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Harald Wohlfahrts Arbeitskampf Spitzenkoch gibt nun doch den Löffel ab

Kurz vor dem Gerichtstermin kam es zur Einigung: Sternekoch Harald Wohlfahrt wird die Schwarzwaldstube verlassen. Er hatte auf Weiterbeschäftigung als Küchenchef geklagt. Rekonstruktion einer Fehde.
Sternekoch Harald Wohlfahrt (im Oktober 2015)

Sternekoch Harald Wohlfahrt (im Oktober 2015)

Foto: Uli Deck/ dpa

"Wer kocht eigentlich, wenn Sie nicht da sind?" Auf diese Frage antwortete der französische Star-Koch Paul Bocuse: "Derselbe, der auch kocht, wenn ich da bin." Und damit meinte er seinen Sous-Chef.

Stellvertreter eines Sternekochs zu sein, bedeutet Schuften im Hintergrund, oft jahrelang, immer in der vagen Hoffnung, irgendwann das Erbe des berühmten Chefs anzutreten. Wie kompliziert sich das gestalten kann, zeigt der Fall des Drei-Sterne-Restaurants Schwarzwaldstube im baden-württembergischen Baiersbronn. Erst wenige Stunden vor einem Gerichtstermin konnten sich Spitzenkoch Harald Wohlfahrt und sein Arbeitgeber darauf einigen, dass er die Küchenleitung abgibt.

Wohlfahrt, dienstältester Dreisternekoch Deutschlands, hatte beim Arbeitsgericht Pforzheim einen Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung gegen seinen Arbeitgeber eingereicht - weil er Küchenchef bleiben wollte. Das für den 3. Juli geplante Fest zur offiziellen Übergabe der Leitung an seinen Stellvertreter Torsten Michel wurde kurzfristig abgesagt.

Neue Stelle als "repräsentativer Küchenchef"

Schon seit 25 Jahren verteidigt Wohlfahrt seine drei Sterne, die vom Guide Michelin vergebene höchste Auszeichnung der Spitzengastronomie. Jetzt ist er 61 Jahre alt, vier Jahre hat er noch bis zur Rente. Und die sollte er nach Willen seines Arbeitgebers nicht mehr in der Küche verbringen, sondern im Büro.

"Kulinarischer Direktor" lautete der neue Titel, den sich Hotelbetreiber Heiner Finkbeiner für Wohlfahrt ausgedacht hatte. Das sei so etwas wie ein "repräsentativer Küchenchef", ein in der Spitzengastronomie durchaus üblicher Job, erklärte Frank Hahn, der Finkbeiner als Anwalt vertritt, dem SPIEGEL vor dem Gerichtstermin.

Wohlfahrt und Finkbeiner lassen beide ihre Anwälte sprechen. Vor Gericht erscheinen sie nicht. Es ist das traurige Ende einer misslungenen Kochlöffelübergabe, von der noch zwei Monate zuvor in der Zeitschrift "Capital" zu lesen war: "Noch nie und nirgendwo wurde in einem Spitzenrestaurant die Nachfolge so lange und akribisch vorbereitet."

Wohlfahrts Stellvertreter Michel arbeitet schon seit 14 Jahren zusammen mit ihm in der Schwarzwaldstube. Sie siezen sich noch immer. Den Grund verriet Wohlfahrt 2015 dem Onlinemagazin "Sternefresser": "Es sagt sich bei Stress leichter 'du Arschloch', als 'Sie Arschloch'."

Kollegen seit 14 Jahren

Eigentlich hatte Michel nach zwei Jahren in der Schwarzwaldstube weiterziehen wollen nach Paris. Aber Wohlfahrt überredete ihn, in Baden-Württemberg zu bleiben: Michel durfte "alle Posten durchkochen", wie es im Gourmet-Sprech so schön heißt, mehrere Wochen bei anderen Sterneköchen reinschnuppern - und bekam in Aussicht gestellt, eines Tages der Nachfolger von Wohlfahrt zu werden. Dass dieser Tag noch zwölf Jahre auf sich warten lassen würde, damit rechnete damals wohl niemand.

Es habe mehrere Gespräche zwischen Wohlfahrt und seinem Chef über eine mögliche Nachfolge gegeben, sagen die Anwälte beider Seiten übereinstimmend. Doch was genau besprochen wurde, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Hahn, der Anwalt des Arbeitgebers, sagt, die Männer hätten sich darauf geeinigt, dass Wohlfahrt zur 40-Jahr-Feier der Schwarzwaldstube als Küchenchef verabschiedet wird. Leonie Frank, Anwältin des Sternekochs, sagt, "über das 'Wann' und 'Wie' einer möglichen Übergabe wurde kein Konsens erzielt".

Zutrittsverbot zur Küche

Dass ihm ein neuer Posten als "kulinarischer Direktor" gegen seinen Willen aufgezwungen werden soll, habe Wohlfahrt erst aus einem Schreiben erfahren, das ihm am 2. Juli übergeben wurde. Und in diesem Schreiben sei ihm dann auch gleich der Zutritt zur Küche der Schwarzwaldstube untersagt worden.

Das Verbot sei nötig gewesen, weil sich Wohlfahrt "weiter absprachewidrig als Küchenchef geriert" habe, sagt Hahn. Dieser Vorwurf mache sie "einfach nur sprachlos", sagt Frank. Schließlich sei Wohlfahrt ja der Küchenchef und habe einen entsprechenden Arbeitsvertrag.

Doch auch hier gehen die Darstellungen auseinander. Laut Hahn hat Wohlfahrt nämlich keinen Arbeitsvertrag, der ihm den Posten des Küchenchefs der Schwarzwaldstube zusichert. Ein solcher Vertrag sei ausgestellt worden - aber nicht 1980 an Harald Wohlfahrt, sondern im April 2016 an Torsten Michel. Die beiden sollten bis Juli 2017 eine Doppelspitze bilden.

"Herr Wohlfahrt hat längst nur noch repräsentative Aufgaben wahrgenommen. Die Speisekarte schreiben, das Personal einteilen und den Einkauf organisieren, das hat alles Herr Michel gemacht", sagt Hahn.

Die Anwältin des Sternekochs widerspricht: "Herr Wohlfahrt ist weder ein Koch-Rentner noch ein alter Tattergreis, der sich an einen Posten klammert, den er nicht mehr ausfüllen kann", sagt sie. "Er gehört nach wie vor zu den besten Köchen Deutschlands. Er will nicht aufhören, und er muss nicht aufhören."

Jetzt ist klar: Zumindest in der Schwarzwaldstube wird er nun nicht mehr kochen. Wenn das nächste Mal die Michelin-Sterne vergeben werden, muss Torsten Michel sie verteidigen.

"Ich bin unheimlich froh über die Einigung", sagte Wohlfahrt der Nachrichtenagentur dpa. Ob er nun doch den Posten als "kulinarischer Direktor" antreten wird, verriet er nicht: "Die Zukunft ist offen."

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