Humor im Job Wer lacht, hat Macht

Der Arzt: "Sie haben noch zehn zu leben." - "Zehn was? Wochen, Monate, Jahre?" - "9, 8, 7, ..."
Humor ist, wenn man trotzdem lacht - sogar im Krankenhaus, wie Eva Ullmann zeigt, die das Deutsche Institut für Humor in Leipzig gegründet hat und dort am Uniklinikum Vorträge für Ärzte und Pfleger hält, etwa zu "Humor und Sterben". Außerdem schult sie das Führungspersonal in Patienten- und Mitarbeiterkommunikation und bietet für Studenten den Workshop "Humor in der Medizin" an.
Ullmann hatte selbst sechs Semester Medizin studiert, bevor sie sich als Trainerin selbständig machte. "Wenn medizinisches Personal über Patienten und die Tragik von Krankheiten ablacht, finde ich das völlig berechtigt und eine wichtige Psychohygiene", sagt sie. "Es wäre allerdings clever darauf zu achten, dass es in einem geschützten Raum passiert. Ich als Patientin möchte diesen Humor nicht hören und verstehe ihn auch nicht."
In Teams aber kann Humor eine kathartische Wirkung haben. Eine Reihe von Studien zeigt, dass Lachen gesund ist (wenn auch nicht unbedingt die beste Medizin). Es gibt sogar eine eigene Lach-Wissenschaft: Die Gelotologie beschäftigt sich mit den körperlichen und psychischen Auswirkungen. Lachen ist von führenden Ärzten empfohlen - weil es die Durchblutung fördert, das Immunsystem stärkt, Schmerzen erträglicher macht und die Produktion von Endorphinen anregt, den sogenannten Glückshormonen. Die Gesichtsmuskeln lockern sich, die Synapsen werden gerüttelt und die Hirnwindungen mal schön freigeblasen - gut für die Kreativität.
Witz mit Widerhaken
"Menschen, die miteinander lachen können, werden auch besser kooperieren", sagt der Züricher Psychologieprofessor Willibald Ruch, der ein jährliches Symposium der internationalen Humorforschung ins Leben gerufen hat. "Humor kann ein positives Klima erzeugen, das auch bei Firmen die Widerstandskraft, auch während Belastungen, erhöhen kann."
Allerdings ist Humor nicht immer freundlich und harmlos. Mancher Witz hat Widerhaken, die je nach Empfindlichkeit Wunden reißen. Trainerin Ullmann unterscheidet zwischen "selbstaufwertendem" und "selbstabwertendem" Humor. Was eigene Stärken oder Stärken des Gegenübers benennt und übertreibt, also ein dickes Lob, ein galantes Kompliment, wird meist positiv aufgenommen.
"Wenn ich zu meiner Büroleiterin sage, sie ist die Heldin der Organisation und Strukturfähigkeit, und ohne sie würde das Humorinstitut nicht überleben, dann ist das eine Übertreibung, und zwar eine sehr wertschätzende", so Ullmann. Dagegen wäre "Heldin der Pünktlichkeit, besonders zum Feierabend hin" eher abschätzig. "Sich selbst oder andere mit Humor aufwerten führt zu Nähe", sagt Ullmann, "sich selber und andere abwerten zu Distanz."
Besonders schmerzhaft sind Anspielungen auf persönliche Merkmale, an denen ein Kollege ad hoc wenig ändern kann. Zum Beispiel Übergewicht, ein Klassiker. Der Satz "Nimm, den steckst du noch locker weg!" vergiftet jeden Schokoriegel. Unter Kollegen können solche Flapsigkeiten in beleidigte Nichtbeachtung oder in Bürokrieg münden - erst recht, wenn der Chef zu groben Späßen auf Kosten von Mitarbeitern neigt. Konkurrenzdruck verschärft den Ton zusätzlich.
Lustige Bewerber bevorzugt
Andererseits könne Humor auch Spannungen abbauen und das Arbeitsklima verbessern helfen, meint Barbara Wild. Die Tübinger Neurologin und Psychiatrieprofessorin zweifelt aber, ob "ein Arbeitgeber das bei seinen Angestellten immer will": "Ich denke schon, das kann sich positiv auf den Erfolg des Unternehmens auswirken, zum Beispiel in Verkaufsverhandlungen. Aber humorvolle Arbeitnehmer lassen sich wahrscheinlich auch nicht so stark unter Druck setzen."
Humor kann eine ernste Sache sein. Das Thema nährt auch eine kleine Branche von Beratern, Seminar- und Workshop-Anbietern. In den USA vertrauen Unternehmen wie Southwest Airlines oder Hewlett-Packard auf die befreiende Kraft des Lachens und engagieren Humorberater. Bei Einstellungstests müssen Bewerber zuweilen zeigen, dass sie Witz haben. In Deutschland sieht der Wiener Psychoanalytiker Professor Alfred Kirchmayr Nachholbedarf. Dabei bräuchten gerade Führungskräfte eine ordentliche Portion Humor, "weil er ihre schwierige und hochkomplexe Aufgabe erleichtert und würzt. Die Pflege der 'Heiteren Dreifaltigkeit' ist da besonders wichtig: Leichtigkeit, Lockerheit, Lachen."

Mensch ärgere dich: Gadgets für Kollegenhasser
Der sogenannte therapeutische Humor gehört inzwischen zum Standardrepertoire einiger Teamtrainer - auch in Deutschland. Es geht nicht um Nachhilfe für Pausenclowns oder notorische Witzeerzähler, betont Michael Titze, Psychotherapeut und Gründungsvorsitzender des Vereins Humorcare : "Therapeutischer Humor gibt Anregungen, wie typische Alltagskonflikte 'spielend', also ohne große Anstrengung, gelöst werden können." Die Teilnehmer lernen, dass gemeinsames Lachen ein Wir-Gefühl erzeugt.
Rollenspiel aus der Box
Eine gute Methode sei der "Kummerkasten", so Titze: Die Mitarbeiter schreiben während der Arbeitswoche alles auf, was ihnen missfällt, und werfen ihre Zettel anonym in eine Sammelbox. Am Freitagnachmittag leert der Humorberater die Box bei einer Teambesprechung. Die Notizen auf den Zetteln werden in ein "humordramatisches Rollenspiel" umgesetzt und parodistisch übersteigert.
"Wichtig ist, dass bei dieser Gruppenarbeit niemand verletzt oder dekuvriert wird", sagt Titze. "Und wenn der Chef einfach mitspielt, sich also am Rollenspiel und der anschließenden Besprechung beteiligt, ergibt sich eine heitere Solidarität wie von selbst."
Ein weiterer Trainingsbaustein sind Lachübungen, zum Beispiel das von dem indischen Arzt Madan Kataria entwickelte Lach-Yoga, das weltweit in sogenannten Lachclubs praktiziert wird: motorisches Lachen ohne Beimischung von Scherzen sozusagen, somit auch geeignet für Menschen, denen es an natürlichem Humor gebricht - muss man mögen.
Ebenso vermitteln Seminare zur Humortheorie rhetorische Techniken. Wer sie beherrscht, ist in der Lage, verbale Angriffe gekonnt zu kontern. Und Schlagfertigkeit ist allemal eine Paradedisziplin, um das Büroleben zu meistern. Manche Berater arbeiten mit Karikaturen, die sie von einem professionellen Zeichner während des Trainings anfertigen lassen - mitunter greifen auch die Teilnehmer zum Stift und bringen aus der Erinnerung eine Konfliktsituation oder ein Erfolgserlebnis zu Papier.
Der Erfolg des Trainings zeigt sich darin, dass Kollegen, Chefs und Mitarbeiter einander besser zuhören, mehr Rücksicht nehmen und bereit sind, sich gegenseitig zu helfen. Sie gewinnen Abstand zu den Widrigkeiten des Büroalltags. Und sie sehen sich selbst mit anderen Augen - kritischer, aber auch gelassener. "Denn die eigentliche Funktion des Humors ist Relativierung, nach dem Motto: Die Lage ist katastrophal, aber nicht ernst", sagt Berater Titze.

KarriereSPIEGEL-Autor Christoph Stehr ist freier Journalist in Hilden.