Karriere-Zwischenruf Morgens Mafiaboss, mittags Inge Meysel, abends Jogi Löw

Immer schön flexibel bleiben: Mut zum Rollen-Freestyle im Beruf
Foto: Corbis"Die perfekte Assistentin muss denken wie ein Mann, sich benehmen wie eine Dame und arbeiten wie ein Pferd." In puncto Gleichberechtigung hat sich viel getan; neben Assistentinnen fragen sich auch weibliche Führungskräfte, an welchen Rollenmustern sie sich orientieren sollen.
Den Vergleich mit dem Arbeitspferd werden viele bestätigen. Aber denken wie ein Mann, sich benehmen wie eine Dame: Ist das ein Erfolgsrezept für den Weg nach oben? Haben nicht jene recht, die "weiblicheres Denken" für die Wirtschaft fordern, die typisch männliche Denkweisen gar für die jüngste Finanzkrise verantwortlich machen? Und sollten Frauen wirklich "damenhaft" auftreten - oder sich bewusst verhalten wie Männer, weil sie womöglich nur so Führungsansprüche umsetzen können?
Klar ist: Es herrscht verschärfte Rollenverwirrung in der westlichen Welt. Männer tragen Babys im Bauchgurt durch die Fußgängerzone; Quoten sollen Frauen den Aufstieg erleichtern. Hillary Clinton schmiedet weltweit strategische Ränke, während ihr Mann sie charmierend flankiert und Deutschland sinniert, wie sich Joachim Sauer bei Staatsbesuchen im Gattinnenprogramm (Modenschauen, Ausstellungseröffnungen) schlägt.
Jeder einzelne Mensch hat völlig eigene, auch situativ wechselnde Einschätzungen, was "typisch weiblich" und was "typisch männlich" ist. Als Beraterin von Führungskräften möchte ich dennoch einige generelle Aussagen über die berufliche Positionierung von Frauen und Männern treffen. Die erste:
Für beruflich ambitionierte Frauen ist es äußerst gewinnbringend, traditionell männliche Rollenmuster ins eigene Repertoire aufzunehmen. Mehr und mehr gilt die umgekehrte Entsprechung auch für Männer.
Erfolgreiche Managerinnen berichten unisono, dass sie sich mitunter gezielt "männlich" verhalten - in drei Aspekten: Kommunikation (insbesondere selbstbewusste und klare Gesprächsführung), Machtverständnis (strategisches Netzwerken, bewusster Einsatz von Macht) sowie Selbstmanagement (Identifikation mit der eigenen Führungsrolle; Abkehr von routinemäßiger Selbstzerfleischung; Verzicht auf den Anspruch, von jedem gemocht zu werden).
Umgekehrt sagen aber auch männliche Führungskräfte, dass ihre Soft Skills wie Empathie oder Konfliktkompetenzen wichtiger werden. Die heutige Business-Kultur fragt tendenziell ein androgynes Gesamtpaket nach (wenn auch noch mit einer Neigung zu "männlichen" Werten).
Tatsächlich kann man sich die Wirksamkeit von Managerinnen und Managern vorstellen, die klassisch männlich besetzte Werte wie Führungs- und Gestaltungswillen mit klassisch weiblich besetzten Werten wie Einfühlungsvermögen oder Kommunikationsstärke verbinden. Ein bisschen mehr Bruce Willis schadet mancher Frau im Berufsleben überhaupt nicht, während mancher Mann sich gut ein wenig vom charmanten interpersonalen Geschick der Grace Kelly abschauen kann.
Aber die Sache ist komplizierter. Trotz der Vorteile von androgynen Wunschkandidaten muss man ja fragen, ob eine völlige Auflösung der Geschlechterunterschiede denn außerhalb der Berufswelt wirklich erstrebenswert ist. Im persönlichen Umgang wollen die wenigsten Menschen eine Gleichschaltung der Geschlechter. Daher die zweite Feststellung:
Derzeit bestehen grundsätzliche Konflikte zwischen beruflich nachgefragten und privat erstrebenswerten Geschlechterrollen.
Diese Konflikte, die nicht immer bewusst erkannt werden, müssen Frauen wie Männer irgendwie bewältigen. Drei typische Muster, die bei Frauen häufig zu beobachten sind:
- Modell 1: Der bessere Rambo
Die Machisma-Variante besteht darin, alle traditionell "weiblichen" Aspekte im Berufsleben abzuspalten und rein "männliche" Denk- und Verhaltensweisen auszuleben. So erreichen Frauen natürlich keine Komplementarität der Verhaltensweisen, sondern geben gleichsam den besseren Rambo, um sich durchzusetzen.
Gerade in stark männerdominierten Branchen und Abteilungen kann das funktionieren. Allerdings laufen Frauen Gefahr, einen doppelten Preis zu zahlen: Sie sind unbeliebt - und stoßen vielfach trotzdem an die gläserne Decke. Schlimmstenfalls ernten sie also das Schlechteste aus beiden Welten.
- Modell 2: Die eierlegende Wollmilchsau
Gerade viele junge Frauen versuchen, Durchsetzungsvermögen und Charme, Spitzenleistung und physische Attraktivität unter einen Hut zu bekommen. Mit dieser Methode gehen sie scheinbar in Richtung Komplementarität.
Statt aber einen Mittelweg zu finden, laden sie sich in Wirklichkeit die Bürde auf, alle Ansprüche beider Geschlechterrollen abzudecken. So führt das Modell "eierlegende Wollmilchsau" zielsicher in die Überforderung: ein Auffahrunfall der Emanzipation.
- Modell 3: Erratisches Springen zwischen Rollenklischees
Das dritte Modell ist eine Art hysterische Version des zweiten: Frauen versuchen die "eierlegende Wollmilchsau", stiften aber Verwirrung mit einem Mix widersprüchlicher Führungsstile (morgens der "Pate", mittags Inge Meysel, abends Jogi Löw).
Überzeugend wirkt keines der drei Modelle - und ein ideales viertes gibt es leider nicht. Beruflich muss sich momentan noch jede und jeder selbst eine eigene Spur durch die Rollenmuster pflügen. Die Kunst liegt darin, kluge Prioritäten zu setzen und das Beste aus dem Denk- und Handlungsspektrum beider Geschlechter auszuprobieren, ohne sich zu überfordern. Mit Mut zum Freestyle, Lernen aus Erfahrung und etwas Glück findet man einen Modus, mit dem man sich wohlfühlt und die gewünschten beruflichen Möglichkeiten offenhält.
Die Grundspannung zwischen beruflich und privat erwünschten Geschlechteridentitäten lässt sich derzeit kaum auflösen. Am besten zurechtkommen damit jene mit einem gesunden Selbstwertgefühl: Sie können Widersprüchliches im Spektrum der eigenen Identität leichter verarbeiten, besser mit neuen Verhaltensweisen experimentieren - und auch bei anderen mehr Schrägheit aushalten.
Wer halbwegs zufrieden in sich ruht, schließt im Zweifel einfach die Bürotür hinter sich und denkt: Rutscht mir doch alle den Buckel hinunter.

KarriereSPIEGEL-Gastautorin Uta von Boyen (Jahrgang 1971) ist studierte Philologin, Managementtrainerin und Executive Coach. Als Personalberaterin und Organisationsentwicklerin hat sie 1999 in München die Firma "von boyen - consulting" gegründet, die Unternehmen und Führungskräfte zu zentralen Fragen der Neuausrichtung berät. 2011 stellte sie mit "LeadOne for Excellence" ein neues Modell der Führungskräfteentwicklung vor.