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Ingenieure vs. Großmütter: Wir wissen, wie man besser wäscht

Foto: SHENG LI/ REUTERS

Ingenieure als Wasch-Experten Um 15 Uhr Meeting in der Wäschetrommel

Griechen waschen kochend heiß, Spanier kalt, Chinesen nur kurz. Die Waschzonen der Welt kennt niemand besser als Robby Reinholz: Der Ingenieur erforscht internationale Bräuche und entwickelt passende Waschmaschinen - inklusive Crashtest.

7365 Kilometer ist Robby Reinholz geflogen, um einem Chinesen dabei zuzusehen, wie er seine Unterhosen wäscht. Rein in die Maschine, zehn Minuten Kaltwaschgang, fertig. Dann die Slips der Ehefrau, in der dritten Runde die des Kindes. Hauptsache, alles ordentlich getrennt - "der Hygiene wegen", erklärt der Gastgeber. Die Reise hat sich gelohnt.

Robby Reinholz, 52, ist Ingenieur der Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSH). Im Technologiezentrum Wäschepflege in Berlin-Spandau entwickelt er zusammen mit 700 Ingenieuren, Physikern und Chemikern die Waschmaschinen der Zukunft. Maschinen, die selbst erkennen, wie dreckig die Wäsche ist, die das Waschmittel entsprechend dosieren, kaum Wasser verbrauchen und noch weniger Strom. Nur: Was die Maschine kann und was der Mensch will, ist oft nicht dasselbe.

"Die Waschgewohnheiten sind schon innerhalb Europas komplett verschieden, mit deutscher Logik kommt man nicht weit", sagt Reinholz. Gegen Traditionen kommen Ingenieure kaum an - am besten fragt man die Großmütter. Spanier waschen ihre Wäsche am liebsten kalt, Griechen kochend heiß. Franzosen wollen Wäsche von oben in die Maschine füllen, Deutsche von vorn. Russen kaufen schmale Geräte und stopfen sie ordentlich voll, Amerikaner lieben riesige und lassen sie halb leer. Chinesen trennen penibel zwischen Männer- und Frauenkleidung, Ober- und Unterwäsche. Manche haben sogar eine Zweitmaschine nur für Kindersachen - mit farbigem Gehäuse, blinkendem Display und Glockenspiel-Tastentönen.

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Wer auf dem internationalen Markt bestehen will, muss die Waschzonen dieser Welt kennen. Darum ist Feldforschung für Reinholz wichtig. Die Ergebnisse sind häufig ernüchternd. Selbst seine Tochter ignoriert die in jahrelanger Arbeit entwickelten Spezialwaschgänge. Baumwolle oder Synthetik? Gras- oder Kaffeeflecken? Egal, rein damit.

Die Maschinen rumpeln rund um die Uhr

"Im Grunde benutzt jeder Mensch maximal drei verschiedene Waschprogramme", sagt Reinholz. "Aber wenn ein Kunde im Laden die Wahl hat zwischen einem Gerät mit drei Programmen und einem mit 13, nimmt er im Zweifel das Gerät, das mehr kann."

In mehr als 50 Ländern gibt es die Waschmaschinen von Siemens und Bosch zu kaufen, jeweils mit anderem Design und anderen Programmen. China und Indien sind die größten Wachstumsmärkte. Die "Sättigungsquote" sei dort noch nicht so hoch, so sagt es Reinholz. Er meint: Dort gibt es noch Waschfrauen, die am Ufer eines Flusses darauf warten, von deutschen Waschmaschinen erlöst zu werden. So einfach ist das aber nicht. Wer etwa in Indien Waschmaschinen verkaufen will, muss beweisen können, dass sie auch Curryflecken entfernen. Und meterlange Saris beim Schleudern nicht verknoten. Und heftige Stromschwankungen überstehen.

In Berlin-Spandau rumpeln deshalb 1500 Waschmaschinen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Im Wettstreit um die Kunden zählt jede Umdrehung, jeder Liter Wasser, jede Taste. Und jeder Cent. "Wir verkaufen mehrere Millionen Geräte pro Jahr, wenn wir bei jedem nur zehn Cent Material sparen können, macht das eine Ersparnis von Hunterttausenden Euro", rechnet Reinholz vor.

"Autos wecken Emotionen, Waschmaschinen nicht"

Ob Schlauch oder Antrieb, Experten kümmern sich um die Optimierung jedes Teils. Als Reinholz vor 19 Jahren bei der BSH anfing, kam er ins Projektteam für "wasserführende Bauteile". Er hatte gerade an der Uni promoviert und dachte am Anfang: "Na ja, Waschmaschinen, was soll da schon sein? Aber die Arbeit hier ist viel spannender, als man denkt." Allein die Materialien - Aluminium, Stahl, Zink, Seltene Erden. In welchem anderen Gerät werden so viele Stoffe verbaut?

"Zwischen der Ingenieursarbeit bei uns und bei einem Autohersteller gibt es eigentlich keinen großen Unterschied", sagt Reinholz. Trotzdem würde wohl kein Absolvent als Berufsziel das Entwickeln von Waschmaschinen nennen. "Autos wecken eben Emotionen, Waschmaschinen nicht", so der Ingenieur. "Obwohl wir uns die größte Mühe geben."

Jede Maschine entsteht zunächst virtuell. Mit Filzpuschen und 3-D-Brille treffen sich die Ingenieure im Labor vor einer weißen Wand, auf die das Bild projiziert wird. An dem virtuellen Gerät lassen sich nicht nur Schubladen und Türen öffnen, jedes Bauteil lässt sich entfernen und drehen. Sogar in die Wäschetrommel kann man hineinklettern - ohne sich zu bücken. Wer ins Bild hineinläuft, findet sich in der Maschine selbst wieder, vor sich die Tür, ringsherum die Wäschetrommel. Sie ist groß genug, dass fürs Meeting alle Ingenieure hineinpassen. Die 3-D-Illusion macht's möglich.

Flecken werden aus der Schweiz importiert

Selbst Crashtests gibt es im Labor. So wird ein Gerät aus einem Meter Höhe fallengelassen, erst virtuell, dann real. "Wenn in China eine Waschmaschine geliefert wird, dann häufig auf dem Rücken zweier Männer. Beim Absetzen wird sie einfach losgelassen - und muss trotzdem noch funktionieren", erklärt Reinholz. "Und zwar ohne Knacken oder Quietschen."

Auf Geräusche reagieren Kunden besonders empfindlich, weiß der Ingenieur aus Erfahrung. Jedes Gerät wird vor der Serienreife im schallisolierten Akustiklabor analysiert. Sechs Mikrofone nehmen das Quietschen und Klatschen aus allen Richtungen auf. Schließt die Tür leise, aber so laut, dass man sicher sein kann, dass sie zu ist? Rastet der Programmwahlknopf deutlich ein?

2000 Waschgänge muss jeder Maschinentyp in Spandau absolvieren, bevor er in Serie geht. Nichts wird dem Zufall überlassen. Selbst die Flecken sind genormt. Ob Ruß, Nackenfett oder Rotwein, jeder Fleck wird nach strengen Vorgaben angerührt und extra aus der Schweiz importiert. Dreckig, das gibt's nicht.

Und doch beschwerten sich Kunden, ihre Wäsche werde nicht sauber - ausgerechnet im neuesten Gerätemodell. "Das Wasserklatschen war nicht mehr laut genug", erzählt Reinholz. "Natürlich war die Wäsche sauber, aber die Kunden hatten das Gefühl: Die Maschine wäscht doch nicht richtig." In solchen Fällen sei die Überzeugungskraft des Kundendienstes gefragt.

Foto: Jeannette Corbeau

Autorin Verena Töpper (Jahrgang 1982) ist KarriereSPIEGEL-Redakteurin.

Foto: Beatrice Blank
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