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Spreewald-Bauer über Hitzefrei-Vorstoß  "Wir müssen die Gurken bei jedem Wetter ernten"

Arbeitnehmer, die im Freien arbeiten, sollen bei hohen Temperaturen nach Hause geschickt werden. Darauf pochen die Grünen. Bei den betroffenen Arbeitgebern kommt der Vorschlag nicht überall gut an.
"Wenn Hitzefrei für meine Pflücker Pflicht wäre, dann würde es keine Spreewaldgurken mehr geben"

"Wenn Hitzefrei für meine Pflücker Pflicht wäre, dann würde es keine Spreewaldgurken mehr geben"

Foto: Frank May/dpa

Hitzefrei für Landarbeiter, Bauarbeiter und Gebäudereiniger: Arbeitnehmer, die im Freien arbeiteten, müssten "bei gesundheitsgefährdender Hitze ein Recht auf Hitzefrei" erhalten, haben die Grünen in ihrem "Hitzeaktionsplan" gefordert.

Was halten die Landwirte und Bauunternehmer von dem Vorstoß? Während ein Gesetz dem Baugewerbe durchaus helfen könnte, sind die Bauern entsetzt, wie sie dem SPIEGEL berichten.

Foto: Florian Gärtner/DPA

Srecko Stankovic, Geschäftsführer der BS Wohn + Gewerbebau GmbH in Berlin

"Schicke ich meine Mitarbeiter nach Hause, hat das sowohl für mich als auch für sie Nachteile. Ich muss den Bauzeitplan auch bei Hitze einhalten und gegebenenfalls Strafe zahlen, wenn wir nicht rechtzeitig fertig werden.

Hitzefrei müsste von den Bauherren also als Grund für eine Bauverlängerung anerkannt werden, damit das umsetzbar ist.

Es nützt mir allerdings auch nichts, wenn ich meine Arbeiter in der Mittagshitze weiter beschäftige, sie die Zeit aber nicht effektiv nutzen. Wenn ich sie nach Hause schicke, bekommen sie aber kein Geld.

Im Winter ist das anders. Wenn die Baustelle wegen Frost geschlossen werden muss, kriegen meine Mitarbeiter Ausfallgeld. Ich bekomme die Kosten über die Sozialkassen der Bauwirtschaft zurück, in die ich für solche Fälle einzahle.

Die Kasse wird kaum noch gebraucht, weil die Winter immer milder werden. Wir könnten das Geld also gut für Hitzefrei im Sommer nutzen.

Im Moment sind unsere Baustellen zum Glück Rohbauten, keiner meiner Mitarbeiter muss aufs Dach. Wir können während der Hitzewelle voraussichtlich weiterarbeiten. Wenn es auf der Baustelle zu heiß ist, rufen die Bauleiter mich an. Und ich entscheide, ob wir dichtmachen. Bei der Hitzewelle im Juni habe ich das einmal gemacht und die Arbeiter auf dem Dach um 13 Uhr nach Hause geschickt.

Als Bauunternehmer finde ich den Vorstoß der Grünen grundsätzlich in Ordnung. Allerdings muss man nach Gewerben differenzieren und kann nicht generell Hitzefrei geben. Es ist etwas anderes, ob Sie bei der Hitze auf dem Dach arbeiten oder im Inneren eines Rohbaus."

Foto: Armin Weigel/DPA

Heinz-Peter Frehn, Geschäftsführer des Gurkenhof Frehn im Spreewald, Brandenburg

"Ich stehe mit einer Gruppe auf einem Feld in der Mittagshitze und ja, ich hätte auch gern Hitzefrei. Aber das können Sie in der Landwirtschaft nicht machen. Wir müssen die Gurken bei jedem Wetter ernten. Wenn Hitzefrei für meine Pflücker Pflicht wäre, dann würde es keine Spreewaldgurken mehr geben.

Meine Mitarbeiter werden so gut es geht vor Sonne und Hitze geschützt. Wir fahren mit dem Gurkenflieger aufs Feld, da liegen die Erntehelfer unter einer Plane im Schatten. Für die Hände verteilen wir Sonnencreme und es gibt Getränke. Aber mehr als noch darauf zu achten, dass der Gurkenflieger so ausgerichtet ist, dass der Wind zur Kühlung unter die Planen fährt, können wir nicht tun.

Wir fangen allerdings schon frühmorgens um 5 Uhr an, sodass wir bis maximal 13.30 Uhr fertig sind. Da kommen die Erntehelfer nicht in die ganz große Mittagshitze."

Foto: Ralf Hirschberger/ DPA

Frank Paulus, Technischer Leiter Paulus Straßenbau GmbH in Berlin

"Mir doch egal, was die Grünen fordern. Ich schicke meine 20 Straßenbauarbeiter im Sommer schon seit Jahren um 12.30, spätestens 13 Uhr nach Hause. Sie tragen zwar Basecaps und Kühlwesten, die die Körperwärme aufnehmen und so kühlen sollen. Aber das hilft nichts. In der Mittagshitze ist es einfach zu warm im Straßenbau.

Dabei stehen meine Mitarbeiter bei Gehwegarbeiten sogar häufiger mal im Schatten. Und wir machen Platten- und Pflasterarbeiten, keine Asphaltierungen. Da will ich mir gar nicht vorstellen, wie heiß das wäre.

Meine Angestellten arbeiten bei Hitze zwar nur sechs Stunden, bekommen aber trotzdem acht Stunden bezahlt. Dass wir das machen und auch bezahlen, ist unsere Privatangelegenheit. Das liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Ich wüsste nicht, wer in meiner Branche seine Leute nach Hause schickt und trotzdem bezahlt. Wenn ich mir das nicht leisten könnte, würde ich etwas falsch machen.

Foto: Bernd Wüstneck/ DPA

Christoph Wittemann, Landwirtschaftsmeister auf dem Erdbeerhof Dr. Späth in Malsch, Baden-Württemberg

"Wir können kein Hitzefrei geben. Das Obst muss jetzt geerntet und das Getreide jetzt eingeholt werden. Die Erdbeeren werden sonst schwarz und die Stachelbeeren bekommen Sonnenbrand. Am Wochenende ist Regen angekündigt. Wenn wir das Getreide nicht rechtzeitig dreschen, wird die Qualität schlechter. Dann müssen wir es statt Brotgetreide als Futtergetreide verkaufen. Das würde große finanzielle Einbußen bedeuten. Auch das Stroh muss trocken heim. Gutes Erntewetter ist heiß.

Bei der Obsternte achten wir darauf, dass die Erntehelfer nicht in der schlimmsten Mittagshitze raus müssen. Jetzt sind die Heidelbeeren reif. Die werden von 6 bis 12 Uhr und dann wieder ab 18.30 Uhr gepflückt. Unsere 30 Erntehelfer tragen Sonnenhüte. Mehr Schutz gibt es nicht.

Wir stellen ausreichend Wasser zur Verfügung. Und zum Frühstück bieten wir den Saisonkräften eine Gemüsebrühe an. Damit sie genug Mineralstoffe aufnehmen. Die werden bei Hitze ausgeschwemmt. Aber das wird nicht so gern angenommen. Kaffee ist morgens beliebter.

Die Getreidearbeiten werden auch in der Mittagshitze gemacht. Die Mähdrescher sind zwar klimatisiert, aber für die Stroharbeiten müssen die Mitarbeiter in die Sonne. Ich überlasse ihnen weitestgehend, wann sie arbeiten. Hauptsache, die Arbeit wird gemacht.

Wäre Hitzefrei Gesetz, würden mir die Saisonarbeiter auf der Nase rumtanzen. So können wir miteinander reden, zu welcher Tageszeit die Arbeiten gemacht werden."

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