
Jobleben Corona und die neue Realität der Frauen


Dieses Jahr gibt es zum Muttertag keine selbst gemalten Bilder, die die Grundschullehrerinnen noch schnell als Malvorlage austeilen konnten. Es gibt keine aus Klorollen und eingespeicheltem Krepppapier gebastelten Hyazinthen aus der Kita. Es gibt Corona.
Und das kann unter Umständen ein besseres Geschenk werden, als die Geschenke, die wir Mütter seit Jahren bekommen. Wenn auch zu einem hohen Preis.
Seit neun Jahren suche ich als Job-Profilerin jungen Müttern einen neuen Job. Die Frauen kommen zu mir, weil sie einen Neustart wagen wollen, die Gründe sind unterschiedlich: Sei es, weil der Chef keine Teilzeitmütter mag, sei es, weil die vielen Reisen nicht mehr gehen, sei es, weil man mit Kind anders denkt als ohne. Für fast 2000 Frauen habe ich seither einen neuen Job gesucht. Von einer Botschafterin bis zur arbeitslosen Landwirtin war alles dabei.
So ist über die Jahre eine ungeplante, aber hoch spannende Markterhebung über die bundesdeutsche Frauenbefindlichkeit entstanden. Nimmt die Bundeswehr auch Frauen ab 50? (Ungern.) Kann man auch vorbestraft in der Justiz arbeiten? (Ja.) Gibt es einen finanziell tragfähigen Markt für Engelexperten? (Oh ja. Wachsend). Der Soziologe Pierre Bourdieu würde mir die Lebensläufe dieser Frauen aus den Händen reißen. Weil man an den Ideen so viel Habitus, Distinktion und Mode ablesen kann.
Am Anfang meiner Beratungstätigkeit, vor neun Jahren, war die aufkeimende vegane Küche ein Renner. Jede zweite Frau wollte ein veganes Café eröffnen: Anfangsinvestitionen, Personalknappheit und Kundenströme völlig außer Acht lassend. Jahre später fanden alle die Kreuzfahrt-Branche hoch spannend: so viel neue Diversität, fremde Länder, Hedonismus.
Seit Corona merken meine Kollegen und ich einen radikalen Trend in der Berufsberatung: Wolkenkuckucksheime und Konsum haben Kurzarbeit angemeldet. Wenn jetzt Frauen zu uns in die Beratung kommen, dann mit einem neuen Zug im Gesicht: Realität schlägt Traum. "Ich möchte etwas machen, was meinen Mann entlastet, er arbeitet bei der Lufthansa und wahrscheinlich nicht mehr lange", "mein Mann ist Arzt und hat derzeit 40 Prozent weniger Patienten, wir brauchen mein Einkommen", "bitte etwas Systemrelevantes, eine Idee, die sicher ist".
Frauen bringen sich gerade in Stellung. Sie wollen einen Job, der ihre Männer von der Alleinverdiener-Bürde entlastet, weil die grundgesunden Unternehmen, in denen die Ernährer bisher arbeiteten, von einem Tag auf den anderen existenzbedroht sind. "Mein Mann arbeitet in der Automobilzulieferindustrie", hieß vor zwei Jahren noch, "ich würde gern eine Yoga-Ausbildung machen". Heute heißt es: "Ich habe ja mal Projektmanagement gemacht, also will ich möglichst alles in diese Richtung ausbauen, damit ich mich branchenunabhängig bewerben kann."
Frauen wollen die Familien mit absichern und ja, auch sich selbst absichern. "Wer weiß, ob mein Mann noch meine Rente mitfinanzieren kann" habe ich vor drei Jahren noch nicht gehört. Jetzt ständig.
Und das ist die gute Nachricht zum Muttertag: Wir Mütter werden erwachsen. Endlich. Oder wie es eine Kundin neulich formulierte: "Ich brauche nicht mehr etwas, was mir Sinn gibt. Diese Zeiten zu überleben, ist für mich Sinn genug. Ich fühle mich gebraucht."
Die Erfahrungen meiner Kollegen und mir aus den Beratungsgesprächen der letzten Wochen zeigen: Die Frauen rüsten sich gerade für eine neue Ära. Sie fangen an, ihre eigene Berufstätigkeit klarer zu sehen, ernsthafter, solider. Sie träumen nicht mehr in Pastellfarben von der Selbstverwirklichung mit dem eigenen Café - sondern sehen die roten Zahlen im Haushaltsbuch. Wenn die Corona-Zeiten vorbei sind, wollen sie einen Job haben, und zwar einen, der die Miete zahlt - und mehr.
Also haben sich auch die Parameter bei unseren Beratungen grundlegend verändert:
Der Emotionalisierungsfaktor wird zunehmend unwichtig. "Ich möchte etwas haben, für das ich brenne" ist so out. Heute wollen die Frauen schamloser, selbstbewusster, notwendiger: Geld.
Etwas "mit Sinn" wird seltener gefordert als: "Ich suche eine virensichere Branche."
Selbst Teilzeit ist nicht mehr der oberste Wunsch junger Mütter, wenn dafür Homeoffice möglich ist. "Ich muss ja damit rechnen, dass mein Mann ausfällt, dann muss ich die Familie ernähren können."
Ja, alle diese Frauen suchen nicht unbedingt eine Führungsposition. Doch auch das habe ich in den Jahren als Berufsberaterin gelernt: Frauenkarrieren definieren sich anders als die von Männern. Wenn Frauen sagen: Wir wollen Beruf und Familie, meinen sie damit meist nicht, einen Silberrahmen mit Foto von den Liebsten auf dem Schreibtisch zu drapieren.
Erst wenn wir akzeptieren, dass Frauenkarrieren anders verlaufen als Männerkarrieren, sind wir emanzipiert. Erst wenn wir nicht dauernd Karriere mit Führung gleichsetzen, sondern mit "beruflicher Identität", sind wir flexibel und modern.
Lassen wir diese lähmende Selbstviktimisierung, die derzeit vielerorts beschrieben wird ("Frauen machen Hausarbeit, Männer starten durch"). Fokussieren wir uns stattdessen auf das, was Krise auch sein kann: nämlich Konzentration auf das Wesentliche. So kann Corona für uns Frauen einen visionären Schub in der Arbeitswelt bedeuten. Und das wäre mal ein richtig schönes Muttertagsgeschenk.