Alltag einer Hundetrainerin "99,9 Prozent meiner Arbeitszeit betreue ich Menschen"
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Job-Protokoll"erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwalt oder Betreuer im Jobcenter.
"Wer Tiere mag und deshalb als Hundetrainer arbeiten möchte, ist in dem Beruf eigentlich falsch. 99,9 Prozent meiner Arbeitszeit verbringe ich damit, Menschen zu betreuen - auch wenn das auf den ersten Blick anders wirkt.
Ich habe täglich mit Hunden zu tun, die in ihrem Verhalten auffällig sind: Sie werfen sich in die Leine, ziehen Herrchen und Frauchen durch die Gegend, bellen ununterbrochen oder beißen sogar. Viel von diesem Fehlverhalten hat damit zu tun, dass die Besitzer der Tiere zu wenig über Hunde wissen oder ihr Verhalten falsch deuten. Ich möchte nicht von Schuld sprechen, die Leute kennen sich nur einfach nicht aus.
Das Problem: Hunde lernen schnell. Man kann sich das so vorstellen, dass sie ein 'kleines Notizbuch im Kopf' haben, in dem sie sich sofort notieren, was sie durchsetzen können und was nicht. Wenn ein Hund beispielsweise beim Mittagessen neben mir sitzt, den Kopf schief legt, und mich mit großen Augen anschaut, muss ich gleich sehr bestimmt sein. Wenn ich sage: 'Ach komm, jetzt lieber nicht, mein Kleiner', und ihn, wenn er dann nicht geht, sitzen lasse, lernt er sofort: 'Was mein Frauchen sagt, ist bedeutungslos. Ich muss das nicht ernst nehmen.'
Peinliche Rennerei auf der Hundewiese
Viele Menschen kommen zu mir, weil sie ihren Hund nicht zu sich rufen können. Das Tier ignoriert sie. Manche Hundebesitzer müssen sogar hinter ihrem Hund herlaufen, um ihn wieder einzufangen. Peinlich, wenn das andere Menschen auf der Hundewiese mitbekommen.
Bei meiner Arbeit bin ich nicht allein. Ich habe meine Hündin bei mir. Wir sind ein gutes Team, denn sie hilft mir, andere Hunde richtig einzuschätzen. Gerade Tiere mit Leinenaggression wirken auf Menschen oft furchterregend, weil sie sehr laut sind und sich in die Leine werfen. Häufig sind gerade diese Tiere aber nur unsicher. Schätzt meine Hündin sie tatsächlich als aggressiv ein, hält sie sich von ihnen fern. Macht der Hund aber nur eine Show aus Unsicherheit, geht sie freundlich auf ihn zu.
Manchmal kommen besonders schwere Fälle zu mir. Ich erinnere mich noch gut an eine junge Frau, die sich einen Hütehund-Mix aus Rumänien gekauft hatte. Das Tier war sehr aggressiv und hatte die Frau schon mehrfach gebissen, als sie sich bei mir meldete. Wir trainierten unter anderem mit einem Maulkorb, damit die Besitzerin sicher mit dem Tier spazieren gehen konnte. Dann meldete sie sich plötzlich nicht mehr. Ob sie den Hund behalten hat, weiß ich nicht.
Das anonyme Jobprotokoll: So sieht der Alltag wirklich aus
Oft entstehen Probleme, weil die Menschen sich für ihre Bedürfnisse den falschen Hund ausgesucht haben. Und dabei geht es nicht nur um die Größe des Tieres, sondern auch um rassetypische Verhaltensweisen. Ein Hütehund passt zum Beispiel nicht besonders gut in eine Großstadtwohnung, auch, wenn er noch so niedlich ist.
Wer schon älter und nicht mehr so gut zu Fuß ist, sollte sich beispielsweise keine Bulldogge zulegen. Und jemand, der sehr sportlich und viel unterwegs ist, dem rate ich von einem Schoßhund ab. Auch auf Überzüchtung sollte man achten. Gerade Mopse werden oft krank, weil ihre Schnauze viel zu kurz gezüchtet wurde und sie nicht mehr richtig atmen können.
Hundetrainerin als Traumberuf
Inzwischen arbeite ich seit acht Jahren als Hundetrainerin in einer Großstadt. Eigentlich wollte ich Tierpsychologie studieren. Über das Internet fand ich einen Tierpsychologen, rief ihn an und machte einen Besuchstermin aus. Als ich dort ankam, war ich überrascht: Der Mann verdiente seinen Lebensunterhalt tatsächlich mit Hunde-Sitting und Gassi-Service. Er führte die Hunde wohlhabender, viel beschäftigter Großstädter aus.
Ich machte ein Praktikum bei ihm - und war begeistert. Mein Berufswunsch stand fest.
Inzwischen habe ich eine zweijährige Hundetrainerausbildung und mehrere Fortbildungen absolviert, auf eigene Kosten. Ich habe pro Monat etwa drei bis sechs Kunden und verbringe unterschiedlich viel Zeit mit ihnen, je nach Problem, Trainingsstand und wie viel sie mit ihrem Hund üben. Eine Trainingseinheit kostet zwischen 50 und 70 Euro.
Die Berufsbezeichnung des Hundetrainers ist leider nicht geschützt. Das führt dazu, dass gerade im Internet Hundetraining auch zu Schleuderpreisen von zehn bis 15 Euro pro Stunde angeboten wird. Diese Trainer haben oft keine Ausbildung und manchmal nicht einmal einen eigenen Hund, also keinerlei Erfahrung.
Ich arbeite mit meinen Kunden verschieden lang. Manche brauchen ein Beratungsgespräch, andere fünf bis zehn Trainingsstunden - je nach Problem, Trainingsstand und wie viel sie üben. Besonders schön ist, wenn ich positives Feedback bekomme.
Neulich schrieb mir eine Frau mit einer Bulldogge, dass sie nun, nach monatelangem Training, für sich und ihren Hund einen Urlaub gebucht habe. Sie traue sich nun zu, das Tier überall sicher mit sich an der Leine führen zu können. Das war auch für mich ein großer Erfolg."