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Karrieren Für Piloten brechen harte Zeiten an

Sie haben auf dem Weg zu ihrem Traumberuf hohe Hürden genommen. Doch seit Beginn der Coronakrise stehen Tausende Piloten vor einer ungewissen beruflichen Zukunft.
Flugzeugcockpit: Sauberes Arbeiten nach vorgegebenen Standards

Flugzeugcockpit: Sauberes Arbeiten nach vorgegebenen Standards

Foto: Christoph Schmidt/ dpa

»Meinem Vermieter oder meiner Bank ist es egal, ob ich Pilot bin.« Nach 16 Berufsjahren steht der Pilot der insolventen Luftfahrtgesellschaft Walter fast schon mit dem Rücken zu Wand. Mit der Coronakrise sind im einstigen Dauerwachstumsmarkt Luftverkehr auf einen Schlag Tausende Kapitäne und Co-Piloten vor existenzielle Fragen gestellt. Die europäische Pilotenvereinigung EPA schätzt, dass von den rund 65.000 Kräften auf dem Kontinent rund 18.000 dauerhaft ihren Job verlieren. Allein bei der deutschen Lufthansa sollen im kommenden Jahr bis zu 1200 von rund 5500 Kollegen gehen, schätzt die Vereinigung Cockpit. Statt Spitzengehältern droht manchen die Arbeitslosigkeit.

Die Cockpit-Mannschaften der Airlines sind durchaus heterogen: Da gibt es Vollakademiker, die noch andere Stellen innehaben, Piloten im Management, aber auch die, die nach ihrer zweijährigen Ausbildung davon ausgegangen waren, dass der Beruf Pilot eine Lebensstellung sei. Vor allem bei dieser Gruppe ist guter Rat teuer, weiß der Luftverkehrsexperte der Arbeitsagentur am Flughafen Frankfurt, Holger Bausch. »Die meisten sorgen sich erst einmal um die Aufrechterhaltung ihrer Lizenz und schauen, was weltweit möglich ist. Aber ein Jobwechsel nach China, in die Golfstaaten oder nach Südamerika ist derzeit wegen der Pandemie nahezu unmöglich.«

Erhard Walther, Chef und Gründer der Hamburger Beratungsgesellschaft Interpersonal, glaubt nicht, dass alle wieder unterkommen. »Es ist sehr aufwendig, Lizenz und medizinische Voraussetzungen aufrechtzuerhalten. Für ältere Kollegen wird sich das vielleicht auch gar nicht mehr rechnen. Jüngere, die auch eine Familie versorgen müssen, werden in andere Berufe wechseln.« Der Betreiber der Jobbörse career.aero für fliegerisches Fachpersonal sieht zudem ein klassisches Betätigungsfeld für Ex-Piloten derzeit versperrt: »Die Flughäfen und Zulieferer haben im Moment selbst zu große Mannschaften an Bord.«

Hochqualifizierte Kräfte

Die Lufthansa-Pilotin Leila Belaasri weist auf Probleme mit der Verkehrspilotenlizenz ATPL hin, die in Deutschland keinen anerkannten Berufsabschluss darstelle. »Diese Einstufung spiegelt das facettenreiche Kompetenzprofil eines Piloten nicht wider. Folglich ist es signifikant wichtig, die Unterstützung des Luftfahrtbundesamtes zu gewinnen, um die rechtlichen Voraussetzungen für eine bessere Anerkennung zu schaffen. Damit Kollegen leichter in andere Berufe quereinsteigen oder bei verwandten Studiengängen nicht ganz bei null anfangen müssen.«

Wolfgang Zschauer musste nach elf Pilotenjahren aus gesundheitlichen Gründen zurück an den Boden und hat seitdem vielfältige Berufserfahrungen gesammelt. Er sagt: »Piloten haben eine sehr breite technische Systemkompetenz in vielen verschiedenen Fachgebieten. Sie sind ›ingenieurnah qualifiziert‹ und können sich extrem schnell in komplexe Systeme einarbeiten.« Außerdem seien Piloten sauberes Arbeiten nach vorgegebenen Standards gewohnt, wenn auch bei der ixten Wiederholung Präzision und genaue Dokumentation gefordert werden. »Das sind insbesondere in Testlaboren oder bei Audits gefragte Fähigkeiten. Bedarf haben da viele Industriezweige wie Pharma, Chemie, Auto oder Maschinenbau.«

In seinem aktuellen Job achtet Zschauer darauf, dass die komplexen Regeln der europäischen Luftsicherheitsbehörde EASA am Münchner Flughafen umgesetzt und eingehalten werden. Eine klassische Aufgabe für Ex-Piloten, findet er. »Wir wissen, wie wichtig Genauigkeit ist und können Vorfälle genau analysieren.«

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Möglichkeiten außerhalb der Fliegerei

Arbeitsvermittler Bausch rät den Betroffenen zur Selbstanalyse: »Die Bewerber müssen im Einzelfall schauen, welche Teilgebiete ihres bisherigen Jobs sie ausbauen wollen. Das könnten beispielsweise Luftrecht, Technik oder auch die Meteorologie sein.« Interpersonal-Chef Walther sieht ebenfalls Möglichkeiten außerhalb der Fliegerei: »Grundsätzlich können Piloten mit ihren Kompetenzen auch gut in technischen Hochrisiko-Umfeldern eingesetzt werden, zum Beispiel in Kraftwerken. Das haben bislang noch zu wenige potenzielle Arbeitgeber erkannt.«

Die Pilotin und Coachin Belaasri wirbt mit den Führungsqualitäten der Berufsgruppe: »Piloten sind Verantwortungs- und Entscheidungsträger, die in einem vorgegebenen Team mit gelebter psychologischer Sicherheit alle verfügbaren Ressourcen nutzen können. Dazu braucht es hohe kommunikative Fähigkeiten. Piloten haben eine ausgeprägte Lösungskompetenz für Probleme und Konflikte.«

Es wird sich zeigen, ob das auch für die eigenen Probleme gilt.

mik/dpa
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