Rat vom Karrierecoach Gefrustet im Job? So kommen Sie da raus
Bernhard, 43, fragt:
Ich bin Abteilungsleiter in der Produktion, seit zwölf Jahren im Unternehmen. Schon vor ungefähr zwei Jahren habe ich mir vorgenommen, mir einen neuen Job zu suchen. Ich reibe mich im operativen Klein-Klein auf und fühle mich inhaltlich nicht mehr gefordert.
Doch die ersten Bewerbungen waren nicht erfolgreich. Dann hat mir mein Chef eine neue, sehr zeitaufwendige Aufgabe übertragen, und die hat mich erst mal von meinem Vorhaben abgehalten. Nun ärgere ich mich und werde immer unzufriedener. Aber ich bringe einfach nicht die Energie auf, mir eine neue Stelle zu suchen. Wie kann ich meinen inneren Schweinehund besiegen?
Matthias Martens, Jahrgang 1964, war zehn Jahre Personalleiter im Otto-Konzern, bevor er sich 2006 für die Selbstständigkeit entschied. Heute begleitet der Inhaber einer Outplacementberatung als Berater und Coach vor allem Menschen in der Lebensmitte, die sich beruflich neu orientieren wollen oder müssen. Alle Kolumnen von Matthias Martens Mail an den Coach
Hallo Bernhard,
Für einen Wechsel des Arbeitgebers muss man die persönliche Komfortzone verlassen - genau daraus resultiert der persönliche Lern- und Wachstumsprozess. Deshalb hat Ihr innerer Schweinehund einige gute Gründe, mit denen er Ihre Jobsuche blockiert: Er scheut die Mühen, die damit verbunden sind, eine passende Stelle zu suchen und Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Oder er hat Angst vor Absagen, vor Ablehnung.
Manche Menschen fürchten auch grundsätzlich Veränderung. Die Vorstellung, im neuen Unternehmen wieder von vorn zu beginnen und vielleicht in der Probezeit zu scheitern, erstickt jegliche Ambitionen im Keim. Einige Menschen fühlen sich zudem unsicher, weil sie fürchten, gute Arbeitsbeziehungen oder gar Freundschaften beim bisherigen Arbeitgeber zu verlieren.
Oft schieben Arbeitnehmer auch praktische Gründe vor, die gegen einen Jobwechsel sprechen: ein kurzer Arbeitsweg, flexible Arbeitszeiten, die gute Kantine oder das nahe Fitnessstudio. In der Karriereberatung höre ich von meinen Klienten auch Sätze wie: "Das Projekt A muss ich noch beenden, danach kümmere ich mich um die Jobsuche." Auf diese Weise wird die Suche nach einer neuen Stelle, also eine wichtige Investition in die berufliche Zukunft, immer wieder aufgeschoben.
Um diese Logik zu verstehen, fragen wir uns, mit welchem inneren Meta-Programm Sie Entscheidungen treffen: Sind Sie der "Weg von"- oder der "Hin zu"-Typ?
Hin-zu-Typen
Hin-zu-Typen bewegen sich mit ihren Gedanken häufig in der Zukunft. Sie entwickeln attraktive Ziele und malen sich aus, wie es sein wird, wenn das Ziel erreicht ist. Von dieser Vision werden sie magisch angezogen. Sie gehen mit offenen Augen durch die Welt, nutzen jeden Kontakt und sammeln Informationen, die mit ihrem Ziel in Verbindung stehen. Sie produzieren ständig Ideen, wie sie ihr Ziel erreichen können.
Sofern Sie ein Hin-zu-Typ sind, benötigen Sie ein attraktives Ziel. Wie wollen Sie zukünftig arbeiten? Stellen Sie sich Ihre Aufgaben vor, welche Themen Sie bearbeiten und welche neuen Dinge Sie dabei lernen würden. Entwickeln Sie eine bildhafte Vorstellung von Ihrem Arbeitsumfeld und den Menschen in Ihrer Umgebung. Wie würde sich Ihr Leben ändern, wenn es Realität wäre?
Hin-zu-Typen entwickeln mit einer solchen Vision genug Energie, um sich beruflich neu zu orientieren und konsequent dran zu bleiben.
Weg-von-Typen
Im Gegensatz dazu wissen Weg-von-Typen genau, was sie nicht wollen. Sie können jedoch meist nicht beschreiben, was sie stattdessen wollen. Ihre Fragestellung lässt vermuten, dass Sie eher ein Weg-von-Typ sind. Andernfalls hätten Sie bereits ein Ziel ins Auge gefasst. Davon berichten Sie jedoch nicht.
Weg-von-Typen werden meistens erst so richtig aktiv, wenn die aktuelle Situation absolut unerträglich geworden ist. Wenn die ungeliebte Arbeitsstelle jedoch kurzzeitig durch ein spannendes Projekt wieder angenehmer wird, sinkt die Weg-von-Motivation.
Weg-von Typen sind sehr belastbar. Ich bin immer wieder erstaunt, was Menschen alles ertragen, um das Gewohnte aufrechtzuerhalten. Nur wenn der Schmerz im Status quo die Angst vor Veränderung übersteigt, stellen sie Bestehendes infrage und arbeiten an sich. Oft ist es dann aber schon (fast) zu spät und sie zahlen einen hohen Preis dafür.
Schneller zu Erfolgserlebnissen
Meine Erfahrung als Karriereberater sagt mir: Nach zwölf Jahren im selben Unternehmen sollten Sie dringend einen Jobwechsel ins Auge fassen. Sie verlassen damit eingefahrene Gleise und erweitern Ihren Horizont. Sie lernen neue Methoden und Systeme kennen, knüpfen neue Kontakte, erhalten Ihre Flexibilität, steigern Ihren Marktwert und bleiben langfristig beschäftigungsfähig.
Sollte all dies Ihren inneren Schweinehund noch nicht überzeugen, stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: In zwei Jahren drängen Wettbewerber mit niedrigen Preisen in Ihren Markt. Ihr Unternehmen muss sich strategisch neu ausrichten, die Produktion in ein Billiglohnland verlagern, die Organisation umkrempeln und einen Teil des Führungspersonals austauschen. Auch Ihr Arbeitsplatz fällt weg.
Sie denken, das ist unrealistisch? Wöchentlich gibt es Berichte über vergleichbare Fälle.
Perspektivwechsel: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber das Rentenalter erreichen? Sollten Sie jetzt denken "gering", bereiten Sie möglichst bald Ihren Jobwechsel vor. Sollten Sie den richtigen Zeitpunkt für den Absprung verpassen, könnten Sie irgendwann in Schwierigkeiten geraten.
Je länger Sie bei einem Unternehmen beschäftigt sind, desto mehr sind Sie von diesem abhängig - und verlieren Ihre Attraktivität für andere Arbeitgeber. Treffen Sie also möglichst bald Ihre Entscheidung und machen Sie sich einen Plan. Mein Tipp: Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor. Mehrere kleine und konkrete Schritte lassen sich schneller umsetzen, und Sie erzielen schneller Erfolgserlebnisse.