Auf dem Kopf will man sie unbedingt, auf dem Rücken eher nicht: Haare. Frank Neidel und Ulrike Maldoff verdienen damit ihren Lebensunterhalt. Der Transplanteur pflanzt Haare einzeln ein. Die Kosmetikerin macht weg, was stört im Gesicht, an den Beinen oder in der Bikinizone.
Je bedrohlicher die wirtschaftliche Lage, desto mehr Menschen investieren ihr Geld in etwas Dauerhaftes: ihre Haare. Das behauptet zumindest Frank Neidel, und er muss es eigentlich wissen. Er arbeitet als Haartransplanteur in Düsseldorf. Auch Ulrike Maldoffs Geschäft geht gut. Sie macht allerdings das genaue Gegenteil, sie hat sich auf das Entfernen von Haaren spezialisiert. Wie es ist, jeden Tag mit Stoppeln und Härchen zu kämpfen, erzählen die beiden hier.
Frank Neidel hat sich auf das Transplantieren von Haaren spezialisiert
Foto: Dr. Neidel
Frank Neidel: "Das beste Mittel gegen Haarausfall ist die Glatze"
"Ich bin Facharzt für Chirurgie. Vor mehr als 20 Jahren wollte ich mich beruflich weiterbilden, dabei bin ich auf einen Arzt gestoßen, der Haare transplantiert. Das galt damals noch als Pionierdisziplin. Seit 1989 transplantiere ich selbst, mehr als 6000 Menschen habe ich schon behandelt.
Man kann nur eigene Haare verpflanzen, Fremdhaare würde der Körper abstoßen. Bei den meisten Menschen, die unter Haarausfall leiden, ist aber der hintere Teil des Kopfes noch gut bestückt, weil die Kranzhaare zur Körperbehaarung gehören und unempfindlicher sind.
Die OP dauert zwei bis vier Stunden. Als erstes entnehme ich einen 15 Zentimeter langen und einen Zentimeter breiten Hautstreifen aus dem Hinterkopf. Die Stelle wird so zugenäht, dass nur eine feine Narbe zurückbleibt, das sieht man gar nicht. Meine Mitarbeiter vereinzeln die Haarwurzeln am Mikroskop. Sie müssen innerhalb von sechs bis acht Stunden wieder eingepflanzt werden, sonst sterben sie ab. Jedes einzelne Haar setze ich in Stichkanälchen am Oberkopf ein - ganz eng, um ein natürliches Haarwachstum zu erreichen. Die Haare werden als Stoppeln eingesetzt, denn wären sie lang, könnten sie leicht rausgezogen werden.
Foto: Dr. Neidel
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Von Beruf Haartransplanteur: Rein mit der Wurzel
Menschen mit sehr dünnem Haar und großen Kahlflächen rate ich von einer Transplantation ab. Dann sage ich immer: 'Das beste Mittel gegen Haarausfall ist die Glatze.' Viele Männer sehen damit toll aus.
Von mir lassen sich Manager, Pfarrer, Ärzte, Professoren, Musiker und auch Studenten behandeln. Der Eingriff kostet zwischen 4000 und 12.000 Euro. Es kommen auch Prominente zu mir - Menschen, von denen man es nie erwarten würde. Fußballspieler, Trainer, Rennfahrer, Schauspieler, Sänger und Künstler. Mein ältester Patient war 84. Der Mann war schwer krank, konnte sich kaum noch aus dem Haus bewegen, aber er wollte mehr Haare haben. Ich habe auch schon Kinder behandelt, die schwerste Verbrennungen erleiden mussten. Auch Opfer der Ramstein-Katastrophe waren bei mir.
Während der OP unterhalte ich mich mit meinen Patienten - ja, natürlich auch über Haare. Wir lachen viel, aber nicht so, dass sich der Patient vor Lachen auf den Boden schmeißen würde. Er muss ja ruhig liegen bleiben.
Nach 20 Jahren fällt es mir manchmal schwer, mich zu motivieren. Doch ich bin diszipliniert, und meine Arbeit macht mir auch Spaß. Wenn ich an die Zukunft denke, bin ich optimistisch. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wächst mein Kundenstamm. Wenn man nicht weiß, was das Geld noch wert ist, investiert man es entweder in Aktien oder Immobilien oder in Haare - also in etwas Dauerhaftes. Und seitdem Wayne Rooney twitterte, er habe sich Haare transplantieren lassen, sind die Anfragen um zehn Prozent gestiegen."
Verödung in der Bikinizone
Ulrike Maldoff: "Ich behaupte nie, dass ich schmerzfrei arbeite"
Ulrike Maldoff, 45, ist Elektrologistin
"Vor 18 Jahren habe ich mich als Kosmetikerin selbständig gemacht. Ich hatte mich auf dauerhafte Haarentfernung spezialisiert, und damals fehlte es überall an Kräften. Um mich weiter zu qualifizieren, habe ich viele Kurse absolviert und mich an Geräten ausbilden lassen, mit denen man Haare elektrisch entfernen kann. In den USA muss man den Beruf der Elektrologistin richtig erlernen - hier ist das leider nicht so.
Seit einigen Jahren kommen mehr junge Leute in meine Praxis. Am Anfang habe ich hauptsächlich das Gesicht behandelt, jetzt sind es auch Beine und Bikinizone. Ich behandle mit der sogenannten Elos-Technik und der Elektro-Epilation. Dabei werden Lichtenergie und Radiofrequenzstrom in die Haut eingestrahlt und der Haarfollikel verödet. So wachsen die Haare nicht mehr nach.
Wenn ich Beine von oben bis unten epiliere, brauche ich ungefähr dreieinhalb Stunden pro Behandlung. Dafür zahlt man zwischen 500 und 600 Euro. Aber man braucht mindestens vier bis acht Behandlungen für ein zufriedenstellendes Ergebnis.
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Von Beruf Elektrologistin: Weg mit dem Haar
Es gibt genetisch und hormonell bedingte Haartypen. Beinbehaarung ist genetisch bedingt, ein Vollbart bei einer Frau hormonell. Solche Haare sind schwieriger zu entfernen. Wenn sich das Hormonsystem verändert, durch Krankheit oder die Wechseljahre, dann können den Frauen Haare an Brust oder Kinn wachsen. Bei Männern entferne ich vor allem Haare am Rücken, früher auch auf der Brust und auf dem Bauch. Aber da sind Haare jetzt wieder in.
Vor jeder Behandlung muss ich klären, ob bei den Patienten eine Kontraindikation vorliegt, ob sie etwa schwanger sind, blutverdünnende Medikamente einnehmen oder einen Herzschrittmacher tragen - dann kann ich bei ihnen keine Haare entfernen. Ich behaupte nie, dass ich schmerzfrei arbeite. Aber ich versuche, mein Gerät zur Haarentfernung so einzustellen, dass die Behandlung so schmerzfrei wie möglich wird. Es können auch Nebenwirkungen auftreten, wie etwa starke Rötungen - aber nur dann, wenn sich der Patient nicht an die Vorschriften hält. Zum Beispiel dürfen Kunden zwischen den Behandlungen nicht in die Sonne gehen.
Ich behandle Frauen, Männer und Transsexuelle. Männer, die Frauen werden wollen, wollen schließlich keine Haare mehr im Gesicht haben. Der Bart muss also als erstes weg. Frauen, die Männer werden wollen, brauchen an den Armen haarfreie Stellen, weil die Ärzte dort Haut entnehmen, um daraus Penis und Harnröhre zu konstruieren.
Meine jüngste Kundin war 13 Jahre alt. Sie wollte einen kleinen Oberlippenflaum loswerden. Die älteste Patientin war 75. Zu mir kommen Ärzte, Studenten, aber auch Arbeitslose.
Ich mag den Kontakt zu den Kunden. Als Kosmetikerin kann ich etwas bewirken, ich kann Menschen dauerhaft helfen. Wenn sich eine Frau vor dem Spiegel das erste Mal schminken kann, weil sie keine Haare mehr im Gesicht hat - das ist ein besonderer Moment."
Haartransplanteur und Elektrologistin - die beiden Jobs im Überblick
Haartransplanteur
Elektrologistin
Darum geht es:
Haare in Kahlstellen transplantieren und für dauerhaften Haarwuchs sorgen.
Darum geht es:
Störende Haare im Gesicht, an den Beinen und in der Bikinizone entfernen.
Arbeitsplatz:
Arztpraxis mit Behandlungsräumen.
Arbeitsplatz:
Behandlungszimmer.
Typische Aufgaben:
Beratungsgespräche führen, Haarwurzeln aus dem Haarkranz entnehmen, Haarwurzeln mikroskopisch vereinzeln und wieder einsetzen.
Typische Aufgaben:
Beratungsgespräche führen, Haare mit verschiedenen Techniken entfernen, Nachsorge.
Ist nichts für Leute, die...
...nicht an den Erfolg einer Haartransplantation glauben und keine Geduld haben.
Ist nichts für Leute, die...
...keine innere Ruhe haben.
Das Schöne am Beruf:
Den Menschen Selbstvertrauen geben.
Das Schöne am Beruf:
Etwas bewirken und Frauen wieder dazu bringen, auszugehen und sich attraktiv zu fühlen.
Schattenseiten
Die Arbeit ist sehr zeitintensiv, physisch und psychisch sehr belastend.
Schattenseiten
Man braucht viel Geduld.
So wird man es:
Medizinstudium, Facharztausbildung in einem operativen Fach (Chirurgie, Plastische Chirurgie oder Dermatologie), internationale Weiterbildung an Zentren für Haartransplantation.
So wird man es:
Ausbildung als Kosmetikerin, Weiterbildung zur Elektrologistin, aufbauende Spezialkurse.
Das müssen Bewerber mitbringen:
Ausdauer, Geschick, Sinn für Ästhetik.
Das müssen Bewerber mitbringen:
Eine sehr ruhige Hand und sehr viel Geduld und innere Ruhe.
6 BilderVon Beruf Haartransplanteur: Rein mit der Wurzel
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Haariger Job: Frank Neidel ist Facharzt für Chirurgie und seit mehr als 20 Jahren auf die Transplantation von Haaren spezialisiert. Bei der Behandlung werden Haare aus einem Hautstreifen vom Hinterkopf auf leere Stellen verteilt. Das kostet zwischen 4000 Euro und 12.000 Euro. Wenn Neidel an die Zukunft denkt, ist er optimistisch. mehr...
Foto: Dr. Neidel
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Miskroskopisch: Neidels Mitarbeiter vereinzeln die Haarwurzeln am Mikroskop. Sie müssen innerhalb von sechs bis acht Stunden wieder eingepflanzt werden, sonst sterben sie ab.
Foto: Dr. Neidel
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Prominenter Haarschopf: Der britische Fußballer Wayne Rooney hat sich im Juni 2010 Haare transplantieren lassen, angeblich für 36.000 Euro. Er steht zu dem Eingriff und redet auch öffentlich darüber. Das hat die Anfragen in Neidels Praxis in Düsseldorf um zehn Prozent wachsen lassen.
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Wertvolle Stoppeln: Neidel setzt bei seinen Patienten jedes einzelne Haar in Stichkanälen am Oberkopf ein. Damit sie nicht so leicht herausgezogen werden können, werden sie als Stoppeln transplantiert.
Foto: Dr. Neidel
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Arbeitsplatz mit Zukunft: "Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wächst mein Kundenstamm", sagt Neidel. "Wenn man nicht weiß, was das Geld noch wert ist, investiert man es entweder in Aktien oder Immobilien oder in Haare - also in etwas Dauerhaftes."
Foto: Dr. Neidel
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Alter Hase: Als Frank Neidel sich Ende der achtziger Jahre auf die Haartransplantation spezialisierte, galt das Fach noch als Pioniersdisziplin. Mittlerweile hat Neidel nach eigenen Angaben schon mehr als 6000 Menschen behandelt.
5 BilderVon Beruf Elektrologistin: Weg mit dem Haar
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Dauerhafte Haarentfernung: Ulrike Maldoff hat sich vor 18 Jahren als Kosmetikerin selbständig gemacht und sich auf das Entfernen von Haaren spezialisiert. Sie behandelt mit der sogenannten Elos-Technik und der Elektro-Epilation. Dabei werden Lichtenergie und Radiofrequenzstrom in die Haut eingestrahlt und der Haarfollikel verödet. "Ich behaupte nie, dass ich schmerzfrei arbeite", sagt Maldoff.
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Aua: Ein amerikanischer Student lässt sich vor laufenden Fernsehkameras die Brusthaare ausreißen. Auch zu Ulrike Maldoff kamen früher Männer, um ihr Brusthaar loszuwerden. "Aber da sind Haare jetzt wieder in", sagt sie.
Foto: LUCAS JACKSON/ ASSOCIATED PRESS
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Haar ist nicht gleich Haar: Um Beine von oben bis unten dauerhaft zu enthaaren, braucht Maldoff vier bis acht Behandlungen à dreieinhalb Stunden. Eine Sitzung kostet zwischen 500 und 600 Euro.
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Treue Kunden: Maldoff behandelt Frauen, Männer - und Transvestiten. "Männer, die Frauen werden wollen, wollen schließlich keine Haare mehr im Gesicht haben", sagt sie. "Der Bart muss also als erstes weg."
Foto: VANDERLEI ALMEIDA/ AFP
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Haarlos: In Brasilien ist die Haarentfernung für Frauen das oberste Schönheitsgebot. Allerdings vertrauen die Brasilianerinnen eher auf Wachs als auf Lichtenergie.