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Sportwagensitze fürs Büro "Unser Ferrari-Racechair kostet 25.000 Dollar"

Ferrari, Porsche, Lamborghini: Eine US-Designschmiede montiert edle Sportwagensitze auf Bürostuhlgestelle. "Unsere Kunden kaufen den Sitz, den sie auch im Wagen haben", sagt Racechairs-Chef Ron Hansen - und verrät im Interview, welchen Flitzer er unbedingt noch ausschlachten will.
Von Torben Schultz
Schnittiges für den Chef: Ein Racechair-Bürostuhl, gefertigt aus einem Sportwagensitz

Schnittiges für den Chef: Ein Racechair-Bürostuhl, gefertigt aus einem Sportwagensitz

Foto: Racechairs

Er bringt Rennsportfans in Fahrt, und zwar im Büro: Ron Hansen ist Gründer und Chef der Designstube Racechairs in Perkasie im US-Bundesstaat Pennsylvania, eine Autostunde von Philadelphia und zwei Autostunden von New York entfernt. Dort montiert Hansen Sitze aus Edelautos auf handgefertigte Bürostuhlgestelle.

Frage: Herr Hansen, was für ein Über-Ego braucht man eigentlich, um sich einen Bürostuhl mit Lamborghini-Sitz hinter den Schreibtisch zu stellen?

Hansen: Gar keins. Es reicht völlig, Liebhaber exotischer Autos zu sein. Unsere Kunden kaufen den Sitz, den sie auch im Wagen haben. Sie lieben das Statement eines maßgeschneiderten Stuhls aus einem Sportwagen und das hohe Maß an Komfort und Qualität, das ein Bürostuhl von der Stange einfach nicht bietet. In letzter Zeit haben wir auch eine steigende Zahl von Kunden mit Rückenproblemen, die nach einer guten ergonomischen Lösung für lange Arbeitstage im Büro suchen.

Frage : Sind Sportwagensitze denn besonders geeignet für Menschen mit Rückenproblemen?

Hansen: Klar. Die großen Sitzhersteller wie TRW, Recaro oder Lears investieren jedes Jahr Millionen in die Entwicklung von Sitzen, die bequem und gleichzeitig ergonomisch sind, eine Nutzung über 100.000 Meilen überstehen und die Passagiere gleichzeitig noch bei Unfällen schützen. Der Schaum muss weich genug sein, um Straßenhuckel abzufedern, gleichzeitig aber auch hart genug, um Körper und Muskeln zu stützen. Und das alles für ganz verschiedene Körpermaße. Die Zahl unserer Kunden mit größeren Dimensionen steigt. Wir haben mit großem Erfolg Stühle verkauft, die bis zu 200 Kilo belastbar sind.

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Foto: Racechairs

Frage : Wie lange dauert es, einen Racechair herzustellen?

Hansen: Die meisten Stühle brauchen weniger als 30 Tage. Wir bauen eine spezielle Konstruktion, um den Stuhl in einer angenehmen aufrechten Position zu halten - und das braucht Zeit. Außerdem lassen wir das Gestell in einer Autolackiererei lackieren. Das braucht bis zu zwei Wochen, weil unser Design sehr kurvig ist. Alles also recht arbeitsintensiv, aber das Warten lohnt sich.

Frage : Woher bekommen Sie die Sitze?

Hansen: Wir haben Beziehungen zu einigen Herstellen, von denen wir direkt kaufen. Außerdem arbeiten wir mit Rennställen zusammen, die Autos für Rennen auseinandernehmen. Und wir nehmen Sitze aus Wracks.

Frage : Sie holen Sitze aus Unfallwagen?

Hansen: Ein paar wenige kommen aus Wracks, und natürlich sind die Beschädigungen nicht so schwer, dass der Sitz in Mitleidenschaft gezogen wäre. Oft hat beispielsweise ein neuer Ferrari oder Lamborghini so viel finanziellen Schaden erlitten, dass der Besitzer ihn nicht länger behalten will - obwohl der Wagen noch ganz gut aussieht. Alle unsere Sitze werden aufwendig gesäubert und aufbereitet. Außerdem beschreiben wir auf unserer Webseite  ganz individuell den Zustand des Leders und der Oberfläche. Will ein Kunde etwa einen Sitz aus einem Ferrari 360 in rotem Leder mit weißer Naht, bleibt uns oft nichts anderes übrig, als auf ein Wrack zurückzugreifen. Bei Händlern ist da meistens nichts mehr zu machen.

Frage : Manchmal bewahren Kunden aber auch einen Sitz aus dem eigenen alten Sportwagen auf und wollen, dass Sie daraus einen Racechair machen.

Hansen: Ja, jeder Stuhl hat seine eigene Geschichte.

Frage : Erzählen Sie eine!

Hansen: Als der Porsche-Typ 997 im Jahr 2004 herauskam, stellten auch die Rennställe ihre Fahrzeuge um. In der Grand AM Continental...

Frage : ...einer US-Autorennserie...

Hansen: ...müssen die Teams einen handelsüblichen Porsche 911 zu einer Rennversion umbauen. Das hatte zur Folge, dass bei der Umstellung etliche Ställe die neuen Fahrzeuge entkernt haben - und die Sitze an uns verkauften. Sie müssen wissen, dass wir normalerweise vielleicht zwei zueinanderpassende Sitze pro Jahr anbieten können. Das liegt an all den Unterschieden in der Ausstattung. Aber mit dieser Masse an Sitzen waren wir in der Lage, einem Kunden zehn baugleiche Porsche-Bürostühle für sein Vorstandszimmer zu bauen.

Frage : Was war das Aufwendigste, was Sie je im Kundenauftrag hergestellt haben?

Hansen: Wir haben für das Formel-1-Team von Jaguar einen Präsentationssitz gebaut. Der Zulieferer Lears hatte für Jaguar-Sitze neue Sicherheitsstandards entwickelt: etwa einen Gurt, der direkt am Sitz angebracht wird. Der Sitz löst sich im Fall eines Unfalls vom Autorahmen und schafft eine Art Sicherheitszelle für den Fahrer, so dass er schnell aus dem Wrack geholt werden kann. Wir wollten dieser Einzigartigkeit auch im Sitzdesign Rechnung tragen. Das dauerte ein gutes Jahr. Ein Sammler kaufte das Stück anschließend für 18.000 Dollar.

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Frage : Ist das schon der teuerste Racechair?

Hansen: Der teuerste, den wir im Moment auf Lager haben, ist der Ferrari Scuderia 16 M für 25.000 Dollar. Der Preis hängt davon ab, aus welchem Auto der Sitz kommt. Wir hatten Anfragen für McLaren-Formel-1-Sitze, die konnten wir aber nirgendwo bekommen. Der Preis für ein solches Modell würde 30.000 Dollar locker übersteigen - zumindest wenn es nach den Preislisten von McLaren geht. Und wenn man dann einmal in den Geschichtsbüchern des Rennsports blättert oder es um berühmte Fahrer geht, können Sitze leicht bis zu 100.000 Dollar kosten. Das ist dann aber keiner unserer Racechairs mehr. 25.000 Dollar sind bei uns der Höchstpreis. Die durchschnittliche Bestellung liegt bei 4500 Dollar.

Frage : Was ist Ihr meistverkauftes Modell?

Hansen: In der Bürostuhl-Serie haben die Ferrari-Modelle den Monsteranteil von 80 Prozent des Umsatzes. Die beliebtesten sind der F360 für 7000 Dollar und der F430 Daytona für 8500 Dollar. Sie passen sich allen Körpergrößen an. Und sie haben alle Features, die Ferrari-Fans von einem Sitz erwarten: Vollleder, elektrisch verstellbare Kopf- und Rückenlehne - und natürlich das Logo einer weltweit führenden Marke in Sachen Technologie, Luxus und Leidenschaft.

Frage : Wie kommt man eigentlich darauf, Autos auszuschlachten und aus den Sitzen Bürostühle zu machen?

Hansen: Ich hatte früher einen Bürojob in der Luftfahrtindustrie, träumte aber den ganzen Tag nur von Autos. Meinen ersten Stuhl habe ich aus dem Sitz eines Ferrari F40 gebaut, den ich von einem Freund bekam. Ich liebte den Sitz - aber mit dem Gesamtbild des Stuhls war ich unzufrieden. Das ganze nächste Jahr über rannte ich von einem Büroartikelladen zum nächsten, um Gestelle zu finden, die gut zu meinem Sitz passen würden. Schließlich fand ich das Design, das wir bis heute benutzen, und der erste offizielle Racechair war fertig.

Frage : Wann war das?

Hansen: 2004. Ich habe dann ein paar Fotos in einem Internetforum gepostet, und am Ende des Tages hatte ich bereits erste Kaufangebote. Von da an haben sich die Dinge verselbständigt, 2006 hat Racechairs den ersten Sitz für einen Kunden gefertigt.

Frage : Stellen Sie neben Stühlen noch andere Möbel her?

Hansen: Etliche - Esstische aus Kohlefaser, Kaffeetische aus Motorblöcken, Beistelltische aus Rennwagenreifen.

Frage : Welchen Stuhl würden Sie gern noch bauen?

Hansen: Ich brenne darauf, einmal einen Bürostuhl aus einem Sitz des Bugatti Veyron zu bauen. Wir haben bereits einen im Kundenauftrag zusammengestellt und kommen sogar an alle nötigen Teile. Aber wenn der Kunde die originalgetreuen Innenfarben will, dauert das ein halbes Jahr in der Herstellung. Ich hoffe, er zieht das trotzdem durch.

Das Interview führte Torben Schultz, Autor bei manager magazin online.

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