Irrsinnige Chefideen "Versuchen wir das Unmögliche"

Der Moment der Inspiration: Wie entkommt man der Umsetzung?
Foto: Corbis
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch "Ich will mich aber aufregen!". Autor Matthias Nöllke (Jahrgang 1962) ist Vortragsredner, Journalist und schreibt Sachbücher, zum Beispiel zur Frage, was sich Manager von der Natur abgucken können ("Von Bienen und Leitwölfen").
Wieso hat eigentlich immer der eigene Chef die dümmsten Ideen? Ganz einfach, weil er sich für besonders schlau hält. Und so etwas rächt sich immer. Leider nicht an ihm, sondern dummerweise an den Mitarbeitern, die ständig irgendwelche irrsinnigen Chefideen ausbaden müssen. Während dein Chef selbst oft gar nicht mitbekommt, wie unausgegoren seine Einfälle sind. Denn jeder versucht, das vor ihm zu verheimlichen.
Nun machen manchmal auch Mitarbeiter haarsträubende Vorschläge. Doch richten sie damit nur selten Schaden an. Denn wenn ein Mitarbeiter eine Idee äußert, dann bekommt er erst mal eins aufs Dach. Taugt sie nichts, fallen alle über ihn her und breiten genüsslich aus, warum die Sache nicht funktionieren kann. Handelt es sich um eine richtig gute Idee, dann wird die natürlich erst recht abgewürgt. Es sei denn, der Mitarbeiter greift eine Lieblingsidee vom Chef auf. Aber dann ist ausgeschlossen, dass es sich um eine gute Idee handelt.
Chefideen taugen nichts
Es ist nämlich so: Der Chef bekommt seine Einfälle in aller Regel nicht, wenn er sich mit seinen Mitarbeitern auseinandersetzt, sie befragt, ihnen zuhört und dann eine Lösung ausknobelt. Meist hat er die Idee irgendwo aufgeschnappt, im Flugzeug darüber gelesen, bei der Konkurrenz entdeckt oder sich von einem Cheffreund einreden lassen. Und so haben all diese Chefideen eine Gemeinsamkeit: Sie taugen nichts. Man muss sie verhindern, um Unglück von der Abteilung, dem Unternehmen, der Menschheit abzuwenden. Die Kunst besteht darin, das so zu machen, dass der Chef das gar nicht mitbekommt.

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Das schaffst du nur, wenn du deinem Chef weismachst, dass du seine irrsinnige Idee für eine richtig gute Sache hältst. Sonst bist du ein Bremser und "Bedenkenträger". Und wenn die Sache schiefgeht - was sich sowieso nicht vermeiden lässt -, dann bekommst du nicht etwa recht, sondern es ist ja wohl klar, wer schuld daran hat: du Bremser und Bedenkenträger nämlich.
Weil das nach kurzer Zeit jeder begriffen hat, sagen alle, dass die irrsinnigen Chefideen richtig gut sind, ja visionär. Und dass man sich darauf freut, sie "umzusetzen". In Wirklichkeit arbeitet jeder daran, die irrsinnige Chefidee unschädlich zu machen, sie abzuändern, sie in ihr sozialverträgliches Gegenteil zu verkehren. Und zwar so, dass es so aussieht, als würde man sich ganz besonders reinhängen, um die grandiose Chefidee zu verwirklichen.
"Versuchen wir das Unmögliche"
Und doch wird es am Ende wieder mal nichts nützen. Denn geht die Sache schief, seid ihr natürlich schuld. Ihr habt nicht das gemacht, was der Chef von euch verlangt hat. "Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem", heißt es dann in der Chefetage. Und das Umsetzungsproblem, das seid ihr, die ihr jetzt an die ganz kurze Leine genommen werdet.
Hat die Sache jedoch Erfolg, ist es noch viel schlimmer. Denn der Chef fühlt sich dadurch nur bestärkt in seinem Wahn. Er gibt Weisheiten von sich wie: "Um zu erreichen, was noch nie erreicht wurde, muss man Wege gehen, die niemand vorher gegangen ist..." Oder er zitiert den Revolutionär Che Guevara: "Seien wir realistisch. Versuchen wir das Unmögliche." Und dann brütet er viele neue irrsinnige Chefideen aus, die noch tausendmal schlimmer sind als die vorherigen.

Chef-Typologie: Superstars, kreative Chaoten, Nichtskönner