In Kooperation mit

Job & Karriere

Personalabteilungen "Menschen sind nicht Excel-kompatibel"

Viele Vorstände glauben, Personalabteilungen seien dazu da, ihnen das Personal vom Leib zu halten. Das führt zu Frust bei allen, sagt Manager Ulrich Goldschmidt. Er rät den Chefs, in neue Unternehmensstrategien zur Abwechslung auch die Mitarbeiter einzuplanen.
Finden nicht zueinander: Personaler und Mitarbeiter

Finden nicht zueinander: Personaler und Mitarbeiter

Foto: Corbis
Zum Autor
Foto: Gerhard Blank

Ulrich Goldschmidt ist Hauptgeschäftsführer des Berufsverbandes "Die Führungskräfte" (DFK) in Essen. Der 55-jährige Jurist ist Spezialist für Führungsfragen, Vergütung und Corporate Governance. Außerdem ist er Ansprechpartner für die Sprecherausschüsse der Leitenden Angestellten sowie Berater und Coach für Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder.

Räumen wir dem Personalbereich die Stellung im Unternehmen ein, die ihm gebührt? Ermuntern wir die Personaler, so zu handeln, dass sich das wertvollste Kapital der Firma möglichst effektiv und gewinnbringend entfalten kann? Ich fürchte, Deutschlands Unternehmen lassen hier noch viel Potential liegen. Kein allzu erfreulicher Ausblick kurz nach Jahresanfang - aber ein realistischer.

Vorübergehend hatte ich nach der Lektüre diverser Unternehmensleitbilder und Hochglanz-Imagebroschüren durchaus Hoffnung, in den Unternehmen - und hier spreche ich besonders die großen Konzerne an - könnte sich die Erkenntnis durchsetzen, im Bereich Human Resources (HR) das Personal nicht nur zu verwalten. Schließlich liegt hier auch eine gestaltende Aufgabe.

Inzwischen regt sich bei mir aber der Verdacht, dass Personalabteilungen für viele Unternehmensleiter eher stören. So ist es nicht verwunderlich, wenn im HR-Bereich mit wenig Kreativität gearbeitet wird. Und man stattdessen versucht, das Leben in Excel-Dateien abzubilden.

Menschen sind aber schlicht und ergreifend nicht Excel-kompatibel. So vielfältig wie das Leben selbst, so vielfältig sind die Menschen und die Situationen, in denen wir ihnen im Arbeitsalltag begegnen. Natürlich kommt man an Standardisierungen nicht vorbei: Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder allgemeine unternehmensinterne Richtlinien geben einen gewissen Rahmen vor.

Selbstbewusste Mitarbeiter stellen Forderungen

Das ändert aber nichts daran, dass die Menschen in den Betrieben nicht als bloße Arbeitskrafteinheiten und als Objekte unternehmerischen Handelns behandelt werden, sondern in ihrer ganzen Individualität gesehen werden wollen. Das gilt für die jüngeren und kommenden Arbeitnehmergenerationen noch mehr als bisher.

Selbstbewusste, besser ausgebildete und insgesamt kritischere Mitarbeiter, die ihren Marktwert oft sehr genau kennen, stellen Forderungen an die Attraktivität ihres Arbeitgebers. Und das nicht nur bei der Bewerbung, sondern permanent im Berufsalltag. Das erfordert Personalabteilungen, die nicht nur Auftragnehmer des Arbeitgebers sind, sondern zugleich Partner der Mitarbeiter und Partner der Arbeitnehmervertretungen wie den Betriebsräten oder den Sprecherausschüssen der Leitenden Angestellten. Aufgabe der Arbeitgeber ist es, ihre Personaler ausdrücklich zu diesen Rollen zu ermuntern. Und entsprechend darauf vorzubereiten.

Wenig hilfreich ist es dann, wenn Vorgesetzte ihre Personalabteilung nur als letzte Bastion zwischen sich und den lästig werdenden Mitarbeitern sehen: Eine Firewall gegen die Wünsche und Vorstellungen der Arbeitnehmer. Personaler, denen dieses Bild ihrer Aufgabenstellung vermittelt wird, agieren oft in vorauseilendem Gehorsam. Sie wehren schon mal auf Verdacht alles ab, was nach subversiver Flexibilität und Abweichung von der Norm klingt.

Englischkurs für alle, auch den Muttersprachler

Heute erwarten Mitarbeiter aber ganz konkret, dass man ihnen nicht nur eine interessante Aufgabe überträgt, sondern sie auch für künftige Aufgaben weiterentwickelt. Dazu bedarf es sehr spezieller und individueller Personalentwicklungsmaßnahmen. Der Ansatz "One Size fits All" ist als Lösung definitiv out. Alle künftigen Führungskräfte ohne Ausnahme zu einem Englischkurs zu schicken, und zwar auch den englischen Muttersprachler (leider kein Scherz!), gehört dann hoffentlich zu den Absurditäten der Vergangenheit.

Und dann noch ein Dauerproblem: In der Unternehmenspraxis ist es leider immer noch Standard, bei Strategieplanungen die HR-Themen außen vor zu lassen. Viele Unternehmen haben weder eine quantitative, noch eine qualitative Personalplanung. Insbesondere der Mittelstand, aber bei weitem nicht nur dieser, hat hier großen Nachholbedarf, erkennt inzwischen aber wohl zunehmend die Problematik. Man kann sich nur wundern, wie unprofessionell mit diesem Thema selbst in großen Konzernen oft umgegangen wird.

Wenn man aber Personalthemen nicht als Teil der Unternehmensstrategie erkennt, darf man hinterher auch nicht überrascht sein, wenn man nicht das richtige Personal für die nun umzusetzende Strategie hat. Das läuft dann häufig nach dem Motto: "Es wird schon irgendwie gut gehen." Genau das tut es aber meistens nicht.

Es ist kein Ausweis von qualitativer Personalplanung, ein völlig neues Geschäftsfeld mit hohem Aufwand zu definieren und beim Personal zu glauben, man könne mit Volldampf, aber ohne Kompass den richtigen Kurs finden.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren