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Jura-Absolventen "Befriedigend als Note ist kein Weltuntergang"

Ein Prädikatsexamen muss es schon sein, darauf hoffen alle Jurastudenten. Persönlichkeit, Praxis, Sprachen - darauf kommt es beim Berufsstart ebenfalls an, sagt Ulrike Guckes. Die Berliner Rechtsanwältin rät jungen Juristen davon ab, sich ausschließlich aufs Examen zu fixieren.
Junger Jurist beim Lernen: Selbst mit einem "Ausreichend" muss man nicht scheitern

Junger Jurist beim Lernen: Selbst mit einem "Ausreichend" muss man nicht scheitern

Foto: Corbis

KarriereSPIEGEL: Frau Guckes, entscheiden in Jura die Examensnoten über Wohl oder Wehe des Berufseinstiegs?

Ulrike Guckes: Natürlich ist die Examensnote enorm wichtig - sie ist nach wie vor das wichtigste Zugangskriterium auf dem Arbeitsmarkt. Gerade wenn man in den öffentlichen Dienst will, ist die Notenfixierung extrem. Wer im Zweiten Staatsexamen nicht zu den besten 20 Prozent gehört, hat im Staatsdienst kaum eine Chance. Wenn man nicht so gut ist, ist das aber auch kein Beinbruch.

KarriereSPIEGEL: Aber gerade Top-Kanzleien und namhafte Firmen fordern von Bewerbern meist zwei Prädikatsexamina, also mindestens die Note "Vollbefriedigend" in beiden Prüfungen, was noch weniger Absolventen erreichen.

Guckes: Nur gibt es so viele Prädikatsexamina, um diesen Bedarf zu stillen, gar nicht. Ein "Befriedigend" im Ersten und Zweiten Staatsexamen ist kein Weltuntergang, auch damit hat man immer noch gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, und selbst mit einem "Ausreichend" muss man nicht scheitern, wenn man sich auf seine Stärken besinnt. Denn das, was man neben der Note zu bieten hat, spielt bei der Personalauswahl eine mindestens genauso große Rolle, vor allem die Persönlichkeit des Bewerbers.

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KarriereSPIEGEL: Bei einer schriftlichen Bewerbung kann man mit Persönlichkeit aber erst mal wenig glänzen.

Guckes: Deshalb ist es auch so wichtig, dass man schon als Student Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern knüpft, indem man in interessanten Kanzleien mitarbeitet, dort Praktika macht oder vielleicht auch erst mal nur einen studentischen Nebenjob. Auch was vielleicht mit Telefondienst oder Kopieren beginnt, kann sich bis zum Ende des Referendariats zu einer Festanstellung als Anwalt auswachsen. Im Anwaltsberuf kommt es auf viele Fähigkeiten an, die im Studium nicht gelehrt und schon gar nicht im Examen geprüft werden. Umgekehrt ist auch ein Doppelprädikat heute keine Garantie mehr dafür, jede Stelle zu bekommen. Die meisten Top-Kanzleien wollen einen Tick mehr: gute Sprachkenntnisse, Zusatzqualifikationen, Lebenserfahrung.

KarriereSPIEGEL: Das kostet aber meist Zeit - sinken mit zunehmendem Alter dann nicht wieder die Chancen?

Guckes: Die erfolgreichsten sind oft nicht einmal die, die am schnellsten studiert haben. Außerdem müssen frühe praktische Erfahrungen und Examenserfolg kein Widerspruch sein, im Gegenteil. Wer im Referendariat nebenher gearbeitet hat, schreibt oft die besseren Examina. Gerade im Zweiten Staatsexamen kommt es auch sehr auf prozessuales Wissen an, das man mehr durch praktische Arbeit erwirbt als durch das Lernen in der Bibliothek. Wer beim Anwalt in drei Stunden eine Akte bewältigt, für den sind auch zehn Seiten Examenssachverhalt kein Problem. Gerade im Referendariat zählt deshalb Praxis, Praxis, Praxis. Wer in der sogenannten Anwaltsstation abtaucht, um nur auf das Examen zu lernen, macht einen Fehler.

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KarriereSPIEGEL: Wer aber zu viel nebenbei macht, verzettelt sich auch leicht. Welche Prioritäten sollte man setzen, um möglichst gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben?

Guckes: Natürlich ist die Note das A und O. Gleich danach kommen aber Sprachen und Auslandserfahrungen, dann die Praktika. Spezialisierungen sind gut und hilfreich, vor allem wenn man vielleicht über die Note nicht so glänzt. Da kommt es aber sehr darauf an, was man gemacht hat. Ein Theoriekurs für irgendeine Fachanwaltschaft ist weit weniger interessant, als wenn jemand schon mal einen anderen Berufsabschluss gemacht hat, oder sonst in einem bestimmten Lebensbereich tätig war, auf den er sich dann als Anwalt spezialisieren und so dort leichter Mandanten gewinnen kann.

KarriereSPIEGEL: Gibt es Spezialisierungen, die besonders empfehlenswert sind?

Guckes: Das sollte man nicht zu abstrakt sehen. Rechtsentwicklungen können sich auch ändern - was heute ein gutes Fortkommen verspricht, ist morgen womöglich überlaufen oder völlig überholt. Besser ist es, man geht seinem Interesse nach, überlegt möglichst frühzeitig, wo man später wirklich mal arbeiten will. Sich zu früh auf etwas zu fixieren, bringt aber auch nichts. Im Studium jedenfalls sollte man sich möglichst viel umsehen, damit einem nichts entgeht.

Das Interview führte Dietmar Hipp, SPIEGEL-Redakteur in Karlsruhe.

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