

Irgendwann hatte John Wilson so viele schlechte Filme gesehen, dass er es nicht mehr aushielt. Wie in jedem Jahr saßen im März 1981 seine Freunde im Wohnzimmer, um zusammen die Verleihung der Oscars im Fernsehen zu schauen. Doch diesmal machte es dem Gastgeber keinen Spaß. Er wollte nicht die besten Filme feiern - sondern über die schlechtesten lästern. Es war die Geburtsstunde des Schmähpreises Goldene Himbeere.
Henner Knabenreich und Jannis Tsalikis ärgern sich nicht über schlechte Filme. Sie ärgern sich über schlechtes Personalmarketing: peinliche Karrierevideos, abschreckende Stellenanzeigen, unübersichtliche Jobseiten, misslungene Social-Media-Auftritte. Sich diese anzugucken, ist ihr Job. Die beiden verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Optimieren von Arbeitgeberauftritten im Internet.
In der Tradition Wilsons haben Knabenreich und Tsalikis nun am Mittwochabend in Berlin zum ersten Mal die Goldene Runkelrübe verliehen, einen Negativ-Award für "herausragend schlechte Personalkommunikation".
Die Rübe für die abschreckendste Stellenanzeige erhielt die Kreissparkasse Birkenfeld für ein Plakat, auf dem sieben Auszubildende neben und auf einer Leiter posieren. Das Brisante dabei: Die zwei Männer stehen auf den obersten Sprossen, die Frauen halten die Leiter.
Das Bild kursiert schon seit Ende Juni im Internet. Ein aufmerksamer Blogger hatte das Plakat abfotografiert, ins Netz gestellt - und einen Shitstorm ausgelöst. Die Azubis wurden beschimpft und beleidigt, die Fotografin wurde verhöhnt, der Sparkasse Diskriminierung von Frauen unterstellt. Die Plakate wurden sofort abgehängt, das Bild ist längst von der Webseite gelöscht, doch seither verfolgt es die Birkenfelder.
"Wir haben einen Fehler gemacht, und er tut allen Beteiligten sehr leid, aber wir können ihn nicht ungeschehen machen", sagt Peter Zumbach vom Vorstandsreferat der Bank. Offenbar war den jungen Frauen beim Fotoshooting die Leiter zu klapprig. Sie blieben lieber unten, die Fotografin drückte ab, und das Plakat wurde gedruckt.
Runkelrüben-Initiator Henner Knabenreich wäre es lieber gewesen, die 60-köpfige Jury hätte eine andere Stellenanzeige gekürt: "Klar, das Motiv ist alles andere als glücklich gewählt. Aber ich glaube, darum hat sich keiner Gedanken gemacht. Wie konnte man in Birkenfeld auch wissen, dass man so viel in die Anzeige interpretieren würde?"
Der Gewinner in der Kategorie peinlichstes Karrierevideo wurde ebenfalls schon ausgiebig im Netz verspottet: Die Polizei Nordrhein-Westfalen wurde für ihr Rap-Video ausgezeichnet.
Den Sieg für den misslungensten Social-Media-Auftritt teilen sich Allianz und Unilever. Bei der Allianz störte sich die Jury an einer leeren Unternehmensseite auf der Bilderplattform Pinterest, die zum Zeitpunkt der Runkelrüben-Verleihung allerdings schon mit Infografiken bestückt war. Bei Unilever gefielen den Juroren die Tweets des sogenannten Talent-Teams nicht. "Starte jetzt deine Karriere @Unilever, einer der 50 attraktivsten #Arbeitgeber weltweit."
Hier werde Twitter ein- bis dreimal im Monat für Stellenausschreibungen und Pressemitteilungen genutzt, kritisiert Jannis Tsalikis: "Ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht macht." Bei Unilever ist die Kritik angekommen. "Im Sinne der Vorweihnachtszeit ist dieses Feedback ein Geschenk, das wir uns zu Herzen nehmen und auspacken werden", sagte eine Sprecherin.
In der Kategorie unattraktivste Karriereseite ging die Runkelrübe an das Bundeskriminalamt (BKA). Auf der unübersichtlichen Website der Behörde ist jede Stellenanzeige mit einem zweiseitigen pdf hinterlegt, in dem sich ein Link befindet, der dann zum Online-Portal führt. Meldet man sich dort an, folgt eine E-Mail mit dem Hinweis, das Hochladen von Bewerbungsunterlagen sei leider nicht möglich. Stattdessen müssen Bewerber unzählige Formularseiten ausfüllen.
Die Seite werde gerade überarbeitet, sagte eine BKA-Sprecherin. Erste Tests liefen schon, in Zukunft solle man sich direkt online bewerben können. Mit dem Negativ-Award habe die Modernisierung der Seite aber nichts zu tun.
Nominiert für die Runkelrübe waren 23 Stellenanzeigen, 15 Videos, 16 Karrierewebseiten und 14 Social-Media-Auftritte. Alle wurden anonym vorgeschlagen, eine E-Mail mit einem Link genügte. Ob es sich bei den kritisierten Unternehmen um Mittelständler oder Konzerne handelte und bei den Kampagnen um einmalige Aktionen oder dauerhafte Fehlschläge, wurde nicht berücksichtigt. Jede Einsendung galt gleichzeitig als Nominierung.
Auch in die Jury durfte jeder, der eine E-Mail schickte. So kamen am Ende 60 Juroren zusammen, die jeweils online in jeder Kategorie einen Sieger kürten. Den Unglücklichen sollte der Preis persönlich in Berlin übergeben werden, ganz in der Tradition der Goldenen Himbeere. Doch die Einladungen kamen gar nicht bei den Betroffenen an. Von ihrem Gewinn erfuhren sie erst durch SPIEGEL ONLINE. Eine Goldene Runkelrübe hätten deshalb auch die Veranstalter selbst verdient.
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Schmähpreis für Arbeitgeber: Zwei Berliner Personalmarketer haben einen Negativ-Award für peinliche Karrierevideos, abschreckende Stellenanzeigen, unübersichtliche Jobseiten und misslungene Social-Media-Auftritte ins Leben gerufen. Sie verleihen die Goldene Runkelrübe. mehr...
Abschreckendste Stellenanzeige: In dieser Kategorie gewann die Kreissparkasse Birkenfeld mit diesem Plakat. Außer im Netz ist es nirgends mehr zu finden: Nachdem ein Blogger das Bild Ende Juni ins Internet gestellt hatte, brach über die Sparkasse ein Shitstorm herein.
Misslungenster Social-Media-Auftritt: Den ersten Platz in dieser Kategorie teilen sich die Allianz und Unilever. Bei der Allianz störte sich die Jury an der leeren Unternehmensseite auf der Bilderplattform Pinterest. Mittlerweile ist die Seite gut bestückt mit Infografiken.
Misslungener Social-Media-Auftritt: Bei Unilever gefielen den Juroren die Tweets des sogenannten Talent-Teams nicht. Hier werde Twitter ein- bis dreimal im Monat für Stellenausschreibungen und Pressemitteilungen genutzt, kritisiert Jannis Tsalikis: "Ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht macht."
Unattraktivste Karriereseite: Mit dieser unübersichtlichen und wirren Website gewann das Bundeskriminalamt die Runkelrübe.
Preisverleiher: Henner Knabenreich (rechts) und Jannis Tsalikis wollten den Gewinnern in Berlin die Goldene Runkelrübe persönlich übergeben. Doch die Einladungen kamen gar nicht bei den Betroffenen an. Von ihrem Gewinn erfuhren sie erst durch SPIEGEL ONLINE. Eine Goldene Runkelrübe hätten deshalb auch die Veranstalter selbst verdient.
Hätte ich doch jetzt eine gute Zeile: Wer für die Firma bloggt, hat die Schere vermutlich schon im Kopf. Oft sollen Trainees mit frischen und netzaffinen Gedanken das Firmen-Image im Internet verbessern. Dabei kommt ein unterhaltsamer Praktikumsbericht beim Chef besser an als Kritik am Arbeitgeber. mehr...
Janine Sieling, 25, schreibt regelmäßig für das Firmen-Blog der Fraport AG. Durch das Internettagebuch der Nachwuchskräfte wurde sie einst selbst auf das Trainee-Programm der Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt am Main aufmerksam. Mit ihren Berichten möchte sie versuchen, möglichen Bewerbern einen Einblick in ihren Job zu geben. Natürlich sei es auch ein ofizielles Marketing-Tool, sagt Sieling. Schon ihre Mutter zweifelte damals: "So schön kann das da doch gar nicht sein."
Agentur-Chef Alexander Pschera, 47, bloggt selbst regelmäßig, um seine Kreativität zu fördern. Bei seinen Trainees betreibt er "liberale Zensur" und würde sich dabei auch mal ein paar Verbesserungsvorschläge seiner Nachwuchskräfte wünschen. Das firmeneigenen Trainee-Blog hält er für authentisch und die reflektierten Texte seiner Mitarbeiter fast schon "für ein therapeutisches Instrument".
Nathalie Merkle, 29, arbeitet und bloggt für eine Werbeagentur in München. In der Gruppe organiseren sich dort die Trainees und tauschen sich regelmäßig über mögliche Textideen und Erfahrungen im PR-Betrieb aus. Auch sie wurde durch ein Podcast-Video auf die Firma aufmerksam und genießt es, auch mal abseits von Kundenaufträgen zu schreiben. Zensiert wurde nach eigener Aussage davon noch nichts.