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Vergleich mit dem Ausland Starke Hebammen - teure Versicherung

In Deutschland geben viele Hebammen auf, weil sie sich die Haftpflicht nicht mehr leisten können. Wie lösen andere Staaten das Problem?
Von Eva-Maria Hommel
Hebamme in der Ausbildung: Die Haftpflicht muss nicht so teuer sein

Hebamme in der Ausbildung: Die Haftpflicht muss nicht so teuer sein

Foto: Waltraud Grubitzsch/ picture alliance / dpa

Angst hatte Franka Cadée eigentlich nie. 25 Jahre lang hat sie als freiberufliche Hebamme gearbeitet und inzwischen den Job aufgegeben, um zu promovieren. Über die Jahre hat sie 1500 Hausgeburten begleitet. "Als Hebamme spürt man immer die große Verantwortung, die man trägt", sagt Cadée, 52. "Fehler können theoretisch jedem passieren. Aber ich wusste immer, dass ich von einem guten Sozialsystem unterstützt werde." Teure Haftpflichtprämien seien überhaupt kein Thema gewesen. Nur: Franka Cadée lebt und arbeitet in den Niederlanden - nicht in Deutschland.

Dagegen überlegen viele ihrer deutschen Kolleginnen, den Beruf aufzugeben. Die Prämien liegen bei mehr als 5000 Euro im Jahr für die rund 3500 freiberuflichen Hebammen, die Geburten begleiten. Die Begründung der Versicherer: Behinderte Kinder leben heute lange und werden gut versorgt; die seltenen Geburtsschäden verursachen hohe Kosten, für die Hebammen - und damit ihre Versicherungen - haften müssen. Der Gesundheitsminister hat zwar einen staatlichen Zuschuss versprochen, doch das reiche nicht, sagen die Hebammenverbände. Aktuell gibt es Streit darüber, wie viel Geld die Krankenkassen von den privaten Versicherern verlangen dürfen.

In anderen Ländern gibt es solche Auseinandersetzungen nicht. Ein Grund ist paradoxerweise: Hebammen haben in Deutschland eine starke Position. "Wir können selbstbestimmt arbeiten, die Geburtshilfe wird als unser originärer Bereich anerkannt", sagt Ute Wronn, Beauftragte für internationale Hebammenarbeit beim Deutschen Hebammenverband. In anderen Ländern, vor allem in Ostmitteleuropa, werde eine Hebamme eher als Helferin des Arztes gesehen. Das erkennt man schon an Berufsbezeichnungen wie etwa "Porodní asistentka", Geburtsassistentin, in Tschechien.

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Hebammen: Wenn der Job zu teuer wird

Foto: SPIEGEL ONLINE

Selbstständige Hebammen wie in Deutschland gibt es nur in wenigen Nachbarstaaten. Und die scheinen manchmal bessere Lösungen parat zu haben. "Wir schauen besonders auf Holland", sagt Wronn. Nach Auskunft des dortigen Verbands liegt die jährliche Prämie dort bei etwa 350 Euro. Der Grund: Kosten für eine Langzeitbehandlung eines behinderten Kindes übernimmt in den Niederlanden ein steuerfinanzierter Fonds.

Schlecht verteiltes Risiko

Die Bundesregierung lehnt einen Fonds dagegen ab: "Eine Haftung des Steuerzahlers für Behandlungsfehler einer Berufsgruppe wäre kaum zu rechtfertigen", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage. Unsere holländischen Nachbarn scheinen damit kein Problem zu haben. Bernd Uhlmann, Berater des Bunds freiberuflicher Hebammen Deutschlands, sieht das Problem anderswo: "Die Politik hat Angst, dass auch Ärzte und andere Gesundheitsberufe einen solchen Fonds verlangen."

Franka Cadée, Hebamme

Franka Cadée, Hebamme

Foto: privat

Tatsächlich haben Ärzte dasselbe Problem - nur können sie sich die Prämien noch eher leisten. Einen weiteren Nachteil für die Hebammen beschreibt Martin Albrecht, Geschäftsführer beim privaten Forschungsinstitut für Infrastruktur- und Gesundheitsfragen IGES: "Die Hebammen sind eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die kein Risikopooling mit anderen Berufen macht."

Dagegen zahlen in der Schweiz in der Regel auch andere Berufsgruppen ein. Wohl auch deshalb liegen die Prämien nach Auskunft des Schweizerischen Hebammenverbands nur bei etwa 700 Franken (665 Euro) pro Jahr. Noch ein Problem hat Deutschland, so Albrecht: "Es gibt in diesem Markt nur wenige Anbieter und deshalb auch wenig Preiswettbewerb."

In Österreich kostet die Versicherung nur etwa 350 Euro. Kathrin Jarosch, Sprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, betont: "Dort gibt es keine Regressforderungen an die privaten Haftpflichtversicherer." In Deutschland dagegen können die Krankenkassen für Behandlung und Pflege eines geschädigten Kindes von den privaten Versicherern Geld verlangen. Gerade hat der Bundestag zwar einen Regressverzicht beschlossen, doch es ist unklar, wann er greift.

Georg Gessner, Geschäftsstellenleiter beim Österreichischen Hebammengremium, sieht noch einen anderen Grund für die niedrigen Prämien: "Wir haben hier keine Klagekultur." Auch in Holland landen Beschwerden eher vor einem Fachgremium, das nach Lösungen sucht, als vor Gericht. Ute Pittrof, Fachanwältin für Medizinrecht in Ingolstadt, betont aber: "In Deutschland gibt es im Verhältnis nicht mehr Klagen als in Österreich oder der Schweiz." Sie sieht ein anderes Problem: "Die Hebammen verdienen zu wenig dafür, dass sie rechtlich haften wie ein Arzt."

Für Franka Cadée, die Hebamme aus den Niederlanden, geht es in der Debatte auch um die Wertschätzung des Berufs: "Eine Hebamme ist wichtiger als der Premierminister. Ohne sie gäbe es nämlich den Premierminister gar nicht."

Eva-Maria Hommel (Jahrgang 1984) ist freie Journalistin (www.weitwinkel-reporter.de). Sie schreibt vor allem über Arbeit und Soziales.

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