war das so. Er hatte einen Traum: den Traum vom Fliegen. Als Kind war er oft am Flughafen, um seinen Vater von Geschäftsreisen abzuholen und den Flugzeugen nachzuschauen.
Nach dem Abi begann Malte ein duales Studium bei Airbus, Produktionstechnik und -Management, eine vernünftige Mischung aus "Flugzeuge sind toll" und "Karriere machen".
Doch das reichte ihm nicht. Als Malte an seiner Diplomarbeit saß, bewarb er sich bei Lufthansa als Flugschüler. "Ich dachte mir: jetzt oder nie." Malte bewältigte die Prüfungen - und stand vor einer schweren Entscheidung. "Ich fand Airbus ja immer noch toll", sagt er. Dort hatte er eine Stelle als Prozess- und Terminplaner.
Malte wählte das Fliegen, obwohl manche Freunde ihn für verrückt erklärten. "Klingt ja auch bekloppt", sagt Malte, "Job cool, Chef cool, Kollegen cool, Firma cool, Geld cool - und ich schmeiß alles hin und haue ab." Geld verdienen Flugschüler nicht. Im Gegenteil, die zweijährige Ausbildung kostet. Der Eigenanteil liegt bei etwa 60.000 Euro, den Malte in Raten abstottern muss, sobald er einen Job hat.
Trotzdem: "Für mich hat sich das gelohnt", sagt Malte und schwärmt vom Flugunterricht in der Wüste von Arizona. "Einfach unbeschreiblich."
Der Schock kam kurze Zeit später: Der letzte, dreimonatige Ausbildungsblock findet nicht mehr in der Flugschule, sondern direkt bei der Airline statt, bei Lufthansa oder Germanwings. Doch die bilden nur aus, wenn sie Piloten brauchen - was dieses Jahr wegen der wirtschaftlichen Lage nicht der Fall ist. Für Flugschüler bedeutet das: abwarten. Wann es weitergeht, kann niemand sagen. Ein Jahr, zwei oder fünf, alles ist möglich. Malte Rodig muss sich jetzt einen Job suchen.
"Ich habe mir das alles einfacher vorgestellt", resümiert er. Bereut er seine Entscheidung? "Nein", sagt Malte. "Sonst hätte ich immer vom Pilotendasein geträumt und gedacht: Warum hast du das nicht ausprobiert? So wäre ich nicht glücklich geworden."

Miriam Olbrisch (Jahrgang 1986) hat ihren Traumjob gefunden: Redakteurin bei "Dein SPIEGEL". Jeden Tag gern zur Arbeit zu gehen ist für sie - wie für viele Ypsiloner - das Allerwichtigste.