
Tipps von der Karriereberaterin Ich bin die perfekte Bewerberin, aber die wollen mich nicht


Luisa, 35 Jahre, fragt: »Ich arbeite seit zehn Jahren in derselben PR-Agentur und sehne mich nach Veränderung. Ich habe mich bei einer Firma beworben, die in derselben Branche arbeitet wie einer unserer Hauptkunden – die Anforderungen in der Stellenanzeige erfüllte ich hundertprozentig. Aber ich bekam eine Standardabsage, ›da es andere Kandidat:innen gibt, die dem Anforderungsprofil der Rolle besser entsprechen‹. Ich frage mich wirklich, wer besser geeignet sein sollte als ich! Sollte ich in der Personalabteilung anrufen und nach den genauen Gründen fragen? Oder würde ich mir damit Chancen verbauen, sollte ich mich noch einmal dort bewerben?«
Petra Cockrell ist selbstständige Jobprofilerin mit den Schwerpunkten Bewerbung, Karriereentwicklung und Mitarbeitergewinnung. Sie arbeitete viele Jahre in Führungspositionen internationaler Unternehmen.
Liebe Luisa,
da macht man sich die Mühe, eine perfekte Bewerbung zu schreiben, freut sich auf eine Gesprächseinladung und ist gedanklich schon beim neuen Job – und dann kommt gefühlt die Vollbremsung in Form einer postwendenden Absage.
Ihr Gedanke, sich bei der Firma nach den Gründen zu erkundigen, ist nachvollziehbar. Aber bitte versprechen Sie sich davon nicht zu viel: Seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006 halten sich potenzielle Arbeitgeber mit bewerbungsbezogenen Auskünften sehr zurück. Auf Basis dieses Gesetzes darf niemand wegen »seiner Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität« benachteiligt werden. Aus Sorge, ein Kandidat könnte sich aufgrund einer vermeintlichen Diskriminierung in die Firma einklagen oder Entschädigungen verlangen, werden konkrete Informationen zu Absagegründen entweder komplett abgeblockt oder bleiben sehr allgemein. Das sehen Sie ja auch am Absageschreiben, das in dieser Form zigfach versendet wird, zum Teil auch nach mehreren persönlichen Interviews. Hauptsache rechtssicher!
Ist damit ein Anruf völlig überflüssig? Nein, Sie können natürlich nachfragen, aber mit einer anderen Zielrichtung. Etwa, um sich zu erkundigen, ob in absehbarer Zeit vergleichbare Stellen ausgeschrieben werden. So bekunden Sie weiterhin ihr Interesse am Unternehmen und können gleichzeitig anbieten, dass man ihre Bewerbungsunterlagen für zukünftige Stellen speichern darf. Ohne ihre ausdrückliche Zustimmung müssen die Daten spätestens sechs Monate nach Beendigung des aktuellen Bewerbungsverfahrens gelöscht werden. Wichtig: Auf dieses Gespräch sollten Sie sich vorbereiten, denn es kann eine Art »Mini-Interview« werden. Sie sollten dafür auf jeden Fall Ihre Kurzvorstellung, den »elevator pitch«, parat haben und die Frage: »Was suchen Sie denn genau für eine Position?« konkret beantworten können.
Stellenanzeigen richtig lesen
Nun noch ein paar Worte zur Stellenanzeige und dem Anforderungsprofil. Arbeitgeber haben ein großes Interesse daran, dass neu eingestellte Mitarbeiter nicht nach relativ kurzer Zeit wieder kündigen. 100 Prozent Passung zum Anforderungsprofil hört sich im ersten Moment optimal an, aber ein Faktor bei den Einstellungsüberlegungen ist eine mögliche Unterforderung: Ich mache genau das, was ich vorher auch getan habe. Bereits nach kurzer Zeit ist man gefühlt wieder im alten Fahrwasser, langweilt sich und geht wieder auf Stellensuche – so die Sorgen des Arbeitgebers. Stellt die neue Stelle dagegen für einen Bewerber eine Entwicklungsmöglichkeit dar mit neuen Herausforderungen, so wird das als positiv bewertet. Ein weiterer interessanter Aspekt ist hier auch die Angabe zum Wechselgrund in Ihrem Anschreiben: Was wurde da angegeben? Kann die Stelle das aus Sicht des Unternehmens erfüllen?
Meist enthält die Stellenanzeige eine Angabe zur erwarteten Berufserfahrung. Sie ist ein wichtiger Hinweis, auf welches Erfahrungs- und damit Gehaltsspektrum die Stelle ausgelegt ist. »Zwei bis drei Jahre« deuten auf eine Junior-Position hin, was einem fortgeschrittenen Berufsanfänger entspricht. Mit zehn Jahren Erfahrung sollte in ihrem Fall hier »mindestens fünf Jahre in vergleichbarer Position« stehen. Sonst landen Sie leider in der Kategorie »überqualifiziert« oder Ihre Gehaltsforderung ist zu hoch, was ebenfalls zur Absage führt.
Schlüsselwörter für den Lebenslauf
Häufig erfüllen die Bewerber die Anforderungen für bestimmte Stellen komplett – aber der Lebenslauf vermittelt es nicht. Es ist enorm wichtig, hier auf eine selbsterklärende Darstellung der bisherigen Tätigkeiten zu achten. Dabei sollten unbedingt gängige Schlüsselwörter verwendet werden, die in den Stellenanzeigen zur Beschreibung der Aufgaben auftauchen. Immer mehr Unternehmen setzen im Rahmen des e-Recruitings auf elektronische Prozesse. Spezielle Recruitingsoftware liest auf Basis eben jener Keywords die Lebensläufe aus, die über Onlinebewerbungen eingehen. Im ersten Bearbeitungsschritt läuft die Auswahl immer häufiger rein maschinell ab. Findet die Software nicht, wonach sie aufgrund der Voreinstellungen sucht, erfolgt unmittelbar die Absage.
Sie wollen Absagen reduzieren und die Einladungsquote erhöhen? Das exakte Lesen und die kritische Beurteilung von Stellenanzeige in Kombination mit einem aussagekräftigen Lebenslauf ist dabei das A und O. Das haben Sie selbst in der Hand. Welche qualifizierten Mitbewerber es gibt, bleibt dabei immer ein Geheimnis und somit die große Unbekannte.