Arbeit in Deutschland Mit Kollegen spricht man nicht übers Gehalt

Güldenes Geheimnis: Über Gehalt wird in Deutschland ungern gesprochen
Foto: Sven Hoppe/ picture alliance / dpaHobbys, Urlaube, Familie - in deutschen Büros, beim gemeinsamen Mittagessen in der Kantine und auch beim gemütlichen Bier nach Feierabend wird über fast alles gesprochen, nur nicht darüber, wer wie viel verdient.
Dies hat eine Studie der Internetplattform Glassdoor ergeben. Die Job- und Karriere-Community, auf der Mitarbeiter anonym ihre Firmen bewerten können, befragte 1044 Arbeitnehmer zum Thema Gehalt. Die Studie ist zwar nicht repräsentativ, bestätigt aber einen bekannten Trend: Geld verdient man, aber man redet nicht darüber. Dabei sind die meisten durchaus neugierig: Was steht auf dem Gehaltszettel des Chefs? Warum fährt der Nachbar plötzlich einen Dienstwagen? Wie hoch ist der Bonus des Kollegen? Über solche Fragen darf man zwar grübeln, aber nahezu alle Befragten zwischen 16 und 64 Jahren waren sich einig: Stellen darf man solche Fragen nicht, das gehört sich offensichtlich nicht.
So beschleicht mindestens jeden Dritten ein komisches Gefühl, wenn er über Geld spricht. "Vielen fällt es schwer, im direkten Gespräch mit Freunden, Kollegen oder sogar dem Partner über das Gehalt zu sprechen", so Joe Wiggins, Karriereexperte bei Glassdoor. Nur wer im Verborgenen bleibt, wird ein wenig lockerer: Immerhin brechen dann 45 Prozent ihr Schweigen. Ganz anders jedoch die Kollegen in den Nachbarländern: 63 Prozent aller Franzosen plaudern gern und viel über Geld. In Großbritannien ist für 42 Prozent aller Beschäftigten das Gehalt kein großes Geheimnis. Und anonym spricht sogar jeder zweite auf der Insel darüber, ob er das verdient, was er verdient.
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Doch weil alle wissen wollen, was sie eigentlich nicht wissen sollen, blüht in deutschen Büros der Klatsch und Tratsch: Während sechs von zehn Mitarbeiter nicht wissen, was auf dem Gehaltszettel ihrer Kollegen steht, sickert bei jedem vierten doch etwas durch. Etwa, weil geschwätzige Kollege hinter vorgehaltener Hand doch mal Zahlen nennen - von denen mit Gehaltskenntnissen geben das 19 Prozent als Verbreitungsweg an. Sieben Prozent davon haben aber auch schon mal in vertrauliche Dokumente gelinst, die der Chef versehentlich liegen gelassen hat. Drei Prozent erzählten, dass ein Personaler das Gehalt der Kollegen ausgeplaudert habe.
Wer schlecht verhandelt, der verliert: Schon jetzt wird die Einkommensspanne zwischen Gering- und Top-Verdienern immer größer, ermittelte im Herbst der Deutsche Gewerkschaftsbund. Wenn es nicht mehr Transparenz gibt, werden bald sogar vergleichbare Mitarbeiter, die im selben Beruf mit derselben Qualifikation und im gleichen Team arbeiten, unterschiedlich viel verdienen, fürchten viele. Wenn es nach 63 Prozent der Befragten geht, sollte die Geheimniskrämerei aufhören und die Unternehmen sollten offener damit umgehen, wer was verdient.
- Von ihnen wiederum glauben 48 Prozent, das könnte das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern stärken.
- 53 Prozent der Transparenzbefürworter denken, das könnte helfen, die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen zu schließen.
- Und 46 Prozent von ihnen würden die Zahlen als Diskussionsgrundlage mit ins Personalgespräch nehmen.
Was verdienen zum Beispiel Projektmanager bei Daimler, Volkswagen und BMW? Bis heute sind solche Gehaltsfragen ein gut gehütetes Geheimnis. Doch immerhin spricht inzwischen schon jeder fünfte deutsche Arbeitgeber (21 Prozent) intern über Gehaltsstrukturen im Unternehmen. Diese Angaben dringen aber nur selten auch nach außen (elf Prozent). Bewerber, die auf eine Stellenanzeige der meisten Firmen reagieren, können deshalb beim Gehaltspoker nur verlieren: Fordern sie zu viel, riskieren sie eine Absage. Verlangen sie zu wenig, gewinnt der Arbeitgeber.
Gehaltstransparenz in verschiedenen Ländern
Daten | GB | FR | DE |
---|---|---|---|
Anteil der Arbeitnehmer, die wissen, was ihre Kollegen verdienen | 35 % | 37 % | 39 % |
Von denen, die das Gehalt ihrer Kollegen kennen: Anteil derer, die das Gehalt der Kollegen kennen, weil diese offen darüber sprechen | 38 % | 58 % | 50 % |
Von denen, die das Gehalt ihrer Kollegen kennen: Anteil derer, die vom Gehalt der Kollegen durch Büro-Tratsch erfahren haben | 23 % | 16 % | 19 % |
Von denen, die das Gehalt ihrer Kollegen kennen: Anteil derer, die das Gehalt ihrer Kollegen kennen, weil jemand vertrauliche Informationen im Büro hat herumliegen lassen | 5 % | 6 % | 7 % |
Von denen, die das Gehalt ihrer Kollegen kennen: Anteil derer, die das Gehalt ihrer Kollegen kennen, weil es ihnen jemand aus der Personalabteilung erzählt hat | 4 % | 4 % | 3 % |
Anteil der Arbeitnehmer, die finden, dass Unternehmen transparenter mit Gehaltsinformationen umgehen sollten | 60 % | 77 % | 63 % |
Von denen, die sich eine größere Transparenz wünschen: Anteil derer, die denken, dass dies das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmer stärken würde | 52 % | 42 % | 48 % |
Von denen, die sich eine größere Transparenz wünschen: Anteil derer, die denken, dass dies Arbeitgeber zwingen würde, fairer zu sein, wenn Job-übergreifende Gehaltsspannen festgelegt werden | 48 % | 52 % | 23 % |
Von denen, die sich eine größere Transparenz wünschen: Anteil derer, die denken, dies würde dabei helfen, die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen zu schließen | 45 % | 50 % | 53 % |
Anteil von Unternehmen, die Gehaltsinformationen innerhalb des Unternehmens teilen (laut Arbeitnehmern) | 20 % | 20 % | 21 % |
Anteil von Unternehmen, die Gehaltsinformationen außerhalb des Unternehmens teilen (laut Arbeitnehmern) | 13 % | 10 % | 11 % |
Anteil der Arbeitnehmer, die sich wohl dabei fühlen, offen über ihr Gehalt zu sprechen | 42 % | 63 % | 28 % |
Anteil der Arbeitnehmer, die sich wohl dabei fühlen, anonym über ihr Gehalt zu sprechen | 51 % | 63 % | 45 % |