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Rat vom Jobcoach Ich werde bei der Beförderung übergangen

Immer fleißig, immer Top-Leistung - trotzdem geht die Karriere nicht voran. Florian grübelt, was er falsch macht. Der Jobcoach stellt ihm erst mal eine ganz grundsätzliche Frage.
Foto: Frank Rumpenhorst/ picture alliance / Frank Rumpenhorst/dpa

Florian, 36, fragt:

Ich arbeite seit neun Jahren bei einem Konsumgüterhersteller in der Marktforschung. Aufgrund meiner sehr guten Kenntnisse der Methoden und des Lebensmittelmarktes wurden mir in den vergangenen Jahren viele wichtige Projekte übertragen. Meine Leistungen wurden fast immer als überdurchschnittlich beurteilt. Darum kann ich mir nicht erklären, weshalb ich bereits zweimal bei der Besetzung einer Teamleiter-Stelle übergangen wurde. Jetzt wurde mir ein jüngerer Kollege aus einer anderen Marketingabteilung vorgezogen, der viel weniger Fachkompetenz besitzt als ich. Was läuft hier falsch, und wie kann ich mich besser verkaufen?

Hallo Florian,

so wie Sie Ihre Situation beschreiben, erscheinen Sie sehr aufgabenorientiert. Erlauben Sie mir die Frage: Warum wollen Sie eine Führungsrolle übernehmen? Viele Führungskräfte streben Status, Gehalt und Privilegien an und übersehen dabei, dass sich ihre Aufgaben stark verändern. Überprüfen Sie Ihre Motive. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Sie täglich Mitarbeitergespräche führen, Meetings leiten und die unvermeidlichen administrativen Dinge erledigen müssten.

Im zweiten Schritt beobachten Sie sich in den kommenden Wochen selbst. Auf diese Weise können Sie die Gründe für Ihre ausbleibende Beförderung erforschen. Unterscheiden Sie dabei zwischen gegenwärtiger Leistung und Potenzial für Führungsaufgaben. Überdurchschnittliche Leistungen befähigen nicht automatisch zu Führung.

An zukünftige Führungskräfte werden vor allem überfachliche Anforderungen gestellt. Ich möchte davon nur einige wenige Aspekte hervorheben, die Sie für sich reflektieren können. Denn vielleicht senden Sie die falschen Signale aus.

  • Sind Sie der natürliche Anführer einer Gruppe oder eher ein Unterstützer?
  • Werden Sie aktiv und übernehmen die Initiative, wenn es ein Problem gibt, oder warten Sie ab, was andere tun?
  • Sind Sie kontaktfreudig und gehen auf andere Menschen zu, oder analysieren Sie lieber Marktforschungsdaten und optimieren die Untersuchungsmethoden?
  • Achten Sie eher auf Gesamtzusammenhänge oder auf Details?
  • Wie reagieren Sie in Konflikten? Kooperation ist wichtig, aber können Sie sich auch durchsetzen?

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Doch nehmen wir einmal an, Sie verfügen über den Willen und das Potenzial zur Führung. Dann müssen Sie sich offensichtlich besser verkaufen, damit Sie nicht übersehen werden - und zwar bereits vor der nächsten Bewerbung auf eine freie Stelle. Setzen Sie sich aktiv in Szene. Sie können verschiedene Möglichkeiten nutzen, um sich in eine informelle Führungsrolle zu begeben.

  • Bieten Sie sich gezielt an, wenn in Projekten die Aufgaben und Personen zu koordinieren sind.
  • Lassen Sie sich die Leitung von Meetings übertragen oder ergreifen Sie die Initiative, wenn es unklar ist, wer das Meeting leiten soll.
  • Greifen Sie Konflikte auf und stellen Sie sich als Vermittler zur Verfügung und moderieren das Klärungsgespräch.

Am Anfang wird dies vielleicht ungewohnt für Sie sein. Mit etwas Übung fühlt es sich dann ganz natürlich an, und Ihr Umfeld wird Sie als informellen Führer anerkennen.

Sie sollten Ihre Ambitionen auch im Jahresgespräch mit Ihrem Vorgesetzten thematisieren. Vereinbaren Sie mit ihm einen Entwicklungsplan, der Sie auf eine Führungsaufgabe vorbereitet. Sie könnten zum Beispiel die Auszubildenden betreuen. Das bietet eine gute Möglichkeit, das Delegieren, Einarbeiten und Feedback geben zu üben.

Oder Sie überlegen sich zukunftsträchtige Themen für Hochschulpraktikanten oder Werkstudenten, die direkt von Ihnen geführt werden. Dafür gibt es meistens nur geringe bürokratische Hürden, und Sie können sich als Führungskraft beweisen.

Suchen Sie auch hin und wieder den Kontakt zum Bereichsleiter und berichten ihm von Ihren Ideen und kleinen Erfolgen in der informellen Führung. Daraus erkennt er Ihren Führungsanspruch und Ihre Fähigkeiten.

Ganz wichtig: Bleiben Sie jederzeit loyal zu Ihrem direkten Vorgesetzten. Dieser darf nicht das Gefühl bekommen, Sie würden seine Rolle anzweifeln oder ihn hinter seinem Rücken in seiner Position gefährden. Machen Sie ihm auch deutlich, wie Ihre Aktivitäten ihm nutzen. Nur so wird er Sie unterstützen.

Zum Autor

Matthias Martens, Jahrgang 1964, war zehn Jahre Personalleiter im Otto-Konzern, bevor er sich 2006 für die Selbstständigkeit entschied. Heute begleitet der Inhaber einer Outplacementberatung  als Berater und Coach vor allem Menschen in der Lebensmitte, die sich beruflich neu orientieren wollen oder müssen. Alle Kolumnen von Matthias Martens  Mail an den Coach 

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