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Mythen der Arbeit In der Krankenpflege verdient man wenig - stimmt's?

Fachkräfte in der Krankenpflege verdienen wenig, ist oft zu hören. Tatsächlich verdienen sie mehr als der Durchschnitt aller Beschäftigten, rechnet Arbeitsmarktforscher Joachim Möller vor.
Ein Krankenpfleger schiebt in einer Klinik ein Krankenbett durch den Flur

Ein Krankenpfleger schiebt in einer Klinik ein Krankenbett durch den Flur

Foto: Daniel Bockwoldt/ picture alliance / dpa

In einer alternden Gesellschaft wie der unseren werden Pflegekräfte immer wichtiger. Und schon heute fehlen hier Fachkräfte. Zwei Faktoren werden dabei meistens als maßgebliche Ursachen benannt: Die harten Arbeitsbedingungen, die tatsächlich häufig von Stress und Überlastung geprägt sind, und eine nicht ausreichende Bezahlung. Aber wie hoch ist diese eigentlich?

Vollzeitbeschäftigte Fachkräfte in der Krankenpflege verdienten im Jahr 2016 im Mittel 3239 Euro brutto monatlich - das sind mehr als 100 Euro mehr als Beschäftigte in Deutschland durchschnittlich verdienten. Das durchschnittliche Brutto-Monatsgehalt aller deutschen Arbeitnehmer lag nämlich bei 3133 Euro. Dies zeigt eine neue Studie , die Jeanette Carstensen, Doris Wiethölter und Holger Seibert bei uns am IAB durchgeführt haben.

Wenn hier von "im Mittel" oder "Durchschnitt" die Rede ist, geht es um den Median. Er liegt genau in der Mitte der Lohnverteilung: 50 Prozent verdienen mehr, die anderen 50 Prozent verdienen weniger.

Überbezahlt sind Beschäftigte in der Krankenpflege nicht

Dass Krankenpflege-Fachkräfte überdurchschnittlich verdienen, ist keineswegs eine neue Entwicklung, auch im Jahr 2012 war das Bild schon sehr ähnlich. Und vergleicht man die Gehaltsentwicklung von 2012 bis 2016, liegt die Steigerung bei den Fachkräften in der Krankenpflege mit 8,9 Prozent geringfügig höher als bei allen Beschäftigten mit 8,6 Prozent.

Überbezahlt sind Beschäftigte in der Krankenpflege aber ganz gewiss nicht: Beim Durchschnittsverdienst sind nämlich schon Zuschläge für Nachtschichten oder spezielle Dienste wie die Arbeit auf der Intensivstation hinzugerechnet.

Deutlich schlechter bezahlt werden Fachkräfte in der Altenpflege. Sie verdienten 2016 nur durchschnittlich 2621 Euro brutto pro Monat. Helfer in der Altenpflege kamen sogar nur auf 1870 Euro monatlich. Wer in der Krankenpflege half, kam immerhin auf 2478 Euro.

Der Vergleich mit 2012 zeigt: Auch hier hat sich die Situation nicht grundsätzlich verändert. Zwar fielen die Zuwächse mit 9,4 Prozent bei den Fachkräften und mit 9,6 Prozent bei den Helfern in der Altenpflege etwas höher aus als beim Durchschnitt aller Beschäftigten, aber die Differenz ist nicht groß.

Auffällig ist, dass die Differenz bei der Bezahlung zwischen Kranken- und Altenpflege je nach Bundesland unterschiedlich ausfällt. In Sachsen-Anhalt verdienen Fachkräfte in der Altenpflege rund 30 Prozent weniger als in der Krankenpflege. In Bayern und Baden-Württemberg beträgt der Abstand nur 13 Prozent.

Aber woher kommt es, dass in der Altenpflege schlechter bezahlt wird? "Die Löhne der Pflegekräfte stellen für die Pflegeeinrichtungen einen wesentlichen Kostenfaktor dar. Sie sind aufgrund der ausgehandelten Pflegesätze außerdem weniger flexibel als in anderen Wirtschaftsbereichen", schreiben die Autoren der eingangs erwähnten Studie. Das bedeutet: Weil die Pflegeeinrichtungen vergleichsweise wenig Einfluss auf ihre Finanzierung haben, sind hier deutliche Lohnerhöhungen nicht einfach zu erreichen.

Hinzu kommt: Gerade bei den Altenpflegeeinrichtungen stehen tarifgebundene Einrichtungen oft unter erheblichem Druck, weil sie sich im Wettbewerb zu nicht tarifgebundenen Anbietern befinden. Wenn jemand für die Pflege seiner Eltern in einem Pflegeheim Zuzahlungen leistet, kann es je nach Einkommen schon einen erheblichen Unterschied machen, ob es einige Hundert Euro mehr oder weniger sind.

Die Forderung, gerade die Pflegekräfte in der Altenpflege besser zu bezahlen als bisher, ist dennoch richtig - und dringender als in der Krankenpflege. Eine bessere Bezahlung kann auch helfen, die Personalengpässe in der Pflege zu reduzieren. Höhere Verdienste könnten die Tätigkeiten attraktiver machen und eine höhere Wertschätzung dieser ebenso anstrengenden wie gesellschaftlich wichtigen Berufe ausdrücken.

Gleichzeitig muss uns aber bewusst sein: Das Geld dafür haben wir zum einen in Form von Beiträgen für die Pflegeversicherung aufzubringen, zum anderen oft auch noch individuell in Form von Zuzahlungen zu den Pflegekosten unserer Eltern. Für die anständige Bezahlung der Pflegekräfte stehen wir also auch individuell in der Pflicht.

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