Arbeitsrecht kurz erklärt
Kann ich Urlaub und Überstunden ins nächste Jahr schieben?
Am 31. Dezember verfallen in der Regel übrige Urlaubstage – aber Überstunden nicht unbedingt. Alles, was Sie jetzt wissen müssen, um Ihre freie Zeit in den Januar zu retten.
Da fliegen sie. Ohne mich. Und ich muss die schönen Urlaubstage in der Dezember-Shutdown-Tristesse verbratzen.
Foto: Dmitro Koval'ov / Getty Images/EyeEm
Der erneute Shutdown ist ärgerlich für Arbeitnehmer, die sich extra noch Urlaubstage für den Dezember aufgehoben hatten: An Erholung, finden viele, ist zu Hause nicht zu denken – man kann derzeit schließlich weder in Schwimmbad und Sauna den Winter ignorieren, noch auswärts essen gehen. Da aber der Urlaub, so ist es gesetzlich festgelegt, ausdrücklich der Erholung von der Arbeit zu dienen habe, kann man auf den Gedanken kommen: Wenn ich mich gar nicht richtig erholen kann – dann müsste es doch rechtens sein, die Urlaubstage ins nächste Jahr hinüberzuretten. Und dann könnte man sie nach dem Ende des Shutdowns genüsslich etwa in einem dann wieder geöffneten Wellnesshotel oder an einem freundlichen Strand im Süden verbringen, statt im Shutdown-Dezember zu Hause ein Loch ins Sofa zu brennen.
»Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.«
Bundesurlaubsgesetz
Der Gedanke scheint so abwegig nicht. Schließlich legt das Bundesurlaubsgesetz fest: »Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.« Erholung wird hier nicht weiter definiert – das wäre auch schwierig: Für den einen wäre ein Ferienhausaufenthalt mit Schwiegereltern mehr Stress als Überstunden unter Volllast, für den anderen wäre die Ruhe einer einsamen Almhütte das pure Grauen, und mancher findet es zu Hause immer am besten.
»Grundsätzlich gilt: Urlaub ist im laufenden Kalenderjahr zu nehmen«, sagt Jens Niehl, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Düsseldorf. »Ins nächste Kalenderjahr übertragen werden kann er normalerweise nur, wenn es dringende betriebliche Gründe dafür gibt – oder wenn es aufseiten des Arbeitnehmers Faktoren gibt, etwa eine Krankheit, die es ihm unmöglich machen, den Urlaub fristgerecht zu nehmen.« Allerdings können Betriebsvereinbarungen oder individuelle Regelungen im Arbeitsvertrag auch noch andere Gründe zulassen.
Das Shutdown-Argument hat nach Niehls Einschätzung keine Aussicht auf rechtliche Relevanz. Er gibt zu bedenken: »Im Gesetz sind ausdrücklich nur betriebliche Gründe oder solche aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers für eine Urlaubsübertragung ins nächste Jahr genannt. Der Shutdown ist keines von beiden. Zwar mag der Freizeitwert eingeschränkt sein, aber erholen kann man sich trotzdem – weil man nicht zur Arbeit muss.«
Er gibt außerdem zu bedenken: Wenn ein Shutdown grundsätzlich die Übertragung von Urlaub ins nächste Jahr rechtfertigen würde, könnten ohnehin schon gebeutelte Arbeitgeber im Extremfall unter erschwerten Bedingungen ins kommende Jahr starten. Sie müssten mit einem extremen Urlaubsstau rechnen, der den Normalbetrieb empfindlich einschränken könnte.
Wer Urlaubstage mit ins kommende Jahr nehmen darf, muss auf jeden Fall aufpassen: Laut Gesetz müssen sie in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Wer das nicht tut, riskiert, dass sie ersatzlos verfallen.
Anders sieht es mit Überstunden aus.Ob man diese mit Freizeit ausgleicht oder ausbezahlt bekommt, ist Sache einer individuellen Übereinkunft mit dem Arbeitgeber; eine pauschale Regelung, nach der Überstunden mit dem normalen Gehalt abgegolten sind, ist in den meisten Fällen unwirksam. Anders als Urlaubstage kann man angesammelte Überstunden aber durchaus ins nächste Kalenderjahr mitnehmen. Sie unterliegen nämlich nur einer Verjährungsfrist von drei Jahren.
Allerdings gibt es in Arbeitsverträgen häufig Klauseln, die verlangen, dass sie zeitnah ausgeglichen werden müssen. Die Fristen dazu dürfen aber nicht zu knapp bemessen sein und müssen mindestens drei Monate betragen. Vorsicht: Wenn sie nicht innerhalb der im Vertrag festgesetzten Frist ausgeglichen werden, verfallen Überstunden ersatzlos – es gibt dann auch kein Geld mehr dafür.