
Berufsziel Botschafter: So wird man Diplomat
Diplomatie als Beruf "Bleibt denn da noch Zeit zum Leben?"
Vor der Information steht die Kontrolle. Nur wer sich für die Veranstaltung angemeldet hat, darf das Auswärtige Amt an der Adenauerallee in Bonn an diesem Nachmittag betreten. Am ersten Kontrollpunkt fragen Sicherheitsbeamte den Namen ab und vergleichen ihn mit der Liste der Teilnehmer. Im Gebäude folgen die Taschenkontrolle und anschließend der Metalldetektor. Getränkeflaschen bleiben draußen.
140 junge Leute wollen direkt an der Quelle erfahren, was es mit dem Beruf des Diplomaten genau auf sich hat, und wie man einer wird. "Diplomatie als Beruf" heißt die Infoveranstaltung des "AA", wie Kenner sagen. Jonathan Pungel hat noch nicht mal das Abi in der Tasche, aber den Botschafter-Job findet der 18-Jährige durchaus jetzt schon interessant.
Vor dem kleinen, nüchternen Saal im ersten Stock, in dem zwei Vertreter der Akademie Auswärtiger Dienst durch die Veranstaltung führen, sammeln sich 30-Jährige im Anzug und 18-Jährige in Turnschuhen und Kapuzenpulli um Tische mit Infobroschüren, Flyern und Stressbällen. Einen Dresscode gibt es nicht.
Alle drei Jahre umziehen
Dass Diplomatie eher ein Lebensweg als ein Beruf ist, wird Jonathan Pungel bereits nach dem ersten Informationsblock klar. Bei Kaffee und Kuchen in der Lobby wägt er in einer kurzen Pause Vor- und Nachteile ab. Diplomat sein, das haben die Referenten direkt deutlich gemacht, heißt auch: etwa alle drei Jahre in ein anderes Land ziehen, ständig die Aufgabengebiete wechseln, bereit sein, die Meinung des Ministeriums zu vertreten - auch wenn sie stark von der eigenen abweicht.
"Das ist schon eine große Entscheidung", sagt Pungel. "Wir haben unser Leben ja noch nicht einmal angefangen. Da schon zu wissen, dass man für den Rest seines Lebens immer den Ort wechseln möchte, ist schwierig. Andererseits klingt es toll, nicht immer nur eine Sache machen zu müssen."
Viktorija Goldberg gesellt sich mit einer Tasse Kaffee zu Pungel an den Tisch. Sie ist auf ihrem Lebensweg schon einen Schritt weiter als der Schüler. Die 26-Jährige hat ihr Studium der Politikwissenschaft fast abgeschlossen. Im April will sie sich beim Auswärtigen Amt bewerben. Über den Job hat sie schon einiges gelesen. Sie ist hier, um "auch mal von Diplomaten selbst zu hören, wie der Beruf so ist."
Auch Ältere können sich bewerben
Die Konkurrenz, die im April auf Goldberg wartet, ist riesig. Rund 2000 Deutsche bewerben sich im Schnitt jedes Jahr auf eine Stelle im höheren Auswärtigen Dienst. Nach der Ausbildung wartet ein Job in einer der 227 Auslandsvertretungen, die Deutschland weltweit unterhält, auf sie. Dabei liegt die erste Hürde für Bewerber niedrig: Vorausgesetzt sind lediglich die deutsche Staatsangehörigkeit und ein Master oder äquivalenter Abschluss. Fach und Noten spielen keine Rolle. Auch eine Altersbeschränkung gibt es nicht, 20-Jährige können sich ebenso bewerben wie 45-Jährige.
Als nächster Schritt folgt ein monatelanges Aussiebverfahren. Ein Onlinetest prüft zunächst numerische und verbale Verarbeitungskompetenzen. Danach ist schon etwa die Hälfte der Bewerber raus. In der nächsten Runde folgt eine schriftlichen Prüfung: Sprachtests in Englisch und einer weiteren Fremdsprache, eine politische Analyse, Fragen zu Allgemeinwissen, Wirtschaft, Recht, Geschichte und Politik und ein psychologischer Test.
Wer diese Phase übersteht, darf sich persönlich vorstellen. Auf die Top-Kandidaten warten dann Gespräche mit dem Auswahlausschuss und einem Psychologen, ein Rollenspiel, eine Gruppenaufgabe und ein Kurzvortrag.
Ein paar Dutzend bleiben übrig
Am Ende bleiben 40 bis 50 Kandidaten übrig, die einen der Ausbildungsplätze erhalten - sofern sie den Gesundheitscheck und die Sicherheitsprüfung durch den Verfassungsschutz bestehen.
Viktorija Goldberg hat Respekt vor den Prüfungen, aber vor allem vor dem, was danach kommt. "Gerade für junge Frauen ist es sicher schwierig. Schließlich möchten viele ja auch eine Partnerschaft führen oder eine Familie gründen." Petra Gebauer, Verantwortliche für das Auswahlverfahren, kennt diese Sorgen. "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist über die Jahre für Bewerber immer wichtiger geworden." Gerade Partnern von Diplomaten verlangt der Beruf viel ab: Sie können selbst kaum einer geregelten Arbeit nachgehen.
Kein Wunder also, dass der private Aspekt die Interessenten beim Informationstag umtreibt: "Bleibt denn da noch Zeit zum Leben?", "Unterstützt das Auswärtige Amt Partner und Familie?", "Werde ich gezwungen, in ein bestimmtes Land zu gehen?".
Referent Kai Baldow beruhigt: Natürlich bleibe Zeit zum Leben, das Ministerium helfe, wo es kann, und: "Niemand wird dazu gezwungen, nach Kabul zu ziehen. Die grundsätzliche Bereitschaft zu Einsätzen überall auf der Welt ist aber die Grundlage."
Diplomat sein heißt vor allem: weltoffen und flexibel sein - beim Wohnort, bei der Lebensplanung und den Interessen. Auch wer fünf Jahre Chinesisch und Politik studiert hat, muss vielleicht drei Jahre als Pressereferent nach Helsinki oder sich in Riad mit dem Thema Umwelt befassen.
Jonathan Pungel sieht die Sache entspannt. Erstmal das Studium. "Und bis ich damit fertig bin, gibt es ja noch zig andere Wege, fremde Kulturen kennenzulernen."
Infos: Der nächste Bewerbertag für den höheren Auswärtigen Dienst findet am 21. Februar in Berlin statt. Informationen und Anmeldung unter http://diplo.de/bewerbertage
Der nächste Bewerbungszeitraum für das Auswahlverfahren 2017/18 läuft vom 18. April bis zum 31. Mai.