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Junge und alte Arbeitnehmer Gleich viel Urlaub für alle!

Ältere werden in der Arbeitswelt diskriminiert? Von wegen! Jüngere sind benachteiligt: Sie bekommen oft weniger Geld und Urlaub und gehören zu den Ersten, die bei Kündigungswellen gehen müssen. Dagegen haben manche geklagt - und in einigen Punkten Recht bekommen.
Verdien du erstmal so viel wie ich: Junge Arbeitnehmer erstreiten Gleichbehandlung

Verdien du erstmal so viel wie ich: Junge Arbeitnehmer erstreiten Gleichbehandlung

Foto: Corbis

Jüngere haben im Arbeitsleben keineswegs immer die besseren Karten als Ältere. Das liegt nicht an bösen Chefs, sondern an tariflichen und gesetzlichen Regeln, die oft lauten: weniger Gehalt und weniger Urlaub für junge Arbeitnehmer. Aber darf das so sein? Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet die Diskriminierung wegen des Alters. Und darauf können sich auch Jüngere berufen.

Denn Altersdiskriminierung trifft nicht nur Ältere - im Gegenteil: Fast jeder dritte Erwachsene unter 30 Jahren hat sich schon einmal wegen seines Alters benachteiligt gefühlt. Das hat eine Forsa-Umfrage unter rund 1500 Erwachsenen im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ergeben. Von den 45- bis 59-Jährigen klagt darüber nur jeder Fünfte (22 Prozent), von den Deutschen ab 60 Jahren etwa jeder Sechste (18 Prozent).

Mancher dürfte sich bei diesen Zahlen wundern: Worüber können Jüngere sich denn schon beschweren, wenn es um Altersdiskriminierung geht? "Ein Beispiel sind Tarifverträge, in denen Urlaubsansprüche oder Gehaltsstufen nach dem Alter gestaffelt sind", erklärt der Jurist Bernhard Franke von der ADS. Er leitet dort das Beratungsteam, an das sich Bürger wenden können, die sich diskriminiert fühlen. Solche Staffelungen gebe es auch in Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen, ergänzt der Arbeitsrechtler Michael Eckert aus Heidelberg. Streitpunkte sind außerdem gesetzliche Regeln rund um Kündigungen, die für Jüngere von Nachteil sind.

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Foto: Arno Burgi/ dpa

Und was schwebt den Jüngeren vor - gleiches Gehalt für alle? Mancher unterbezahlte Berufseinsteiger dürfte bei dem Gedanken leuchtende Augen bekommen: Kann ich jetzt etwa als Büroneuling zum Chef gehen und dasselbe Gehalt wie altgediente Kollegen? Ganz so einfach ist es nicht, sagt Franke. Denn erstens seien die beiden überhaupt nicht miteinander vergleichbar, schon was ihren Erfahrungshorizont angeht. Und zweitens ist längst nicht jede Ungleichbehandlung eine Diskriminierung. Es komme auf die Begründung an, also darauf, ob sie sachlich gerechtfertigt ist.

"Anpassung nach oben"

"Die Rechtslage ist noch nicht endgültig geklärt", sagt Eckert, der Vorstandsmitglied im Deutschen Anwaltverein ist. Einige Tarifregelungen sind aber bereits gekippt worden: So hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich erst die altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für unwirksam erklärt (Az.: 9 AZR 529/10 ). Die Folge: Die jüngeren Beschäftigten haben Anspruch auf mehr Urlaub als bisher.

Entsprechend hatte früher schon das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einem ähnlichen Fall geurteilt (Az.: 8 Sa 1274/10 ). Die Richter ließen dabei nicht gelten, dass eine solche Staffelung der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf diene. Dieses Argument dürfte generell nicht mehr ziehen, meint Eckert. Schließlich sei ein 35-jähriger Vater mit zwei kleinen Kindern familiär viel stärker eingespannt als ein 55-Jähriger, dessen Kinder schon aus dem Haus sind. Er geht daher davon aus: "Jede nur nach dem Alter gestaffelte Urlaubsregelung ist nicht mehr zu halten."

Auch das Eingruppieren in Gehaltsstufen nach dem Alter im früher gültigen Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) war eine verbotene Diskriminierung, wie inzwischen höchstrichterlich entschieden wurde. Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Rechtssachen C 297/10  und C 298/10) und anschließend das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 6 AZR 481/09 ) erklärten diese Regelung für unzulässig - mit dem Ergebnis, dass Betroffene Nachzahlungen fordern konnten, wenn sie ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet hatten. So etwas kann sich auszahlen: Denn in solchen Fällen erfolgt immer eine "Anpassung nach oben", erklärt Eckert. Betroffenen steht also eine Bezahlung nach der höchsten Altersstufe zu.

Alter darf kein Kriterium mehr sein - Erfahrung schon

Das heißt aber nicht, dass beim Gehalt Aspekte tabu sind, die indirekt mit dem Alter zu tun haben. "Berufserfahrung darf honoriert werden", erklärt Eckert. "Eine Alte-Hasen-Regel ist also zulässig." So wurde das Problem auch im TVöD gelöst, der den BAT abgelöst hat: Darin geht es um Leistung und Berufserfahrung statt ums Alter.

Ein weiterer Fall sind die Kündigungsfristen: Derzeit heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch noch, dass beim Berechnen der Fristen Beschäftigungszeiten erst ab dem 25. Lebensjahr berücksichtigt werden. Das hat der EuGH 2010 aber als Diskriminierung gewertet (Rechtssache C-555/07 ). Auch wenn eine gesetzliche Neuregelung noch aussteht - "in der Praxis ist das bereits unwirksam", erläutert Franke. Die Regel hatte früher dazu geführt, dass Jüngeren manche Berufsjahre nicht angerechnet wurden, wodurch sich ihre Kündigungsfrist verkürzte.

Stoff für Streit bietet außerdem die Frage, wer bei einem Stellenabbau zuerst gehen muss. Denn das sind laut Gesetz meist die Jüngeren - zumindest, wenn sie bei der Sozialauswahl keine Unterhaltspflichten oder eine Schwerbehinderung geltend machen können. Ansonsten nämlich geht es dabei um Lebensalter und Betriebszugehörigkeit.

Dahinter stehe durch das AGG nun ein Fragezeichen, erklärt Eckert. Derzeit sei es aber noch "völlig unsicher", ob eine Klage gegen diese Regel vor Gericht eine Chance hätte. Auch habe sie nur Sinn, wenn das Alter das einzige Kriterium ist, das in der Sozialauswahl den Ausschlag gibt - was eher selten der Fall sein dürfte. Damit verbunden ist die Frage um die Abfindung im Sozialplan: "In der Regel kriegen Ältere eine höhere Abfindung", erklärt Franke. Das hat das BAG 2011 noch für zulässig erklärt (Az.: 1 AZR 743/09 ).

Tobias Schormann, dpa/mamk
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