Jobsuche-Trendcheck 2012 Boomende Branchen, bunte Bewerbungen

Interessantes neues Tool: Infografik statt konventioneller Lebenslauf
- Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt?
Noch ist die Stimmung schlechter als die Auftragslage. Doch ob die Eurokrise Mitte des Jahres 2012 vorbei ist oder die Auswirkungen dann erst bei uns ankommen, da sind sich Experten uneins. Auf den Arbeitsmarkt durchschlagen werden aber auch Exportbremsen jedoch nicht unmittelbar, zu sehr macht sich der demografische Wandel überall bemerkbar.
Die befürchtete Akademikerschwemme nach Einführung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die neuen EU-Ostländer im Mai 2011 ist ausgeblieben; trotz Merkels Werben im iberischen Raum hat sich auch kaum ein diplomierter Torero auf den Weg nach Deutschland gemacht. So müssen wir mit den heimischen "Humanressourcen" auskommen - und kommen mit niedriger Arbeitslosigkeit durch die nächste Krise.
Regional zeigen sich allerdings erschreckende Unterschiede: Da gibt es den nahezu idealen Jobmarkt in München, auf der anderen Seite eine industriearme Umgebung wie in Mecklenburg-Vorpommern; dazwischen liegt ein braches Ruhrgebiet mit Städten wie Gelsenkirchen, in denen ein Viertel der Bevölkerung Hartz IV bezieht. Mehr Mobilität könnte viele Probleme lösen. Die steht aber 2012 noch weniger im Kurs als die Jahre zuvor. Wenn ich meine Kunden frage, so rangiert oft ganz oben auf der Liste: weniger Reisen und ein Job in der Heimatstadt.
- Wer ist gesucht?
Von paradiesischen Zuständen für Arbeitnehmer sind wir selbst im Süden Deutschlands weit entfernt. Nach wie vor passen Angebot und Nachfrage nicht zusammen: Während für Altenpfleger inzwischen sogar Werbe- und Halteprämien bezahlt werden, gibt es in den Medien immer noch ein Überangebot.
Indes: Der Wind scheint sich zu drehen. Wer gute Kenntnisse in den Bereichen Online und Mobile Medien hat, konnte schon 2011 nicht klagen. Social Media Berater sind weiterhin ausgelastet, arbeiten aber aufgrund der guten Honorare bevorzugt frei. In angestellte Social-Media-Positionen holen sich Unternehmen vor allem experimentierfreudige und noch billige Junioren; das "Manager" in der Berufsbezeichnung darf hier nicht täuschen.
Besonders gefragt derzeit, aber am Markt praktisch nicht vorhanden: Mobile-Marketing-Experten. Überhaupt: Technik oder Online läuft immer. Auch methodisch starke Projektmanager machen sich weiter in den Unternehmen breit. Sicher im Sattel sitzen weiterhin Finanzexperten, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Und mit Vertrieb liegt man auch nie falsch, sofern Fachkenntnisse da sind.
- Welche Branchen boomen?
Voll im Saft steht die Medizintechnik, die im Norden und Süden des Landes gut vertreten ist. Überhaupt entwickelt sich die Gesundheitsbranche weiter prima. IT-Dienstleister und so gut wie alle technischen Bereiche suchen ebenfalls sehr stark. Doch die Beratertätigkeiten mit hohem Reiseanteil sind für die meisten Bewerber allenfalls ein paar Jahre attraktiv - dann lockt der Heimatort. So hat man es schwer, Nachwuchs zu finden. Erneuerbare Energien sind nach wie vor Bewerberliebling. Gute Chancen haben hier Quereinsteiger, wenn sie zum Beispiel aus der Baubranche umsatteln.
- Wie bewirbt man sich?
Was kommt nach der Online-Bewerbung? Mit Vizualize.me kam 2011 ein neues Tool auf den Markt, mit dem Bewerber ihren Lebenslauf als Infografik aufbereiten können. Solche Übersichten sehe ich immer öfter, einige erstellen sie sogar mit Word. Vorteil: Sie liefern das wichtigste auf einen Blick und sehen aus wie die neue Facebook-Chronik - schön bunt.
Bei traditionellen Bewerbungen setzt sich der angloamerikanische Stil weiter durch. Haben Bewerber einige Jahr einen deutschen und englischen Lebenslauf parallel gepflegt, nutzen viele nur noch den englischen, mindestens die Formatierung gleicht sich an. Das heißt: Zeitleiste muss nicht mehr links sein, sondern das ganze Blatt darf genutzt werden.
- Wie entwickeln sich Gehälter?
Die Unterschiede sind gewaltig, die Schere geht sehr weit auf. Gut aufgestellte Bewerber können auch ohne Führungsverantwortung Spitzengehälter erzielen. Nach unten scheint jedoch eine Grenze erreicht. Immer weniger Akademiker lassen sich auf mies bezahlte Jobs mit kaum 2000 Euro im Monat brutto ein und orientieren sich in besser zahlende Branchen.
Wie sehr verkrustete Tarifstrukturen dem War for Talents im Weg stehen, wird 2012 immer mehr Unternehmen klar. Unternehmen, die noch zwischen tariflichen und außertariflichen Angestellten unterscheiden, dürfen für hochqualifizierte Fachpositionen nicht einfach Gehälter hochschrauben, bei rund 60.000 Euro ist tariflich oft Schluss. Die gehaltsverwöhnten Experten und Spezialisten, etwa aus dem Online-Marketing, das bis vor kurzem noch "juniorig" geprägt war, fordern aber mehr.
Im Zweifel gehen Profis dann lieber zu einem flexibleren Unternehmen - oder arbeiten als Freelancer. Gerade im Projektgeschäft ist der Anteil dieser auf eigene Rechnung arbeitenden "Contractors" stetig steigend, auch aufgrund attraktiverer Verdienstmöglichkeiten. Da macht es wenig, dass die Mittel für den Gründungszuschuss 2012 ebenso wie die Bezugsdauer deutlich gekürzt wurden.
- Wie entwickeln sich Karrieren?
Die Vorstellungen von Karriere ändern sich weiter. Unternehmen bieten Akademikern deshalb nicht mehr nur die Führungslaufbahn, sondern auch die Projektkarriere. Zukünftig wird es noch eine weitere Unterscheidung geben: die zwischen Experte und Spezialist. Während der Experte über übergreifendes Wissen in einer Branche verfügt, baut der Spezialist sein Tiefen-Know-how immer weiter aus.
Aufstiegskarrieren werden dagegen immer unbeliebter, auch weil man beim Führen leichter Bruchlandungen erlebt - und mit fachlicher Ausrichtung schneller sichtbare Erfolge erzielt.